Hessens größtes Planetarium ab November 2024 wieder geöffnet

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Marburg als Windkraftstandort in einer Bürgerdiskussion

Ortsvorsteher Wiegand aus Ginseldorf, Johannes Hühn, stellvertretender Ortsvorsteher in Bauerbach und der Schröcker Ortsvorsteher Uwe Heuser moderierten die gut besuchte Veranstaltung zur Windkraft im Bürgerhaus Bauerbach. (Foto Hartwig Bambey)

Marburg 24.5.2012 (yb) Die derzeitige Funkstille im Rathaus hält Bewohner Marburgs nicht davon ab sich mit dem Thema Windkraft und Standorteignung des Stadtgebiets gemeinsam zu beschäftigen. So hatten die drei Ortsvorsteher von Bauerbach, Ginseldorf und Schröck eingeladen und etwa 100 Bürgerinnen und Bürger nutzen die Gelegenheit zur (bedingten) Information und zum lebhaften Austausch. Energiewende vor Ort also – fokussiert auf den Bereich Windkraft – allerdings mit der Eigenart, dass man im Bauerbacher Bürgerhaus unter sich blieb. Sachkundige Referenten gab es keine, wie auch die Stadt Marburg nicht offiziell vertreten war, was sich als Nachteil erweisen sollte. Neben einigen Basisinformationen zum berechneten Windaufkommen und den vier avisierten Standortoptionen im Stadtgebiet mangelte es an Konkretem. So wurde im Lauf der zweistündigen Veranstaltung zunehmend vermutet, gefragt und spekuliert – doch konnte niemand qualifizierte Aussagen und Auskünfte geben. Auch mehrere Stadtverordnete der Grünen konnten dies nicht leisten, sahen sich als Befürworter der Errichtung von 12 neuen Windrädern im Stadtgebiet jedoch nicht wenigen Fragen ausgesetzt. Zur teilweise kontroversen Diskussion haben dabei auch Stadtverordnete der CDU beigetragen; auch die SPD und Marburger Bürgerliste waren vertreten. Gleichwohl hat der Abend funktioniert, geriet zu einem letztlich sachlichen Forum zum Austausch über Einstellungen und Vorstellungen zur Windkraft, in dem Bedenken und auch Befürchtungen artikuliert wurden ohne Windstromerzeugung pauschal zu negieren.

Zur Einführung erläuterte Horst Wiegand die Ausgangslage im recht windschwachen Stadtgebiet von Marburg. Die gezeigte Windpotentialkarte für Marburg veranschaulicht auf der Basis von Berechnungen als gelb und dunkelgelb markierten Bereiche, in denen ein Windaufkommen zwischen 5,75 Meter/Sekunde und 6,25 Meter/Sekunde zu Grunde gelegt wird – in 140 Meter Höhe. Auf Grundlage dieser Berechnungen sind seitens der Stadt vier Flächen im Stadtgebiet, davon zwei im Bereich der drei östlichen Ortsteile, als mögliche neue Standorte für Windkrafträder ausgewiesen.

Die sechs Windräder im Bereich der Bürgeler Gleichen und drei Windräder im Bereich des Lichter Küppel als Standortoptionen betreffen die Bewohner von Bauerbach, Ginseldorf und Schröck. Diese werden von ihnen kritisch ins Auge genommen, handelt es sich dabei doch um Flächen, deren Windaufkommen im Grenzbereich für den wirtschaftlichen Betrieb von Windrädern liegt. Vermutlich.

Da war das Problem und lag ‚der Hund begraben‘, wie sich in den Beiträgen zahlreicher Teilnehmer immer wieder ausdrücken sollte. Die Kartierung beruht auf Berechnungen, letztlich Vermutungen. Es gibt derzeit keine Messungen. Diese wurden eingefordert. Kosten aber Geld und werden jedoch erst projektbezogen – idealerweise seitens des Investors und Betreibers – veranlasst. So weit ist es nicht. Diese Auskunft liegt von Bürgermeister Kahle vor, der an diesem Abend terminlich verhindert war.

So bildete sich im Lauf der Veranstaltung ein Tenor zur Infragestellung der Standorte – auch weitergehend für das gesamte Stadtgebiet – wegen zur geringen Windaufkommens.

  • Jemand wusste zu sagen, dass von den berechneten Werten zunächst 10 Prozent in Abzug zu bringen seien, womit dann die Genzewerte für wirtschaftlichen Betrieb unterschritten würden.
  • Jemand anderes wusste zu sagen, dass der nahe Regionalflugplatz Schönstadt den Standort der sechs Windräder ausschliessen würde.
  • Wieder jemand anderes stellte die Platzierung in den Waldgebieten wegen der notwendigen Eingriffe in Frage.
  • Noch jemand anderes stellte gar die ökologische und wirtschaftliche Bilanz von Windkraftanlagen ganz und gar in Frage (Rohstoffeinsatz, Herstellungskosten, Wegebau etc.).

Zu Wort sind alle Interessierten im Bürgerhaus gekommen, das Mikrofon wanderte ständig im Saal. Damit wurden Sichtweisen und Fragen anschaulich. Sie mussten jedoch wegen fehlender Fachleute im Raum unbeantwortet bleiben, was nicht zur Zufriedenheit beigetragen hat. (Foto Hartwig Bambey)

Es kam, wie es kommen musste, angesichts des Fehlens von Fachkompetenz im Raum. Viele Fragen wurden gestellt, die niemand beantworten konnte. Hier sahen sich Johanna Busch und Uwe Volz als Stadtverordnete der Grünen mehrfach gefordert Rede und Antwort zu stehen. Das haben sie tapfer getan. Weiter geholfen hat es nicht sonderlich. Parteizuhörigkeit bei den Grünen bedeutet eben nicht per se Fachkompetenz in Sachen Windkraft, wie deutlich wurde. Die zunehmend ins Diffuse driftende Diskussion lies Unzufriedenheit entstehen, die zugleich niemanden im Raum anzulasten war.

Die Frage, ob man denn seitens der Stadt bereit sei Windmessungen vorzunehmen, etwas ungeduldig gerichtet an Uwe Volz, konnte dieser nicht beantworten, meinte jedoch dies sei eine Kostenfrage: für 10.000 Euro wäre es okay, für 150.000 Euro nicht. (Daneben getroffen, sogar falsch. Wenn es um Erträge von vielen Millionen Euro aus Stromerzeugung an einem Standort geht, mögen 150.000 Euro für vorhergehende Windmessung ein gut vertretbarer Betrag sein. Red.)

„Über welchen Zeitraum müssen denn Windmessungen angestellt werden?“ fragte einer. „Über Wochen, Monate oder über ein ganzes Jahr?“ Keine Antwort. Nicht genug damit, die Standorteignung der östlichen Lahnberge, mögliche ungünstige Windverwirbelungen und die allzuoft still stehenden Windräder bei Wehrda wurden in Feld geführt. So wurde ein Tenor von Skepsis und tendenzieller Ablehnung sichtbar. Dem stellten sich Teilnehmer entgegen und verwiesen auf die Notwendigkeit und Potentiale für Windstromerzeugung.

Niemand im Saal erhob Widerspruch als eine regionale Orientierung in Feld geführt wurde. Über die Stadtwerke Marburg könne die Stadt ja andernorts im Kreisgebiet mit höherem Windaufkommen mit tätig werden. Hermann Uchtmann von der Marburger Bürgerliste gab zu bedenken, dass im Koalitionsvertrag von Rot-Grün der Bau von 12 Windrädern festgezurrt sei.

Der derzeitige Zustand des Fehlens regionalplanerischer Vorgaben nach dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs, in dem getroffene Festsetzungen außer Rechtskraft gesetzt wurden, erwies sich als Faktor weiterer Verunsicherungen. Die Beiträge summierten sich, tasteten und stocherten. Klarheit wollte und konnte keine enstehen. So erwies sich als Handicap für den Abend, was von Anfang an klar gewesen. Man war zum selbst initiierten Bürgergespräch zusammen gekommen. Das hat funktioniert. Es ist dabei eine Menge sichtbar geworden. Nicht zuletzt können Fragen Ergebnisse sein. Viele Bürgerinnen und Bürger aus Bauerbach, Ginseldorf und Schröck haben konkrete Fragen und artikulieren sie. Und das rechtzeitig. Vorher.

Die Stadt Marburg ist gefordert

Diese Einbringungen können nur begrüßt und unterstützt werden. Hier zeigt sich allzu deutlich eine Leerstelle in der Politik der Stadt Marburg. Viele fühlen sich alleine gelassen, hätten gerne Informationen und konkrete Aussagen. Es wurde beklagt, dass den Ortsbeiräten keine Informationen zugekommen sind. Dass an diesem Abend die Frage materiell-finanzieller Beteiligung und Teilhabe nicht Thema oder gar Anliegen werden konnte, ist evident.

Wer vom Rathaus kommt, ist schlauer. Die vom Bürgergespräch an diesem Abend nach Hause gingen, waren es auch. Sie haben miteinander vergegenwärtigt, dass der Bau von neun Windrädern in ihrem Wohnbereich keine ausgemachte Sache sein kann. Stattdessen sind viele skeptische Betrachtungen – gestützt auf ein relativ schwaches Windaufkommen und damit zu befürchtender geringer oder defizitärer Wirtschaftlichkeit von neuen Windrädern – auf den Tisch gelegt. Das ist eine Menge und in jedem Fall ein konstruktiver Beitrag.

Jetzt ist die Stadt Marburg gefordert. Dort ist politscher Wille zum Bau verkündet. Die dazu notwendigen Grundlagen gehören dann auf den Tisch.

Die BewohnerInnnen der östlichen Stadtteile werden dies genau verfolgen und prüfen. Botschafter in das Rathaus und in das Stadtparlament waren hinreichend anwesend. Auch in dieser Hinsicht hat die Veranstaltung mit ihren vielen unbeantworteten Fragen Beiträge geliefert.

—> siehe auch Informationsverstaltung zur Windkraft vom Landkreis

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