Klimaschutzkonzept Marburg verabschiedet
Marburg 12.4.2012 (yb) In Marburg wurde und wird viel zum Klimaschutz getan. Jährlich stattfindender Umwelttag, Solarsatzung, Solarkataster, Energieberatung, finanzielle Förderung von Energiesparmassnahmen, Information für die BürgerInnen, Beteiligung an einschlägigen Wettbewerben, energetische Sanierung und Modernisierung von Gebäuden – die Liste ist lang und hier unvollständig. Bei alledem geht die Stadt Marburg durchaus vorweg, beteiligt daran – zugleich nicht alleinige Akteure – sind städtische Unternehmungen, ob GeWobau oder Stadtwerke. Das ist gut so, notwendig und kann in einer seit 15 Jahren von Rot-Grüner Parlamentsmehrheit regierten Stadt nicht überraschen. Jetzt hat die Stadtverordnetenversammlung ein ‚Integriertes Klimaschutzkonzept für die Universitätsstadt Marburg‘ verabschiedet.
Die vorhergehende Diskussion war eigentlich leidenschaftlos. Es gab Kritik von der Opposition, ob Marburger Linke (überteuerte Tarife Nahverkehr), ob CDU (Windkraftanlagen gefährden Naturschutz) und Fürsprache von GRÜNEN und SPD (Enttäuschung über Nichtwürdigung von Massnahmen, wie gasbetriebene Stadtbusse). In der prallen Tagesordnung am 30. März war das Klimaschutzkonzept nur ein Thema von vielen. So kam eher als Pflichtübung rüber, was Anliegen und Betroffenheit bei Jederfrau und Jedermann findet – siehe Jammern über hohe Spritpreise in der Osterzeit oder eine gerade verkündete Erhöhung der Strompreise. Klaro, Energiepreise und -versorgung sind nur Teil von Klimaschutz. Sie sind jedoch essentieller Teil, der nicht nur für den wachsenden Teil der Armen wachsende Probleme bringt, zuallererst im Geldbeutel.
Jenes ‚Integriertes Klimaschutzkonzept für die Universitätsstadt Marburg‘ wurde nicht alleine zur Umsetzung verabschiedet, zuvor wurde es ab Sommer 2011 erarbeitet und liegt in gedruckter Form 176 Seiten stark vor. Nicht alleine das. Dazu gibt es Internetseiten für „Fortführung und Ausbau … der Best-Practice-Beispiele zum Klimaschutz und einem Klimaschutzplan“.
„Klimaschutz ist das Thema in diesem Jahrhundert.“ So geht der erste Satz in der gedruckten Version des Klimaschutzkonzeptes für Marburg. Stimmt. Es stimmt auch, dass die Massnahmen dafür in Marburg zahlreich, viele davon zielführend und manche sogar vorbildlich sind. Das ist eine Aussage zu vorhandener Praxis in dieser Stadt. Bilanz positiv, durchaus. Vorsicht, jetzt kommt es, horribile dictu, das was dazu präsentiert und zusammengestellt, schlecht strukturiert und noch schlechter aufbereitet, nicht zu sagen gestaltet wurde und – welch‘ Wortstrapaze und Euphemismus – Integriertes Klimaschutzkonzept tituliert wurde, ist unterirdisch. Sorry, es muss gesagt werden. Thema, Anliegen, Ziele und Engagements vieler Menschen sind zu wichtig. Genau das erfordert – eigentlich überflüssig zu sagen in einer Stadt wie Marburg – einen angemessenen Umgang und eine seriöse Umsetzung. Das Projekt (Förderkennzeichen 03KS1229 !) wurde gefördert vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.
Es gab also Geld, mit dem die ‚Klima und Energieeffizienz Agentur‘ (KEEA) zur Umsetzung geholt, beauftragt und bezahlt wurde. Ein Ergebnis dieses Projektes, welches offenbar im Haushaltsjahr 2011 (überhastet) über die Bühne gebracht wurde, ist die Schaffung eines Klimaschutzmanagements bei einer Vielzahl von gestreuten Massnahmen im Kontinuum samt Evaluierung. Gut und schön. Zutreffend findet sich beschrieben, dass es in Marburg bereits einen „Pool“ von Geleistetem gibt, an dem anzuknüpfen und der fortzuführen ist. Zugleich verrät die umfängliche Broschüre, eigentlich schon Buch, einiges über den Prozess ihres Zustandekommens. Öffentliche Auftaktveranstaltung, Bürgerworkshops, Lenkungsgruppe im moderierten Verfahren – fertig wird die Laube. Nee, so nich.
Sorry (schon wieder). Ein Blick zu den Beteiligten an der Erarbeitung des integriert sein sollenden (oftmals selbstreferentiellen) Klimaschutzkonzeptes verrät, wer gefehlt hat. Örtliche Agendgruppe, BUND oder NaBu? Fehlanzeige. Stadtverwaltung, Parteien, Universität, Öffentlichkeit, die üblichen Verdächtigen sozusagen. Zwei schlappe Presseberichte. Puuh. All das lässt sich (nur mühsam wegen zu kleiner Schriftgröße und seitenbreiter Satzgestaltung) nachlesen in den 11 Kapiteln dieser Dokumentation. Aufbau und Struktur der Druckschrift mit Kapiteln wie ‚3 Das integrierte Klimaschutzkonzept für die Universitätsstadt Marburg‘, ‚4 Ausgangsituation und Zielsetzung‘, ‚5 Prozessverlauf und Akteursbeteiligung‘, ‚6 Technisch-naturwissenschaftliche Analyse‘, ‚7 Die Massnahmen im Detail‘ wirken schematisch und oftmals technokratisch, nach vorgegebenem Raster produziert. Dabei wechseln konkrete Zahlen und Erhebungen aus Marburg mit Darstellungen aus Deutschland bis dahin, dass versucht wird Technologien (Geothermie, Energie-Harvesting) in Wort und Illustration zu erklären.
So gerät Leser in eine sprunghafte Lektüre und Aneignung von zwar Wissenswerten – doch fehlt ein roter Faden im ständigen Wechsel zwischen Grundinformationsvermittlung und Schilderung Marburger Spezifika. Dazu kommen meist schlecht gestaltete Grafiken, unzählige Tabellen. Das alles ermüdet, kann leicht verwirren. Statt Struktur und Einstieg, lesbar und anschaulich, muss Leser kämpfen, um dran zu bleiben. Thema und Anliegen sind wichtig, aber unzureichend aufbereitet. Schade und schlimm. So kann man es nicht machen, geschweige denn überzeugen und motivieren, was zu erklärten Zielen des Projektes (integriert?) gehören soll. So wird nicht einmal schlüssig ein Überblick zum Bisherigen gegeben. Den muss man sich zusammen suchen. Und wen interessieren die Namen, Sitzungstermine und -abläufe zum Zustandekommen von all dem?
Dazu gibt es Internetseiten. Schlecht gestaltet und mit ganz anderer Designsprache (Schablone ?) wird versucht auf einigen Seiten etwas über zu bringen. Dazu gehören veraltete Termine, allesamt aus Sommer Herbst 2011. Informativ ist dort zu Weniges. Es wurde halt mit gemacht, erledigt im Sinne eines Massnahmenkataloges. Soll ausgebaut werden (wahrscheinlich erst wenn neues Geld kommt). Ein Torso, bestenfalls.
Sorry, zum Dritten. So werden weder Energiewende noch Klimawandel beeinflusst, positiv. Mit solch stümperhafter Aufbereitung wichtiger und vorhandener Daten und Beschreibung von Handlungsfeldern kann man sich keine Freunde machen. Das ist, noch einmal, in einer Stadt wie Marburg deutlich zu schlecht. Stark verbesserungsbedürftig, auch wenn, na klar ob noch laufender politischer Prozesse in der Stadt, derzeit noch nichts Konkretes über die zukünftigen Standorte zur Windstromgewinnung berichtet werden kann. Die Aufzählung von 38 Massnahmen (M1 bis M38, tabellarisch gerastert) offenbart dabei geradezu eine Flucht in Beliebigkeiten an Stelle geleisteter Durcharbeitung. Vielleicht war die Zeit zu knapp, doch machte dies das vorgelegte Konvulut auch nicht zum Integrierten Klimaschutzkonzept…
Marburg kann eine leistungsfähige Konzeption wie viele andere Städte sicher gut gebrauchen. Dazu ist gerade ein Anfang gemacht. „Klimaschutz ist das Thema in diesem Jahrhundert.“ Es gibt viel zu tun, aber bitte besser.
So gesehen war die Diskussion der Stadtverordneten noch moderat. Dafür gestimmt haben SPD und GRÜNE. Die Anderen stimmten dagegen oder Enthaltung. Dieses Ergebnis lässt sich als (uneingelöster) Auftrag interpretieren. Für Klimaschutz und ein Konzept für Marburg.