Letzte Stadtverordnetensitzung vor der Sommerpause
Marburg 29.6.2012 – ab 16.45 Uhr (yb) Eine pralle Tagesordnung erwartet die Stadtverordneten zur letzten Sitzung vor der Sommerpause. Die Sitzung beginnt mit 45 Minuten Verspätung, da ab 16 Uhr auf dem Marktplatz eine Kundgebung zur Zukunft des UKGM stattgefunden hat, an der verabredungsgemäß die Stadtverordneten teilgenommen haben.
Eine Diskussion entzündet sich zum Tagesordnungspunkt 5 Entsendung von Mitgliedern in den neuen Beitrat für Stadtgestaltung, von der CDU war dazu Verschiebung beantragt. Nach Abstimung bleibt es bei der Tagesordnung, also der geplanten Nominierung der Beiratsmitglieder.
Nach der aktuellen Fragestunde werden die Tagesordnungspunkte (TOP) 9 und 5 in Verbindung mit TOP 27.20 behandelt: Es geht zunächst um die Verabschiedung der neuen Geschäftsordnung für den Beirat für Stadtgestaltung,TOP 9, danach um Entsendung von 4 Mitgliedern als Fachleute aus den Gebieten Architektur, Städtebau und Landschaftsplanung sowie 1 Mitglied als sachkundigen Bürger aus Marburg.
In der Debatte macht Stadtverordneter Wieland Stötzel (CDU) Bedenken wegen seiner Ansicht zu hoher finanzieller Entschädigung der zu berufenden Mitglieder. Diese sollen ein Sitzungsgeld / Entschädigung von 500 Euro pro Sitzung erhalten. Im Vergleich dazu würden Mitglieder anderer Gremien und Ausschüsse dann viel zu schlecht entschädigt. Der zugehörige Antrag 27.20 der CDU lautet: Die Tätigkeit im Beirat für Stadtgestaltung ist weiterhin ehrenamtlich. Eine Aufwandsentschädigung wird nur nach den Vorgaben der Entschädigungssatzung gewährt.
Die Stadtverordnete Tanja Bauder-Wöhr (Marburger Linke) artikuliert, dass sie sich grundsätzlich den Bedenken des Vorredners anschließen kann. Sie macht dann Bedenken zur Vorschlagsliste geltend, verweist auf die darin nicht enthaltene Architekturkritikerin Ira Mazzoni, die von der IG MARSS vorgeschlagen wurde, jedoch nicht berücksichtigt worden ist.
Eine Gegenrede dazu kommt von Stadtverordneter Sonja Sell (SPD). Als Architekturkritikerin erfülle Ira Mazzoni nicht die objektiven Berufungskriterien, weil keine Architektin von Beruf. Sell plädiert für die vorgeschlagene Entschädigungsregelung von 500,- Euro je Sitzung, die angesichts der auch zeitlich zu erbringenden Leistungen sich durchaus in einem angemessenen Rahmen bewege. Sie erbittet breite Zustimmung, um den neu zuberufenden Mitgliedern ein vertrauensvolles Mandat zu erteilen.
Von Oberbürgermeister Egon Vaupel wird ausgeführt, dass der Prozess der Entwicklung einer neuen Satzung offen gestaltet war, so etwa die IG MARSS beteiligt wurde. Von niemanden sei ein Vorschlag artikuliert worden, dass auch externe Nichtfachleute, wie es für Frau Mazzoni nun einmal zutreffe, berufen werden könnten. Der OB appelliert an Disziplin und Erinnerungsvermögen der Stadtverordneten etwa, dass im Haushalt 2012 20.000 Euro für den Beirat für Stadtgestaltung eingestellt wurden. Die Vorlagen zum Beirat für Stadtgestaltung seien langfristig vorbereit und könnten damit sehr wohl nunmehr verabschiedet werden.
Henning Köster (Marburger Linke) artikuliert den Anspruch, dass der neue Beirat für Stadtgestaltung – bei Verabschiedung der neuen Satzung mit 500 Euro Aufwandentschädigung für seine Mitglieder – zukünftig mit seinen Vorschlägen ernst genommen werden möge.
Oberbürgermeister Vaupel stimmt dem zu. Zugleich gibt er zu bedenken, dass der neue Beirat für Stadtgestaltung im Fall der bereits langfristig entwickelten Planungen für die Stadthalle nur noch bedingt Einfluss nehmen könne. Dies ergebe sich aus dem Umstand, dass dort das vorhandene Gebäude umgenutzt werde, womit viele Einschränkungen berbunden sind, und aus dem fortgeschrittenen Stand der Planungen.
Stadtverordneter Jan Schalauske (Marburger Linke) informiert, dass Ira Mazzoni von Beruf Architektin ist.
Abstimmung Satzung Gestaltungsbeirat: Mehrheitliche Zustimmung mit Stimmen von SPD. Grüne, Marburger Linke. Die neue Satzung ist damit verabschiedet und erlangt Rechtskraft.
Abstimmung CDU Antrag: keine Mehrheit, damit abgelehnt.
Abstimmung Vorschlagsliste Mitglieder Gestaltungsbeirat: Mit den Stimmen von SPD und Grünen verabschiedet. CDU und Marburger Linke haben sich an dieser Abstimmung nicht beteiligt.
Als Mitglieder im neuen Gestaltungsbeirat sind damit gewählt: Dipl.-Ing (FH) Klaus Bierbaum, Prof.-Dr. Hubert Locher, Bauass. Dipl.-Ing. Sonja Moers, Prof. Frank Oppermann, Dipl.-Ing. Holger Zimmer
Im anschließenden TOP 6 werden die neuen Mitglieder des Aufsichtsrats der Stadtwerke gemäß Vorlage mandatiert.
Als nächster TOP wird erörtert: Die Grundschulen in Elnhausen, Cyriaxweimar und Wehrshausen werden gemäß § 11 Abs. 8 Hessisches Schulgesetz zu einer Verbundschule am Verwaltungsstandort Cyriaxweimar und mit 3 Beschulungsstandorten für die Schülerschaft der jeweiligen Stadtteile zusammengeschlossen. Der neuen Verbundschule wird … der Name „Verbund Grundschulen-West, Beschulungsorte Cyriaxweimar/Elnhausen/Wehrshausen“ verliehen.
Der Stadtverordnete Matthias Range (CDU) artikuliert Bedenken hinsichtlich des Verfahrens der vorhergehenden Meinungsbildung, etwa Einbeziehung der betroffenen Ortsbeiräte, und zur getroffenen Wahl des Verwaltungsstandorts Cyriaxweimar. Sein Gegenvorschlag lautet Elnhausen. Daher werde die CDU dem Antrag nicht zustimmen.
Stadtverordneter Henning Köster macht Bedenken hinsichtlich der prognostizierten Zahlen zur Abnahme der Schülerzahlen geltend. Neue Zahlen würden belegen, dass es wieder zu einer Zunahme der Grundschülerzahlen komme. Unter diesem Gesichtspunkt stellt er die Zusammenlegung in Frage.
Schuldezernentin Kerstin Weinbach führt aus, dass seitens des Kultusministeriums eine Zusammenlegung unabdingbar gemacht werde. Für das städtische Handeln gelte dabei, dass für die SchülerInnen möglichst keine Veränderungen spürbar werden sollen.
Die Abstimmung ergibt eine Mehrheit mit den Stimmen von SPD und Grüne.
In den TOP 16 und 17 geht es um Flächennutzungsplan-Teiländerungen im Bereich ehemalige Bahnflächen Ortenberg.
Die Vorlagen werden ohne Diskussion mit breiter Mehrheit verabschiedet.
In den TOP 19 und 20 geht es um Bauleitplanungen zur Weiterentwicklung der VITOS-Kliniken an der Cappeler Straße und einen Bebauungplan im Bereich der Cappeler Straße / Friedrich-Ebert-Straße. Ein Antrag von der Marburger Linke dazu schlägt den Erwerb von Flächen durch die Stadt Marburg vor, um damit Gelände für öffentlich geförderten Wohnungsbau zu schaffen. Dies entspräche dem Bedürfnis nach bezahlbaren Wohnraum in Marburg. Der Antrag wird nach Diskussion zurück gezogen.
Bürgermeister Franz Kahle erläutert die Zusammenhänge für die Planungen, inclusive der Ausweisung von Flächen zur Schaffung von Wohnraum und beklagt fehlende Städtebauförderung seitens des Bundes. Hinsichtlich des Ziels des Antrags der Marburger Linken zur Schaffung von preiswerten Wohnraum schlägt er Gespräche mit den Wohnungsbaugesellschaften vor.
Die Abstimmung ergibt breite Mehrheiten für beide Anträge.
Im TOP 21 geht es um die öffentliche Auslegung einer Flächennutzungsplan-Änderung und dazu einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan für eine Reitanlage im Stadtteil Dagobertshausen.
Stadtverordneter Wilfried Wüst (FDP) verweist auf damit verbundene Aufwendung zum Straßenbau und -verlegung, die von der Stadt Marburg finanziert würden. Es seien erhebliche Verkehrsbelastungen zu erwarten, die für die Bevölkerung in Dagobertshausen deutliche Nachteile bringen würden.
Stadtverordneter Henning Köster (Marburger Linke) schließt sich den Ausführungen an und verweist auf die zu erwartenden Belastungen. Allerdings müsste Widerstand aus dem Stadtteil selbst artikuliert werden. Die schiere Größe der Investition sei bedenklich und werfe Fragen auf.
Stadtverordneter Philipp Stompfe (CDU) sieht einen klaren Gewinn in der Stadtentwicklung für Marburg und für Dagobertshausen. Die Maßnahme gäbe überhaupt keine Veranlassung für Kritik am Investor, der Familie von Reinfried Pohl. Zu den gewollten Baumaßnehmen seien im Abstimmungsverfahren keine Bedenken artikuliert worden.
Stadtverordneter Rainer Flohrschütz (Grüne) begrüßt das Vorhaben, womit in dem Stadtteil positive Akzente gesetzt würden.
Weitere Beiträge erörtern und problematisieren das Vorhaben, wobei sich klar ein Tenor zur Zustimmung zum Vorhaben artikuliert.
Die Abstimmung ergibt breite Zustimmung mit wenigen Gegenstimmen (Marburger Linke) und Enthaltungen.
TOP 22 beschäftigt sich mit vier Windpotentialflächen in Marburg und deren Aufnahme in den Teil-Regionalplan Energie.
Stadtverordneter Hermann Uchtmann (Marburger Bürgerliste) spricht sich für die Aufnahme der Flächen in den Regionalplan aus, plädiert jedoch gegen teure Windmessungen. Den Stadtwerken Marburg stünden Engagements in anderen Kommunen mit deutlich ertragsstärkeren Standorten bevor. Zugleich komme auch auf die Stadt Marburg /Stadtwerke womöglich ein teures Engagement beim Verkauf / Rückkauf von EON Mitte zu, was eine Bündelung der Ressourcen erfordere. Windmessungen seien so derzeit keinesfalls sinnvoll und geboten.
Stadtverordneter Ralf Musket (SPD) plädiert dafür Windmessungen anzustellen, um Klarheit bezüglich der vier Standorte zu gewinnen. Dies sei ein Gebot der Energiewende und Folge bisherigen Handelns in Marburg.
Stadtverordnete Johanna Busch (Grüne) sieht das bürgerliche Lager nach wie vor nicht an der Energiewende beteiligt. Die CDU lehne die Ausweisung der vier Standorte in Marburg ab. Busch spricht sich für Windmessungen aus, weil die Windpotentialkarte des Landes die Standorte als ertragreich ausweise.
Stadtverordneter Matthias Range (CDU) verweist auf Bombenfunde auf den Lahnbergen (Presseberichte aus dem Jahr 2000), womit weitere Probleme bevorstehen könnten. Er berichtet von der Informationsveranstaltung in Bauerbach zum Thema und fordert Informationen und Bürgerbeteiligung ein. Bei Windmessungen fordert er eine mindestens zweijährige Messzeit ein, um verlässliche Daten zu erhalten.
Stadtverordneter Steffen Rink (SPD) kritisiert den in seinen Augen unsachlichen Beitrag des Vorredners. Windmessungen sollen klare Fakten zu den Standorten schaffen, zugleich erfolge das Vorgehen in Koordination zu den Arbeiten am Teilregionalplan Energie des Regierungspräsidiums.
Bürgermeister Franz Kahle begrüßt „eine gewisse Fröhlichkeit bei der Debatte“ und sieht diese als Symptom der Annäherung an das Thema. Er zitiert Regierungspräsident Witteck: „Solar- und Windkraftanalgen gehören zur Kulturlandschaft Mittelhessen.“ Er fordert von der CDU eine deutliche Positionierung zur Windkraft ein und weist Kritik zu mangelnder Bürgerbeteiligung zurück. Nach Abstimmung, auch mit Ortsvorstehern betroffener Stadtteile, wird es im Herbst eine Bürgerinformation nach HGO über Windkraft geben.
Die Abstimmung ergibt eine breite Mehrheit bei Gegenstimmen der CDU für den Antrag zur Ausweisung der vier Standorte. Der Antrag zur Umsetzung von Windmessung wird mit Gegenstimme der MBL verabschiedet.
Nach gut vierstündiger Berichterstattung wird die Live-Berichterstattung von dieser Sitzung der Stadtverordneten um 21.06 beendet. Das Marburger Stadtparlament hat danach eine Reihe weiterer Tagesordnungspunkte, darunter Anträge der Fraktionen und Kenntnisnahmen, ohne Aussprache abgehandelt und abgestimmt.