Fachkräfte in der Altenpflege sind gesucht – ein Besuch in der AWO-Altenpflegeschule Marburg
Marburg 27.7.2012 (yb) Dass die Nachfrage nach gut qualifiziertem Personal in der Altenpflege in der Marburger Region groß ist, wurde gleich vorweg mitgeteilt. Zudem zeige sich ein wachsender Bedarf wegen des demographischen Wandels oder konkret gesagt, weil es immer mehr alte Menschen gibt, von denen viele Leistungen der Altenpflege – ob ambulant zu Hause oder stationär in einer Senioreneinrichtung – in Anspruch nehmen. „Deshalb ist es unerlässlich, neue Wege zur Gewinnung von Fachpersonal im Bereich der Altenpflege zu gehen. Die Qualifizierung von Menschen, die sich engagiert in der Pflege einbringen möchten, ist der Hebel, um weiterer Fachkräfteverknappung vorzubeugen“ sagt dazu Volker Breustedt, Leiter der Marburger Agentur für Arbeit.
Beim Ortstermin in der Altenpflegeschule der Arbeiterwohlfahrt (AWO) bekommt diese Situation Anschaulichkeit. Das dreigeschossige Gebäude in der Neuen Kasseler Straße wird bis unters Dach von dieser Altenpflegeschule genutzt. Bei schönem Wetter sitzen unten im Hof Lernende in Kleingruppen unter freiem Himmel und sind in Arbeitsgruppen beschäftigt. 320 Schüler hat diese ‚Berufsschule‘, wo als Schwerpunkt die dreijährige Ausbildung zum Beruf Altenpfleger/in geboten wird. Außerdem gibt es hier die kleine nur einjährige Ausbildung für Altenpflegehelfer/in.
Die dreijährige Ausbildung zum Altenpfleger hat Klaus Dörbecker aus Schwabendorf gerade erfolgreich absolviert. Der 58jährige war lange Zeit im Holzfachhandel berufstätig. Dann ging seine Firma in Konkurs und seinen Arbeitsplatz gab es nicht mehr. Gefördert von der Agentur für Arbeit hat Dörbecker im Juli 2009 dann seine Umschulung zum Altenpfleger begonnen und kürzlich sein Altenpflegerexamen erfolgreich absolviert. Für ihn gab es mehrere Möglichkeiten im neuen Beruf eine Stelle zu finden. Entschieden hat er sich für die Marburger Altenhilfe St. Jakob. In deren gerade neu entstehender Senioreneinrichtung in Cölbe wird der berufs- und lebenserfahrene Klaus Dörbecker im nächsten Monat als Altenpfleger neu durchstarten. An seinem Beispiel wird zugleich sichtbar, dass der Altenpflegebereich Möglichkeiten für einen beruflichen Wiedereinstieg auch für über Fünfzigjährige bietet.
Mit am Tisch sitzen Kerstin Bieker und Ines Brendel. Die beiden Frauen über 40 sind Teilnehmerinnen der Teilzeit-Umschulung zur Altenpflegerin. Um die zeitlichen Belastungen besser abfedern zu können, haben sie sich für die etwas länger dauernde Variante einer Umschulung in Teilzeit entschieden. Beide Frauen freuen sich darauf, gute Chancen auf eine feste Anstellung zu haben. Sie durchlaufen die Fachausbildung mit Förderung seitens Arbeitsagentur, weil sie wegen vorheriger Berufstätigkeit die Anspruchsvoraussetzungen erfüllen. Ines Brendel arbeitet – wie alle Schüler/innen begleitend zur schulischen Ausbildung – in einem Hospiz. Die vormalige technische Zeichnerin Kerstin Bieker hat für sich im praktischen Ausbildungsteil bereits festgestellt, dass sie nicht im ambulanten Bereich arbeiten möchte. Angesichts großer Nachfrage für qualifizierte Pflege-Fachfrauen kann sie im Landkreis Marburg-Biedenkopf zwischen 77 verschiedenen stationären Senioreneinrichtungen auswählen welche dann ihr Arbeitsort sein soll.
Arbeitsvermittlerin Tanja Siegert ist für die von der Agentur geförderten Altenpflegeschüler mit im Boot. Sie kennt die personellen Ansprüche von Pflegeinstitutionen und hat den mittlerweile großen Bedarf an fachkompetenten Mitarbeitern/innen konkret im Blick. „Wir sind mit den Arbeitgebern in engem Kontakt und tun alles, um auf dem Pflegemarkt Fachkräfte und Arbeitgeber zusammen zu bringen. Aktiv die Qualifizierung von geeigneten Personen zu fördern, gehört dazu“ sagt sie. „Dabei stehen Interesse und Eignung vorneweg, und nicht das Lebensalter oder allein die uneingeschränkte zeitliche Beweglichkeit“ betont sie. Für das Jahr 2015 sind im Landkreis 50 fehlende Altenpfleger/innen prognostiziert. An Stellenangeboten für Kerstin Bieker und Ines Brendel und die anderen kommenden Absolventinnen wird es also kaum mangeln.
Als Ziele der Fachvermittler bei der Arbeitsagentur muss es also darum gehen vorhandene Potenziale für Fachpersonal in der Altenpflege nutzen. Dazu gehört es auch Teilzeit als Erfolgsmodell in der Umschulung nutzen. Damit kann zum Beispiel Frauen in der Familienphase, die einen beruflichen Neu- oder Wiedereinstieg suchen, flexibel entgegen gekommen werden. Die Agentur für Arbeit Marburg fördert die Qualifizierung von arbeitslosen Personen, die das Rüstzeug für den Pflegeberuf mitbringen, zur Pflegefachkraft. Dabei müssen schulische und zugleich die persönlichen Voraussetzungen stimmen.
Kooperationspartner für Umschulungen ist seit Jahren die AWO-Altenpflegeschule. Schulleiter Jürgen Eierdanz begrüßt die Möglichkeit der Förderung von Qualifizierung nach individueller Eignung. „Im Pflegeberuf steht stets der Mensch im Mittelpunkt, und jede Pflegeeinrichtung weiß, wie wichtig es ist, Fachpersonal zu haben. Fachkompetenz ist eine wesentliche Säule im ganzheitlichen Pflege- und Betreuungskontext. Mit der möglichen Umschulung, auch über jugendliche Altersgrenzen hinaus, ist ein wichtiger Weg eingeschlagen worden, um dem aktuellen und zukünftigen Fachkräftebedarf gerecht zu werden“ sagt der Schulleiter.
Vom Schulleiter kommt dann noch der Hinweis, dass zum nächsten Ausbildungsbeginn im September – ob für Umschüler oder jüngere Interessenten als normale Schüler mit gleichzeitigem Ausbildungsvertrag in einer Senioreneinrichtung – noch einige Plätze zu haben sind. Die drei Schüler machen anschaulich, dass nach anspruchsvoller Ausbildung ein vielseitiges und herausforderndes Berufsfeld wartet.