Kommen die Unikliniken Gießen und Marburg wieder zum Land Hessen ?
Marburg 30.3.2012 (yb) Über Wochen schon wogen die aktuellen Auseinandersetzungen um die Zukunft der Unikliniken in Gießen in Marburg. Dabei gibt es bereits seit langem eine kritische Entwicklung, ja Krise, um die beiden Universitätskliniken in Mittelhessen, zugleich Deutschlands einzige privatisierte Unikliniken. Die Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH (UKGM) hat sich eben nicht zu einem Erfolgsmodell, gar Leuchtturm, entwickelt. Die Liste der Probleme, Fehler und Krisen ist lang. Nach der Privatisierung gab es zunächst ein Stillhalten und Abwarten. Dazu kamen vertraglich und im Verkauf eingepreiste Neubauten. Das Land Hessen schien vor dem Hintergrund klammer Kassen eine Belastung los geworden zu sein. Inzwischen sind mehr als fünf Jahre vergangen und jetzt liegt ein Vorschlag als noch verhaltene Forderung auf dem Tisch. Die Kliniken sollen zum Land zurück. Universitätskliniken mit ihrem Aufgaben in Forschung und Lehre taugen nicht für die Profitmaximierung eines Konzerns. Der Magistrat der Stadt Marburg ist damit in die Öffentlichkeit getreten.
„Der Magistrat fordert die Landesregierung auf, die Privatisierung des UKGM rückgängig zu machen“ findet sich als zusätzliche Forderung in der Resolution, worin man sich zugleich der Resolution des Senats der Philipps-Universität anschließt. Gemeinsam wollen Magistrat und Präsidium der Philipps-Universität „alle Möglichkeiten ausschöpfen, um Schaden von der Universität, vom Klinikum der Philipps-Universität und der Universitätsstadt Marburg abzuwenden“ heisst es dazu weiter. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Universitätsklinik seien die wichtigste Ressource des Universitätsklinikums. Demgemäß wird die Konzernstrategie angeprangert, diese „als Kostenfaktor zu betrachten und möglichst schnell zu reduzieren.“ Es zeige sich, „wie weit weg dieser börsennotierte Konzern von der Chance ist, eine Uniklinik wirtschaftlich zu führen und erfolgreich Medizin betreiben zu lassen.“
In dieser Woche waren die Betriebsräte aus Gießen und Marburg beim Ministerpräsidenten zu einem zweistündigen Gespräch. Es soll in die richtige Richtung gegangen sein, wird davon berichtet, auch dass Bouffier den UKGM Betriebsrat unterstütze. Dazu wird erneut eine bisher nicht leistbare Mediation ins Spiel gebracht, so als ob Mediaton etwas an der Grundkonstellation ändern könnte. Der Rhön Klinikum AG reichen 161 Millionen Konzerngewinn bei 15 Millionen Gewinn am UKGM nun einmal nicht aus. Vor diesen Hintergrund wurde der „Kostenblock von 10 Millionen“ Euro doch genau benannt. Dem stehen aber gute Patientenversorgung, ausreichend und qualifizierte Mitarbeiter mit ordentlichen Arbeitsbedingungen und Lehre und Forschung nun einmal entgegen.
Der Konflikt zwischen den rein wirtschaftlichen Interessen, wie sie nun einmal eine Aktiengesellschaft hat, und der Gesundheitsversorgung samt Lehre und Forschung lässt sich nicht durch geschicktes Verhandeln auflösen. Er wird längst auf dem Rücken der Beschäftigten und Patienten mit kaltem Stellenabbau ausgetragen. Wer redet noch vom früheren Fahrdienst? Die Nichtverlängerung von befristeten Verträgen sind probates Mittel ebenso wie zahlreiche Abgänge in Rente und Ruhestand. Es bedarf dafür keiner Kündigungen, gleichwohl wurde zusätzlich ein Stellenabbau um 500 ins Gespräch gebracht. Betriebsrat und Beschäftigte müssen viel aushalten, brauchen Unterstützung und Solidarität von außen.
Es geht hier um politische Fragen. Die Krankenhausfinanzierung steht generell auf schwacher Grundlage, was die Forderung nach einem ordentlichen Personalschlüssel nur bekräftigen kann. Davor noch gibt es das beim Bundesverfassungsgericht erstrittene Recht auf Rückkehr in den Landesdienst für 3.500 MitarbeiterInnen. Uneingelöst. Mit dem UKGM sollte in Marburg längst eine Partikeltherapie in Betrieb geben. Uneingelöst. Leistungsfähiger Betrieb von Forschung und Lehre will finanziert sein, darf nicht zu einer Quersubventionierung des Klinikbetriebs missbraucht werden. Dafür braucht es eine Trennungsrechnung. Uneinglöst. So kann es nicht verwundern, wenn Unterschriften gesammelt werden und die Menschen auf die Straße gehen um für „unser Klinikum“ zu demonstrieren.
Das Projekt UKGM ist zu einer Hypothek geworden. Dies wird beim Rhön Konzern um so deutlicher werden, wie den vielgestaltigen berechtigen Anforderungen an zukunftsorientierte Universitätsmedizin zu entsprechen sein wird. Das kostet und senkt den Profit. Insofern ist es nicht abwegig schon einmal eine Berechnung aufzumachen, wie dies MdL Spies in der Oberhessischen Presse getan hat. Wie der Gesundheitsexperte der SPD-Landtagsfraktion dabei aber auf 600 Millionen Euro kommt, muss verwundern. Dabei sind als Gegenrechnung die 100 Millionen Kapital der von-Behring-Röntgen-Stiftung ebenso vergessen, wie die nicht erbrachte Partikeltherapie in Marburg. Dafür hat sogar Wissenschaftsministerin Kühne-Hörmann die Rückforderung von 107 Millionen Euro zum 31.12.2012 bereits artikuliert.
Anders, vielleicht denkt der Landtagsabgeordnete weiter an eine mögliche Rot-Grüne Landesregierung. Auf diese könnte es in der Tat zukommen den Unikliniken in Gießen und Marburg ihre Zukunftsabsicherung mittels Rückkauf zu gewährleisten. Bis dahin ist noch gewisse Zeit. Doch viel gute Zeit ist bereits verstrichen, ohne dass Ruhe, nicht zu reden von Perspektive, für die beteiligten Akteure auf den Lahnbergen und in Gießens Kliniksviertel eingetreten wäre.
Insofern wird es in der Tat Zeit für eine Grundsatzdebatte über öffentliche Eigenart und Auftrag der Gesundheitsversorgung, wie sie Egon Vaupel als Marburger Oberbürgermeister anstossen möchte. Shareholder Value, Rendite und Quartalsberichte helfen dabei nicht weiter, sind vielmehr und offenbar kontraindiziert.