Defizite für Forschung und Lehre am Uniklinikum Marburg – kommen Korrekturen in Millionenhöhe bei der Abrechnung?
Marburg 20.6.2012 (pm/red) Im Moment sind es lediglich Ergebnisse einer Pilotstudie. Deren Ergebnisse belegen jedoch eindeutig eine Vernachlässigung von Aufgaben in Forschung und Lehre bei Ärzten am Uniklinkum Marburg. Die Pilotuntersuchung im Fachbereich Medizin der Philipps-Universität Marburg hat deutliche Hinweise darauf ergeben, dass die Ärzte im Klinikum, die neben ihren Aufgaben in der Krankenversorgung auch in Forschung und Lehre tätig sein sollen, in der Praxis deutlich mehr Zeit für die Krankenversorgung aufwenden. Als Folge davon können sie weniger Zeit mit Aufgaben in der Lehre und vor allem der Forschung leisten als laut Stellenplan vorgesehen ist.
Die Pilotstudie über einen kurzen Zeitraum wurde an nur wenigen Kliniken auf den Lahnbergen umgesetzt. In drei Kliniken hatten alle dort beschäftigten Ärztinnen und Ärzte auf Initiative des Fachbereichs eine Woche lang schriftlich erfasst, wie viel Zeit sie tatsächlich für Forschung und Lehre tätig sind. „Die Ergebnisse sind schlimmer als erwartet“, kommentierte Prof. Matthias Rothmund, Dekan des Fachbereichs Medizin der Philipps-Universität. “Die Soll-Zeiten für Forschung und Lehre wurden in allen drei untersuchten Kliniken um mindestens 20 Prozent unterschritten.“
Pilotstudie wird ausgeweitet
Das Dekanat habe aufgrund dieser Resultate beschlossen, die Erhebung auf den gesamten Fachbereich auszudehnen. Dekan Rothmund schloss nicht aus, dass die Resultate erhebliche Bedeutung für die finanziellen Verrechnungen zwischen dem Fachbereich und dem privatisierten Universitätsklinikum haben werden. „Wenn sich diese Resultate für die gesamte Marburger Universitätsmedizin bestätigen sollten, werde ich um Korrekturen in der Abrechnung bitten dahingehend, dass der Fachbereich dem Klinikum nur die tatsächlichen Stunden für Forschung und Lehre erstattet.“ Laut Rothmund geht es um eine Differenz von mehr als zwei Millionen Euro pro Jahr.
Mit einer umfassenden Erhebung können verlässliche Daten für die sogenannte Trennungsrechnung gewonnen werden. Seit der Privatisierung des UKGM mangelt es daran. Die Leistungen und Aufwendungen für Forschung und Lehre – als nach wie vor öffentliche Aufgaben – müssen in getrennter Rechnung bewertet werden. Damit drohen der Rhön Klinikum AG neue und zusätzliche Probleme mit der Wirtschaftlichkeit des UKGM.
In den Tagen kurz vor Ablauf der Frist zur vom Helios Konzern angestrebten Übernahme von 90 Prozent der Aktien von Rhön zur Fusion der beiden Klinikkonzerne kann die überfällige Analyse und Bewertung von öffentlichen und privaten Funktionen die Bedenken an dem privaten Betreibermodell eigentlich nur verstärken. Wobei jenseits von Abrechnungen in Millionenhöhe die Frage zu stellen ist, wie es derzeit um Forschung und Lehre beim UKGM bestellt ist?