‚Wo geht’s denn hier zum rechten Rand?‘ – Uraufführung in der Black Box am 15. April
Marburg 10.4.2012 (pm/red) Viele, zu viele Zeitgenossen hat erst die Aufdeckung der Mordtaten in Serie durch neonazistische Täter erkennen lassen, dass rechtes Gedankengut erschreckende Verbreitung und Wirkung erfährt. So existiert in Marburg der Versuch von Umwidmung und Banalisierung kriegerisch-militärischer Traditionspflege mit der Platzierung eines Kriegsdenkmals am Stadtrand. Auch dies mag zu der Frage veranlassen: Wenn rechtsextremistisches Gedankengut Einzug in das gesellschaftliche Zentrum finden kann, wie weit ist der rechte Rand dann eigentlich noch von der Mitte entfernt? Mit der Stückentwicklung ‚Wo geht’s denn hier zum rechten Rand?‘ begibt sich das Hessische Landestheater Marburg auf dieses dezidiert politische Terrain. Am 15. April wird in der Black Box die Uraufführung gegeben.
Ob wissenschaftliche Untersuchungen oder Beobachtung im Alltag – dass sich rechtsextremes, rassistisches und demokratiefeindliches Gedankengut quer durch die Gesellschaft zieht, gehört zu gerne verdrängten Themen. Die junge deutsche Autorin und Musikerin Noah Sow, warnt bereits 2008 in ihrem Buch ‚Deutschland Schwarz Weiß‘ vor der immer wiederkehrenden Pauschalisierung, dass ausländerfeindlich motivierte Gewalttaten ausschließlich von Randgruppen verübt würden. Sie erläutert, dass dies die gefährliche Annahme und Folge habe, sich in der Mitte der Gesellschaft mit solchen rassistischen Tendenzen gar nicht mehr auseinandersetzen zu müssen, obwohl sie dort genauso präsent sind.
Was veranlasst junge wie ältere Menschen heute, Minderheiten und andere Kulturkreise abzulehnen, zu verurteilen und mit verbaler und körperlicher Gewalt zu bedrohen? In Marburg sind derzeit etwa 50 Korporationen ansässig, aber vor allem die rechtskonservativen und deutschnationalen Burschenschaften prägen das Stadtbild. Was ist deren Motivation? Wie entsteht gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit? Welche Mechanismen liegen ihr zu Grunde? Welche Ausschlusspraktiken werden angewandt?
Vor allem die Frage nach der Wechselwirkung zwischen der vermeintlich gesellschaftlichen Mitte und dem sogenannten rechten Rand bildet den Kern der Stückentwicklung von Dramaturgin Eva Bormann. Zusammen mit Regieassistent Marcel Franken und den Schauspielern Annette Müller, Oda Zuschneid und Charles Toulouse und Agnieszka Habraschka als Gast präsentieren sie ihr Stück ‚Wo geht’s denn hier zum rechten Rand?‘. Motivation sich damit auf der Bühne auseinanderzusetzen, ist eine Sicht von Theater als geeignetem Ort zur Auseinandersetzung mit diesem Thema in Verbindung mit bürgerlichem Publikum.
Gastschauspielerin Agnieszka Habraschka beschreibt: „Mit sechs Jahren bin ich mit meiner Mutter aus Polen nach Deutschland gezogen …habe Angst vor Nazis gehabt, …davor, dass sich Schulkameradinnen aufgrund meines Polnischseins über mich lustig machen, dass mir vorgeworfen wird, ich hätte geklaut usw. Erst als ich angefangen habe zu studieren und mich über mein Studium mit Themen wie Rassismus auseinandersetzen konnte, ist mir erstens bewusst geworden, dass dies nicht nur mein, sondern ein gesellschaftliches Problem ist und zweitens, dass auch ich nicht frei davon bin.“
Stück und Text sollen eine Art Diskursraum darstellen und ermöglichen. Darin können dann Fragen formuliert und verhandelt werden. Es werden dabei forschungsorientierte Aspekte als auch aktuelle und realitätsverbundene Themen wie die Burschenschaften oder die ‚Neue Rechte‘ in die Auseinandersetzung mit einbezogen.
Neben Stücktext und Inhalt von ‚Wo geht’s denn hier zum rechten Rand?‘ hat das Ensemble selbst die Bühne gestaltet. Das Regieteam rückt die Darsteller wortwörtlich ins Zentrum, in dem diese in einem nach allen Seiten offenen Boxring und von Zuschauerrängen umgeben in der Mitte der Gesellschaft agieren.
Die Uraufführung gibt es am 15. April um 19.30 Uhr in der Black Box. Weitere Aufführungen sind am 25. April und 8. Mai. Karten an der Theaterkasse in der Stadthalle, Erwin-Piscator-Haus, Mo – Fr 9.00 – 12.30 Uhr, 15.00 – 18.00 Uhr, Sa 9.00 – 12.30 Uhr.
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