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Über das zukünftige Erwin-Piscator-Haus in Marburg

Der Vorbau zur Biegenstraße des heutigen Erwin-Picator-Hauses mutet inzwischen anachronistisch an und wird im Zuge der Modernisierung und Umgestaltung verschwinden. Foto Hartwig Bambey

Marburg 24.6.2012 (yb) Wenn zu einem Informationsabend für die Bürgerschaft sechs Referenten und ein Oberbürgermeister aufgeboten werden und der Sitzungssaal der Stadtverordneten die zahlreichen interessierten Besucher kaum fassen kann, muss es um Herausragendes gehen. Die Modernisierungs- und Erweiterungspläne für die Marburger Stadthalle – korrekt und besser das Erwin-Piscator-Haus – brachten so viele Leute an einem Mittwochabend zusammen. Damit wurde ein Informationsbedürfnis der MarburgerInnen offenbar. Unübersehbar war es hohe Zeit für OB und Planer die Menschen einzubeziehen, was Anliegen und Thema dieses Abends gewesen ist. Das ist recht vielseitig gelungen, wozu nicht wenig viele Fragen und Anregungen der Besucher beitgetragen haben. Zugleich wurde offenbar, dass ein solcher Abend nicht hinreichend sein kann.

Viele Marburgerinnen und Marburger interessiert erheblich, was und wie es werden soll mit der Umgestaltung der Stadthalle. Bis auf den letzten Platz war der Stadtverordnetensitzungssaal gefüllt. Foto Hartwig Bambey

Zumal wenn, wie geschehen, einseitig mittels Frontalberieselung mit Worten und lediglich auf eine Leinwand projezierten Plänen informiert wird. Warum für einen solchen Rahmen nicht auch Plandarstellungen auf Stellwänden gezeigt werden, und dafür schon vorher Zugang gegegeben wird, sei als Frage an Veranstalter artikuliert. Die Fülle der gezeigten Kartendarstellungen, Pläne und Skizzen überforderte. Wenn Visualisierungen jeweils nur für wenige Momente und in großer Zahl zu sehen sind, gerät solch Medieneinsatz zum dosierten Umgang mit Herrschaftswissen.

Schnittzeichnungen des Architekturbüros machen den Ausgang der Modernisierung von der heutigen Struktur des Gebäudes deutlich. Der zentrale große Saal der Stadthalle ist Herzstück und bleibt bestehen. Veränderungen und Erweiterungen leiten sich davon ab und orientieren sich daran, werden als baulicher Kranz darum angehängt.

In sehr ausführlichen Beiträgen versuchten Oberbürgermeister und Stadtbaudirektor die Erweiterungsmodernisierung der Marburger Stadthalle als Teil der universitären Maßnahmen zur Campusgestaltung um die neue Universitätsbibliothek darzustellen. Deren Hinweise, dass das Ernst-von-Hülsen-Haus und das gerade sanierte Hörsaalgebäude unmittelbare Nachbarn sind, dass Universitätsverwaltung, die Martin-Luther-Schule und eine Kirche zur unmittelbaren Umgebung gehören, wirkten etwas tautologisch. Auch die Nähe von Kinozentrum und Kunsthalle als herausragende Kulturtempel sind bekannt. Wenn Egon Vaupel dies nochmals hervorhob, diente das weniger längst bekannter Standortbeschreibung. Darin tauchten zurückliegende politische Auseinandersetzungen um die Gesamtmaßnahme auf. Von Oppositionsfraktionen ist die umfangreiche Sanierung völlig zu Recht hinterfragt worden.

Das alles verweist auf die Kosten dieser städtischen Schwerpunktmaßnahme. Derzeit – das meint vor der Ausschreibung und den damit erst möglich werdenden verlässlichen Kostenrechnungen – gibt es lediglich Schätzungen. Diese belaufen sich auf rund 27 Millionen Euro. Rausgenommen hat man dabei die Kosten für die Einrichtung der Restaurantküche und die Kosten für die unabdingbare Gestatlung des Umfeldes. So wird kommen müssen, dass die Kosten der Gesamtmaßnahme 30 Millionen Euro übersteigen. Hinter Umgang mit zurückhaltenden Zahlen stecken politische Gründe, die nachvollziehbar sein mögen.

In dieses Übersicht des baulichen Umfelds der Stadthalle findet sich bereits eine mögliche Platzgestaltung zum Hörsaalgebäude dargestellt. So wird sichtbar, dass zwischen den beiden Gebäuden durch Umgestaltung ein Stadtraum gestaltet werden kann, der sich durch Aufenthalts- und Erlebnisqualität auszeichnet.

Zugleich wurde jedoch neben der reinen Baumaßnahme die Umfeldgestaltung bereits kurz erläutert. Städtebaulich unabweisbar ist es, Eingriffe in die Achse Biegenstraße vorzunehmen. Um deren zerschneidende Wirkung zu mindern, soll ein Rückbau auf zwei Fahrspuren kommen. Damit erst kann die Fläche zwischen den beiden Publikumsmagneten Hörsaalgebäude und Stadthalle adäquat gestaltet werden. Stadtraum mit Aufenthaltsqualität ist dafür Stichwort.

Die zukünftige Stadthalle soll ein deutlich ausgeweitetes Raumangebot haben. Das schafft Möglichkeiten für neue Nutzungen mit neuen Anbietern im Gebäude. Es bleibt beim Konzert- und Veranstaltungsbetrieb, ausgehend vom großen Saal. Dieser wird auch weiterhin von Hessischen Landestheater bespielt, das neue Nebenräume erhalten soll. Dazu kommen werden ein großer Saal (300 Plätze bestuhlt, 600 Plätze unbestuhlt) für das KFZ im Untergeschoss, außerdem ein kleiner Saal für das KFZ. Die Marburg Tourismus und Marketing GmbH (MTM) wird Räume als Touristinfo, für Verwaltung und Lager bekommen. Für die Martin-Luther-Schule werden multifunktionale Räume geschaffen, die (später) auch schulunabhängig genutzt werden können. Neben neuer Gastronomie erfahren Foyers und Treppenzugänge Erweiterungen. Zusammen mit Büroräumen, Künstlergarderoben, Lagerräumen und neu gestalteten Flurbereichen gibt es also ein deutlich ausgeweitetes Raumangebot.

Derzeit hat das Erwin-Piscator-Haus etwa 80.000 Besucher jährlich. In Zukunft wird mit einer Verdopplung dieser Zahl gerechnet, allerdings auch mit einer weiteren Steigerung der Unterhaltungs- und Betriebskosten.

Von 2013 bis 2015 soll umgebaut werden. Danach wird ein stark verändertes ‚Haus für die Stadtgesellschaft‘ seine Türen und Tore öffnen. Die grundsätzlich positiv denkbare und wünschenswerte Konzentration von Besuchern und Nutzungen in den Bereichen Konzerte, Theater, Off-Szene, Tourismusdienstleistungen, zentraler Ticketshop, Gastronomie, Schule, Tagungs- und Veranstaltungsbetrieb wird neue Qualitäten zu Tage bringen. Dafür zu investieren und gründlich zu planen lohnt in Marburg ganz und gar.

Zugleich muss die Maßnahme in der Substanz fremdfinanziert werden, werden Zig Millionen Euro aufgenommen und bedient werden müssen. Die Stadt Marburg legt sich damit fest. Andere Projekte werden zurückstehen müssen. Seien dies, wie OB Vaupel selbst meinte die Sanierung der Weidenhäuser Brücke, oder ein auch schon mal verkündeter Neubau für die Stadtbibliothek im Zuge der Umgestaltung des Rudolphsplatzes.

Eine Investition für ein Projekt in dieser Größenordnung hat es seit sehr vielen Jahren nicht seitens der Stadt gegeben. Über die damit verbundene Festlegung und Mittelbindung müssen sich Magistrat und Stadtverordnete im Klaren sein. Allenfalls die jüngsten der Stadtverordneten können überhaupt noch einmal in die Lage kommen über ein Projekt in dieser Größenordnung mit befinden zu sollen.

Insofern ist alle Sorgfalt wichtig, sind Bedenken zu überprüfen und viele Fragen haben Berechtigung. Nicht wenig Fragen gab es bei der ersten Bürgerinformation zu diesem Projekt. So würde es viel Sinn machen eine weitere Veranstaltung dazu ins Auge zu fassen. Zu aktuellen Fragen, Anregungen und Bedenken kommt demnächst mehr in das Marburger.

 

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