Hessens größtes Planetarium ab November 2024 wieder geöffnet

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Bringt die Thalia-Filiale Verdrängungswettbewerb in den Marburger Buchhandel?

Die neue Filiale der Thalia-Buchhandelskette in der Universitätsstraße begnügt sich nicht mit über 500 Quadratmetern Verkaufsfläche im Erdgeschoß, Haupteingang links, und unübersehbarer Schaufensterpräsenz. Sogar an der Fassade des Marburger Kaufhauses ist das grün-blaue Logo mit Schriftzug der zum Douglas-Konzern gehörenden Buchhandelskette montiert. Foto Hartwig Bambey

Marburg 29.7.2012 | —>überarbeitet und teilweise aktualisiert 27. 10.202  (yb) In der zurückliegenden Woche wurde eine Filiale von Deutschlands größter Buchhandelskette Thalia im Kaufhaus Ahrens eröffnet. Auf etwas mehr als 500 Quadratmetern gibt es jetzt in der Universitätstraße in bester Einkaufslage Bücher und allerhand Nonbook-Artikel, also Papier- und Schreibwaren, Spiele und Souvenirs zu kaufen. Mit Thalia kommt alles andere als eine Muse der komischen Dichtung und der Unterhaltung in die Lahnstadt. Die erfreulich zahlreich und mit unterschiedlichen Profilen ansässigen Sortimentsbuchhandlungen aber bekommen von Kaufhausbetreiber Peter Ahrens knallharte Konkurrenz vor die Nase gesetzt. Das wird nicht ohne Folgen bleiben und veranlaßt zu einer hintergründigen Betrachtung.

Macht Thalia alt eingesessenen Marburger Buchhandlungen zukünftig das Leben schwer und steht denen eine Existenz am Krückstock bevor?

Zuallererst wird Rudolph Braun-Elwert – derzeit noch Inhaber und geschäftsführender Gesellschafter der Universitätsbuchhandlung Elwert in der Reitgasse – froh sein. Allerdings wird seine Freude nicht davon ausgelöst, dass nunmehr Thalia nach Marburg gekommen ist (und damit stattfindet, was ehemals gerne mit der Aussage ‚Konkurrenz hebt das Geschäft‘ umschrieben wurde). Ganz anders und stattdessen wird Elwert froh sein, seine Buchhandlung vor kurzem veräußert zu haben. Zum Jahresende kommt das Ende der Buchhändlerfamilie Braun-Elwert, indem der Verkauf der Universitätsbuchhandlung an ‚Lehmanns‘ vollzogen wird. Hinter Lehmanns verbirgt sich die Nummer Sieben der Buchhandelsketten in Deutschland. Elwert wird zur Filiale von Lehmanns, man firmiert aber weiter unter dem eingeführten Namen.

Die Tage von Elwert als eigenständiger Marburger (Universitäts-)Buchhandlung sind gezählt. Ab Januar 2013 wird der Lehmanns-Konzern Betreiber sein, belässt es jedoch gegenüber den Kunden beim eingeführten Namen. Foto Hartwig Bambey

Buchkonzerne nehmen Marburg in den Griff

Es hat also bereits vor dem Auftreten von Thalia ein Wandel in der örtlichen Buchhandelslandschaft begonnen. Die größte Buchhandlung wurde via Verkauf vom inhabergeführten Familienbetrieb zur Filiale einer großen Kette. Ein zu erwartender kommender Konkurrenzkampf um ‚Marktanteile‘ wird zukünftig zwischen diesen beiden Großen Elwert/Lehhmann und Thalia ausgetragen. Aber der Reihe nach.

Die jüngste Neuerung wurde mit der Bahnhofsbuchhandlung vollzogen. Mit neuer Einrichtung präsentiert sich der Zeitschriften- und Buchhandel auf vergrößerter Fläche im Hauptbahnhof, derzeit noch von Baustelle umgeben.

Auch der Comicladen von Friedrich Bode in der Barfüßerstraße hat Bücher und Schriften als Teil seines Sortiments.

Es sind also Buchhandelsketten – anders formuliert das Eindringen großer Buchkonzerne – die zukünftig den ‚Buchmarkt‘ in Marburg im Visier haben. Dabei gab es in der Universitätsstadt bis vor kurzem alleine relativ kleinteilige inhabergeführte Buchhandlungen. Insofern lässt – oder muss man inzwischen schon sagen ließ – sich für Marburg mit Recht von einer Buchhandelslandschaft reden. Wer sich durch die ganze Stadt bewegt, wird feststellen, dass sich in der Stadt deutlich über 10 Buchgeschäfte finden, die allesamt die Bezeichnung Buchhandlung wegen des Schwerpunktes Buchverkauf verdienen. In der benachbarten Universitätsstadt Gießen sieht das deutlich anders aus. Dort gibt es nicht einmal halb so viele Buchhandlungen.

Die Buchhandlung Arcularius in der Oberstadt, als Nebengründung der Buchandlung am Markt, gehört(e) zu den relativ jungen Buchhandlungen in Marburg. Sternbald Foto Hartwig Bambey

Wie sieht die Zukunft der Marburger Buchhändler aus?
➜ Werden alle bisherigen Buchanbieter bleiben?
➜ Wird Thalia Umsatz kosten und Geschäftaufgaben bringen?
Diese Fragen müssen angesichts der beiden neuen konzernangehörigen ‚Großen‘ mit Blick auf die kommende Entwicklung gestellt werden. Ein Umsatz von mehreren Millionen Euro jährlich, den Thalia für einen profitablen Betrieb brauchen wird, lässt sich i. W. nur damit erzielen, dass Mitbewerbern entsprechender Umsatz weggenommen wird. Bei alledem ist Marburg keine Insel. Allgemeine ökonomische und gesellschaftliche Entwicklungen bleiben nicht außen vor. So lohnt ein Blick auf das Ganze der Buchhandelslandschaft in Deutschland.

Buchhandel verliert Umsatz und Amazon holt wachsende Marktanteile

Auskunft darüber gibt das ‚Börsenblatt des Deutschen Buchhandels‘ als verbreitetes Fachorgan. Im aktuellen Heft 30/2012 wird mitgeteilt, dass der Buchhandelsumsatz von Mai 2011 bis Mai 2012 um 7,9 Prozent real gesunken sei. Es geht abwärts mit den Buchverkäufen, zumindst im Moment. Dies erreicht zugleich die Großen, wie Thalia. Es findet sich im Börsenblatt zu lesen, dass Thalia als „Deutschlands marktführender Buchhändler“ die Kooperation im Bereich ‚Nonbooks‘ ausbaut, wozu Verhandlungen mit ‚Toys“R“Us‘ ausbaut (ToysRUs bietet Spielwaren von Playmobil, Lego, Barbie, Puppen, Autos, Actionfiguren, Lernspielzeug, Spiele und Puzzle, Videospiele).

Während Thalia das Sortiment verlagert und verändert, erwischt es viele kleine Buchhändler kalt. Der international aufgestellte Konzern und Internethändler Amazon baut derweilen seine Umsatzanteile Jahr für Jahr aus. Inzwischen kommen über 14 Prozent aller Bücher (Buchumsätze) über das Internet an die Frau und an den Mann. Amazon ist dabei der bei Weitem führende Versandlhändler. Das bekommen längst auch andere Ketten wie Hugendubel zu spüren. Eine ihrer Filialen in Berlin wird um 2.000 qm Verkaufsfläche beinahe um die Hälfte verkleinert. Zum Verkauf stehen in Berlin 1o Filialen der Wohlthat’sche Buchhandlung, die zum Weltbild-Verlage gehört, wie der ‚Tagesspiegel‘ in einem Bericht öffentlich gemacht hat. Wenn dem Sortimentsbuchandel kaum mehr 50 Prozent der Buchumsätze in einem schrumpfenden Buchmarkt bleiben (siehe nebenstehende Grafik), stehen die Zeichen auf Sturm in der Branche.

Vor diesem allgemeinen Hintergrund ist die Lage und Perspektive für Buchhändler, Buchhandel und BuchkäuferInnen in Marburg  gleichermaßen einzuschätzen. Insofern kommten den oben formulierten Fragen eine durchaus noch verschärfte Bedeutung zu. Die braunlackierten Lieferwagen von UPS und die anderer Zustellfirmen, wie Hermes, sind mehr und mehr mit Bücherpäckchen und -paketen direkt zu Kunden auch in Marburg unterwegs. Es stellen sich Fragen welche Strategien gegen solche Trends entwickelt werden können.

Aussagen eines Buchhändlers

Antwort dazu gibt bereitwillig Michalel Wolf, zugleich stellvertretend für seine 11 Kollegen vom ‚Roten Stern‘. Diese Kollektivbuchhandlung mit ihrer Lage ‚Am Grün‘ hat sich in mehr als 40 Jahren in Marburg nach oben gearbeitet und gekämpft. „Kollege XXX hat bis vor wenigen Jahren versucht massiv Stimmung gegen uns zum machen“ berichtet Buchhändler Wolf mit Blick auf einen großen Mitbewerber. „Unser Konzept spricht die Kunden persönlich an mit dem Ergebnis von Zufriedenheit und großer Kundentreue“ erzählt er. „Es geht uns zugleich um die Buchkultur. Das merken die Leute. Zudem gehört unser Laden allen 12 Beteiligten und es gibt keinen Chef“ sagt Wolf. Längst habe man sich das wichtige Standbein der Universität mit ihren Bibliotheken als Dauerkunden geholt. „Auch wenn wir uns nicht so nennen, sind wir eine Universitätsbuchhandlung“ sagt der seit 17 Jahren in Marburg arbeitende Buchhändler. Ihnen sei keine Angst vor Thalia. „Unsere Kunden sind ganz andere. Die sind treu und schätzen, was wir ihnen bieten.“

Neben zwei Christlichen Buchhandlungen gehörte eine Kinderbuchhandlung mit zu den zahlreichen Buchanbietern mit Profil in der Stadt Marburg. Foto Hartwig Bambey

Verdrängungswettbewerb könne viel eher Elwert treffen, vielleicht auch die Buchhandlung Arcularius. Das bleibe abzuwarten, meint der erfahrene Marburger Buchhändler und zeigt sich dabei sehr zuversichtlich, was die eigene berufliche und wirtschaftliche Existenz betrifft.

Dichotomische Lage erschwert Prognose

Die Lage rund um´s Buch und die Situation des Buchhandels in der Bildungsstadt Marburg mit ihren über 22 Tausend Studenten und beinahe 15 Tausend SchülerInnen und den zugehörigen Wissenschaftlern, ProfessorenInnen und LehrerInnen ist sicher nicht schlecht. Zugleich sind deutliche Veränderungen im Gange, ist die Stadt nunmehr auch Aktionsfläche für ‚Big Player‘. Dass der eingesessene Kaufmann Peter Ahrens im Zuge der Weiterentwicklung seines (vormaligen) Kaufhauses mit Vollsortiment nun gerade den größten Buchkonzern mit Thalia auf über 500 Quadratmetern in bester Lage eingehaust hat, verändert die Situation und sorgt für wachsenden Druck. Zwei Szenarien erscheinen denkbar.

  • Es dauert nicht lange und Thalia verlässt Marburg wieder, weil die Filiale hier vom allgemeinen Trend eingeholt wird und nicht die geforderten Umsätze bringen kann.
  • Die Buchkäufer in der Lahnstadt sind besonders treu und halten ‚ihren‘ Buchhandlungen und gestandenen Buchändlern wie Michael Wolf – von denen es in Marburg zahlreiche beiderlei Geschlechts gibt – die Treue und die Umsätze.

Die jüngste Gründung und Ansiedlung einer Buchhandlung in Marburg findet sich ganz unten am Steinweg, nahe zur Elisabethkirche. Die namensgebende Inge Jakobi betreibt bereits in Frankenberg eine Sortimentsbuchhandlung. So könnte sie wissen, in welcher Zeit sie in Marburg eröffnet hat. Das ist jetzt keine 12 Monate her und folgt vermutlich einer langfristigen Orientierung.

Hoffnung alleine ist nicht hinreichend. In Marburg droht Verdrängungswettbewerb. Wenn dieser verschärfte Wettbewerb zu Lasten der gewachsenen Szene vieler Buchhandlungen mit unterschiedlichem Profil und Ausstrahlung gehen sollte, könnte Peter Ahrens zu den wenigen Gewinnern zählen.

Vielleicht sollten die  Marburger Buchhändler eine konzertierte Aktion entwickeln, für das Buch, die Lesekultur und die Bewahrung der einschlägigen Vielfalt im Einzelhandel.
Dann würde sich die ganze Stadt samt ihren Menschen als Muse der komischen Dichtung und der Unterhaltung erweisen. Dafür steht der Name Thalia.
Für ihren guten lange eingeführten Buchhandel könnten die Marburgerinnen und Marburger stehen.

Ob und wie Thalia in Marburg sich behaupten und entwickeln konnte, war am Anfang unklar. Sternbald-Foto Hartwig Bambey

 

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