Erforschung früher Holocaustliteratur mit digitalen Techniken
Marburg 30.7.2012 (pm/red) In einem fächerübergreifenden Forschungsprojekt der Universität Gießen und dem Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung in Marburg arbeiten Geisteswissenschaftler mit Informatikern am Aufbau einer Bibliothek zur deutsch- und polnisch-sprachigen Holocaust- und Lagerliteratur. Ein Großteil dieser historisch wichtigen Quellen, die als erste die Verbrechen des Holocaust und der Konzentrationslager aufgreifen, kann heute nur mit enormem Aufwand beschafft werden.Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat dazu eine Förderzusage übermittelt. Die annotierte und georeferenzierte Online-Biographie GeoBib kann damit entstehen. Im Rahmen von GeoBib werden die bis 1949 verfassten Texte systematisch aufgenommen und mit biografischen Informationen zu den Verfassern, Georeferenzdaten (Orte, Lager, Gettos) und weiteren Quellen versehen. Das BMBF stellt rund eine Million Euro für das Projekt zur Verfügung.
Im Rahmen des Projekts GeoBib werden bibliografischen Daten – angereichert um Zusatzinfos zu Personen, Zeiten und Orten – in digitaler Form auf einer Internet-Plattform zugänglich gemacht und stehen dadurch künftigen Forschungsprojekten, aber auch Schulen, Gedenkstätten und interessierten Laien zur Verfügung. Es soll ein ‚virtueller Atlas‘ entstehen, auf dem die wichtigsten Gettos und Lager verzeichnet sind. Per Mausklick erhalten Anwenderinnen und Anwender eine umfassende Liste der bis 1949 publizierten Texte, die mit diesen Orten zusammenhängen, ergänzt durch Rezensionen, Sekundärliteratur, Bildquellen sowie – eine wesentliche Besonderheit des Projekts – durch Geodaten. Die Georeferenzierung erlaubt eine Verknüpfung der Werke mit anderen wichtigen, auf die jeweiligen Orte und Regionen bezogenen Informationen.
Digitaler Atlas der frühen Holocaustliteratur
„Das Projekt eröffnet einen ganz neuen Zugang zur Erforschung der Holocaust- und Lagerliteratur“, kommentiert der Sprecher des Projekts, Prof. Henning Lobin, Direktor des ZMI. „Geografische, personenbezogene und inhaltliche Informationen zu den Texten werden genutzt, um bislang nicht erkennbare Zusammenhänge in der Überlieferung sichtbar zu machen. Verfahren der Computerlinguistik, der Texttechnologie und der Geoinformatik werden dafür miteinander verbunden und weiterentwickelt. Damit zeigt sich, dass auch in den Kulturwissenschaften – einer der beiden zentralen Bereiche der JLU – digitale Forschungsmethoden Einzug erhalten.“