Kämpferischer 1. Mai in Marburg
Marburg 3.5.2012 (red) Der 1. Mai brachte viele auf die Beine und verschiedene Mairedner brachten zahlreiche Missstände und Forderungen klar zum Ausdruck. Die aktuelle Lohnforderung der IG Metall von 6,5 Prozent, ein klassisches Thema, artikulierte die Ansprüche der Beschäftigten auf Teilhabe an wachsenden Ergebnissen ihrer Arbeit. Mit einem Ausgleich der Preissteigerungen ist das nun einmal nicht zu machen. Die unbefristete Übernahme der Auszubildenden sollte eine Selbstverständlichkeit sein, beklagen doch gerade Arbeitgeber wachsenden Facharbeitermangel. Forderungen nach einem Mindestlohn markieren zugleich den Kampf gegen nach wie vor millionenfache prekäre Beschäftigungsverhältnisse (4 Millionen Menschen verdienen weniger als 7 Euro pro Stunde, anderthalb Millionen bekommen weniger als 5 Euro). Damit wird eine Altersarmut nicht gekannten Ausmaßes geschaffen, wie Georg Fülberth als Redner bei der Zwischenkundgebung auf dem Marktplatz deutlich machte.
Nachdem sich rund 700 Maidemonstranten durch die Stadt bewegt hatten, trafen sie auf weitere am Elisabeth-Blockmann-Platz zur Kundgebung und Maifest. Die Mairedner dort, darunter Oberbürgermeister Egon Vaupel, legten den Finger in die Wunde der gescheiterten Privatisierung des Uniklinikums Gießen und Marburg. Dort geht es längst um mehr als den Kampf gegen Stellenabbau, wobei sich die hessische Landesregierung bislang weigert den Problemen ins Auge zu sehen.
Nachstehend wird die Maiansprache der Betriebsratsvorsitzenden Bettina Böttcher dokumentiert:
‚Ein kapitaler Fehler‘
Am Universitätsklinikum Gießen und Marburg herrscht eine dramatische Stimmung.
Seit im Februar bekannt wurde, dass die Konzern-Spitze der Rhön AG bis zu 500 Stellen an beiden Standorten abbauen will, hagelt es nur so von Protesten in- und außerhalb des Klinikums. Aber die Geschäftsleitung schert sich nicht darum, es findet weiterhin ein schleichender Personalabbau statt. Indem befristete Stellen nach Fristablauf nicht verlängert oder die Stellen ausgeschiedener Mitarbeiter nicht wieder besetzt werden.
Betriebsräte und ver.di fordern die Geschäftsführung daher auf, den schleichenden Stellenabbau im UKGM sofort zu stoppen! Es herrscht jetzt schon eine dramatische Unterbesetzung in verschiedenen Arbeitsbereichen des Klinikums. Es müssen dringend zusätzliche Stellen besetzt werden. Die Belastungsgrenze der Kolleginnen und Kollegen ist bereits deutlich überschritten!
Wir sagen ganz klar:
„Mit dem Uniklinikum ist keine Rendite zu machen! Versorgungsqualität geht vor Profit. Wir wollen Kranke pflegen und keinen Kostenblock bewegen!“
Ministerpräsident Bouffier steht vor einem Scherbenhaufen, das hochgelobte „Leuchtturmprojekt“ ist gescheitert. Die Einnahmen sind eingebrochen, die Rechnung der Rhön AG ist nicht aufgegangen. Aber die Perversion nimmt kein Ende…
Mit der jüngst bekannt gewordenen geplanten Übernahme der Rhön-Klinikum AG durch den Fresenius-Konzern hat die Landesregierung nichts aus dem Desaster gelernt, nein im Gegenteil. Ministerpräsident Bouffier will uns jetzt den Eigentümerwechsel als große Chance verkaufen. Offenbar wird verdrängt, dass das Land ein Rückkaufrecht besitzt. Damit wird das UKGM zum Spielball von Marktinteressen.
Wenn Fresenius tatsächlich einen um fast 50 Prozent überhöhten Preis für die Aktien der Rhön-Klinikum AG auf den Tisch legen will, muss dieser Kaufpreis über Gewinne refinanziert werden. Das heißt Personalabbau infolge unrealistischer Renditeziele.
Kolleginnen und Kollegen, Schluss damit, dass aus den Mitteln der Krankenversicherung und auf dem Rücken der Beschäftigten die Rendite für Aktionäre bezahlt wird. Für ein Universitäts-Krankenhaus und für die öffentliche Versorgung ist eine schwarze Null ein gutes Ergebnis. Kein anderes Industrieland hat die Krankenversorgung in einem solchen Ausmaß an renditeorientierte Konzerne abgegeben. Der private Marktanteil in Deutschland beträgt 18 Prozent und liegt somit noch vor der USA.
Bürger wacht auf, die Politik ist in der Pflicht! Es muss ein Ende der Privatisierungen von Krankenhäusern stattfinden, denn sie gehören in öffentliche Hand.
Die Länder müssen ausreichende Krankenhausinvestitionen leisten.
- Weg mit der Deckelung der Gesundheitskosten
- Hin zu definierten Personalmindeststandards
- Sicherung für Forschung und Lehre
Es ist ein kapitaler Fehler, wenn die Landesregierung sich ihrer Verantwortung für die Universitätskliniken Gießen und Marburg nicht stellt. Und die Beschäftigten weiterhin im Regen stehen lässt.
Herr Ministerpräsident Bouffier, unser lautstarker Protest und Widerstand wird nicht aufhören, solange Sie nicht die Chance wahrnehmen, die Fehler der Privatisierung von 2006 zu korrigieren. Denn den Kolleginnen und Kollegen steht das Wasser schon lange bis zum Hals!
An dieser Stelle möchte ich mich bei allen hier Anwesenden bedanken für die vielfältige Unterstützung, die vielen Solidaritätsbekundungen und möchte darauf hinweisen, dass wir Eure Unterstützung auch weiterhin brauchen! Vielen, vielen Dank!!!
Bettina Böttcher, Betriebsratsvorsitzende am Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH, Standort Marburg