Bürgermeister aus Südkreis nutzen schwach besetzte Sondersitzung für einseitigen RNV-Beschluss
Marburg 9.7.2012 (pm/red) Am 26. Juni fand in Nieder-Weimar eine außerordentliche Versammlung des Regionalen Nahverkehrsverbandes (RNV) Marburg-Biedenkopf statt. Die Versammlung hatte den Vorschlag der Fahrplaninitiative ‚Main-Weser-Bahn im Takt‘ zur Einführung eines Regionalexpress-Stundentakts für Marburg-Biedenkopf zum Thema. Ziel der Sondersitzung war ein Meinungsaustausch, der der sachlichen Erörterung dienen sollte. Dementsprechend war die Einladung ohne Beschlussvorlage ergangen. Die von nur zwei Dritteln der Mitglieder beschickte Versammlung wurde von den vollständig anwesenden Kritikern des Vorhabens ohne Rücksicht in ihrem Sinne instrumentalisiert. Als Symptom ihres verabredeten Auftritts fiel auf, dass als Gäste zwei Vertreter der Grünen aus Lollar, Landkreis Gießen, erschienen waren.
Aus dem Landkreis Gießen (!) hatten sich die Bürgermeister aus dem Südkreis zuvor Unterstützung auswärtige Unterstützer besorgt. Um ihre verkürzte Sichtweise zu Gunsten der Zughalte i zwischen Marburg und Gießen zu betonen, waren die Bürgermeister von Staufenberg und Lollar vom Nachbarkreis willkommene Helfer. Unter Verweigerung sachlicher Erörterung setzten sie dann mit 7 Ja-Stimmen bei 4 Gegenstimmen und 3 Enthaltungen durch, dass der RNV offiziell die Beibehaltung aller Halte der 5 Zugpaare der Hessischen Landesbahn zwischen Gießen und Marburg als Ziel vertreten soll. Vorher sollten Proteste der Bürgermeister der Gemeinden zwischen Marburg und Gießen für Aufsehen sorgen mit der Folge einer Strafanzeige.
Die Bürgermeister, angeführt von Andreas Schulz (Bürgermeister der Gemeinde Ebsdorfergrund, Mitglied im RNV-Vorstand und Landratskandidat in spe), lehnen vehement eine moderate Verringerung ihres erst Ende 2010 zusätzlich verbesserten Angebotes an Zughalten ab. Diese Verringerung ist nötig, um die seit Ende 2010 zwischen Marburg und Gießen als Regionalbahn verkehrenden Züge der Hessischen Landesbahn für den Regionalexpressbetrieb zu beschleunigen. Die Züge würden dann ohne Halt zwischen Gießen und Marburg fahren und mit den schon heute verkehrenden Regionalexpresszügen Kassel-Frankfurt einen Stundentakt bilden.
In der RNV-Verbandsversammlung sind 21 Gemeinden durch Mitglieder vertreten; von diesen waren allerdings nur 14 erschienen. Damit war es für die vollständig angetretenen Gegner der Einführung eines Stundentaktes ein Leichtes, die Sitzung zu dominieren und die Gunst der Stunde zu nutzen. Ein Antrag von Angelika Aschenbrenner aus Kirchhain, der Initiative ‚Main-Weser-Bahn im Takt‘ in der Versammlung die Möglichkeit zu geben, ihren Vorschlag zu erläutern, wurde gleich zu Beginn der Sitzung von den Gegnern des Vorschlags rundweg abgelehnt. Ihr Wortführer in dieser Sitzung – Bürgermeister Reinhold Weber aus Fronhausen – stellte stattdessen gleich anschließend einen als Tischvorlage verteilten Beschlussvorschlag (Beibehaltung der betroffenen Zughalte) zur Abstimmung.
„Mit 7 Ja-Stimmen gegen 4 Nein-Stimmen und 3 Enthaltungen repräsentiert dieser Beschluss nunmehr die offizielle Haltung des RNV zu diesem Thema – entgegen den Interessen einer Mehrheit von Einwohnern der Stadt Marburg, der Gemeinden an der Oberen Lahntalbahn und der Städte Kirchhain, Stadtallendorf und Neustadt“ stellt Franz Grolig von der Fahrplaninitiative fest. „Durch die rigorose Intervention von Bürgermeister Reinhold Weber wurde die ursprüngliche Absicht der Sitzung zur gründlichen Meinungsbildung unterlaufen“.
Auch die von Karsten McGovern, dem Vorsitzenden der Verbandsversammlung, nach der eiligst und ohne Aussprache herbeigeführten Abstimmung ins Feld geführten Argumente für eine effiziente Verwendung der Nahverkehrsmittel angesichts der drohenden Streichung von ÖPNV-Mitteln konnten ebenfalls keine sachorientierte Diskussion mehr in Gang setzen. Die sachkundigen Einwendungen und der Solidaritätsappell von Dirk Geißler als Vertreter der Gemeinde Lahntal, prallten ebenfalls an der Front der Südkreisvertreter ab.
Kirchhains Bürgermeister Jochen Kirchner zeigt sich enttäuscht von der durchgepaukten Abstimmung: „Eine bessere Taktung des Regionalverkehrs und kürzere Fahrzeiten von Marburg und auch von Kirchhain und Stadtallendorf in Richtung Rhein-Main stärken die gesamte Region. Diese Haltung entspricht einer vernünftigen Regionalpolitik und den Vorgaben des Regionalplans. Hier haben wir die Solidarität der Kommunen im Südkreis erwartet und stattdessen Kirchturmdenken erlebt“, so Kirchner.