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Heftiger interner Zwist bei den Grünen um Dezernentinnenstelle – dazu fragwürdige Anträge zum UKGM und zur Altenpolitik

Marburg 15.8.2012 (yb) Die gesuchte und gewollte aber nach wie vor fehlende Regelung zur Stelle von Dezernentin Kerstin Weinbach bewegt und belastet das Verhältnis von SPD und Grünen inzwischen schon ein ganzes Jahr. Nunmehr macht Kerstin Weinbach von ihrem Anspruch auf  ‚Elternzeit‘ Gebrauch. Sie ist für zweieinhalb Monate gar nicht im Amt. Danach will sie ihre Stunden deutlich reduzieren.  Zwischen den Koalitionären gibt es zugleich anhaltend keinen Weg zur Lösung. Nach Willen der SPD wäre dies eine weitere Dezernen-tinnenstelle, die – ebenso wie die (von der Inhaberin selbst gewollte) Position von Kerstin Weinbach   – nur halbtags besetzt werden soll.
Vor diesem Hintergrund hat gestern eine Mitgliederversammlung in der Geschäftsstelle der Grünen in der Frankfurter Straße stattgefunden. 35 Grüne zeigten Interesse und sorgten für einen gut gefüllten Raum. Überraschenderweise – und im krassem Kontrast zum Gegenstand aktueller Presseveröffentlichungen – war auf der Tagesordnung dieses Thema überhaupt nicht vorgesehen. So war es an Roland Stürmer es per Antrag auf die Tagesordnung zu hieven, was unübersehbar das Anliegen vieler der Erschienenen war. Doch zuvor musste eine Gegenrede von Johanna Busch zu dieser Erweiterung der Tagesordnung obsolet gemacht werden. Wie sich dann zeigen sollte, wurde die Diskussion über die Frage zum Umgang mit der Dezernentinnenstelle zum wichtigsten Thema der Zusammenkunft. Dabei geriet die Auseinandersetzung geradezu zu einer Zumutung. So etwas muss nicht schlecht sein. Wurde es jedoch wegen fehlender Klarheit und fehlender Durchdringung des nicht einfachen Themas in langatmigen Ausführungen mehrerer führender Grüner. Im Grunde sind die Marburger Grünen in dieser Frage gespalten. Aber der Reihe nach.

In einem Tagesordnungspunkt zuvor ging es um Fragen zur Positionierung der Grünen hinsichtlich der Zukunft der Unikliniken Gießen und Marburg (UKGM). Dazu haben sich die führenden Repräsentanten mit ihren Parteifreunden aus Gießen getroffen und verständigt. Der Versammlung wurde eine eigene Resolution der Grünen vorgelegt. Diese soll nach Gießen (Landkreis und Stadtparlament) auch in Marburg, Stadt und Landkreis, in den Parlamenten eingebracht und zur Verabschiedung vorgelegt werden.

Neben Hinweisen auf die Arbeit des Bündnis ‚Gemeinsam für unser Klinikum‘ ergab sich dazu keine vertiefende Erörterung. Die Resolution wurde einstimmig verabschiedet und soll damit demnächst auch die anderen Parteien beschäftigen.

Keinem/r der Versammelten kam die Frage in den Sinn, warum jetzt ausgerechnet die Grünen mit einer Resolution aufwarten. Vor wenigen Tagen erst hat das Bündnis eine Petition an den Hessischen Landtag verabschiedet und sucht dafür Unterstützung! So muss diese Resolution befremden und wird vermutlich politisch durchfallen. Wie anders als spalterisch kann die Verabschiedung einer eigenen Resolution der Grünen wirken und bezeichnet werden. Wofür gibt es das Bündnis? Die Grünen halten es offenbar für eine Spielwiese irgendwelcher Dritter. Für die Zukunft des UKGM kann man auf diese Weise nicht einstehen. Dazu gehört Einigkeit und Einlassung auf andere, zuallererst auf das Bündnis. Genau die Einlassung lassen die Marburger Grünen – wie auch in der Frage der Dezernenteninnenstelle – eklatant vermissen.

Luftseilbahn mit Kabinen bergwärts zur Spiegelslust (Foto-Montage Hartwig Bambey)

Recht knapp fielen die Informationen von Bürgermeister Franz Kahle zum Stand der Dinge ‚Seilbahn und Nahverkehrserschließung der Lahnberge‘ aus. Hier seien Gutachten beauftragt und in Arbeit, berichtete Kahle. Der eventuelle Bau einer Seilbahn als zu integrierenden Teil des Nahverkehrssystems wäre förderfähig nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz. Erwarten könne man 50 bis 70 Prozent Förderung des Landes der Investitionskosten, beantwortete Kahle  eine entsprechende Frage. Eine Förderung durch das Land setze den Nachweis über das Vorliegen eines Bedarfs voraus, was eine Aufgabe der Gutachterarbeit sei. Die Baukosten können in der Größenordnung von 20 Millionen Euro liegen.

Als Weiteres sah die Tagesordnung das Thema ‚Altenhilfe / Altenpolitik in Marburg‘ vor. Dazu hatte Stadtverordnete Christa Perabo einen Antrag vorbereitet. Dieser soll zur Erörterung und Verabschiedung dem Stadtparlament vorgelegt werden.

In der Aussprache kamen zunächst zustimmende Gedanken zum Ausdruck. Nach und nach entwickelte sich eine Diskussion, der man das Bemühen um eine gewisse thematische Tiefe anmerken konnte. Doch es blieb Karsten McGovern, im Brotberuf Erster Kreisbeigeordneter des Landkreises, darauf zu verweisen, dass an Stelle eines Altenforums im Rahmen der Arbeit des Beratungs- und Pflegezentrums am Rudolphsplatz (BiP) ein Fachaustausch übergreifend geleistet wird. Damit war überhaupt erst eine unterscheidende Betrachtung der sehr gut aufgestellten ambulanten Altenhilfe in Marburg, besonders in Gestalt der Arbeit des BiP, und den stationären Bereichen gegeben. Zuvor musste man den Eindruck gewinnen Altenhilfe resp. Altenpolitik erschöpfe sich (im Verständnis der Grünen?) in Forderungen nach neuen Wegen in Gestalt wohnortnaher Kleineinrichtungen. Der Antrag wurde einstimmig verabschiedet.

Dass die von den Grünen geforderte Beschäftigung mit „quartiernahen Wohnalternativen“ zuallererst eine Frage des bei Bund und Land nahezu eingestellten Sozialen Wohnungsbaus wäre und ist, wurde gar nicht erst bedacht. Inwieweit solche kleineren Einrichtungen in einem dörflichen Stadtteil, wie Michelbach, mit tatsächlichen Stadtteilen, wie dem Richtsberg mit ganz anderer soziokultureller Bevölkerungsstruktur, gleichermassen Eignung und Bedarf haben werden, wäre überhaupt erst zu belegen. Behauptet wurde dagegen eine ‚Sogwirkung‘ von Großeinrichtungen, die, wie McGovern berichtete, zudem zu den teuersten gehören würden. So kaprizierten sich die Grünen munter in einem Themengebiet mit mäßigen Tiefgang in den Beiträgen bei zugleich unterschwelliger Favorisierung von Scheinalternativen. Wenn, wie behauptet, wohnortnahe Wohnalternativen deutlich attraktiver sind, könnte ihnen die ‚Sogwirkung‘ von Großheimen nun rein gar nichts anhaben.

Gegen 21.30 Uhr war die reguläre Tagesordnung durch und das Thema Dezernentinnenstelle Kerstin Weinbach kam zur Aussprache. Anfangs versuchte Johanna Busch eine Überblick zum Stand der Dinge zu geben. Dies gelang ihr nicht. Sie versuchte vier Alternativen zu beschreiben, was nicht verstehbar im Raum ankam. Als Grundposition hatte sie dabei behauptet, dass die Grünen die Forderung nach Teilzeitstellen für Wahlbeamte unterstützen. Zugleich offenbarten ihre Ausführungen, dass man bis in diese Tage dazu keine Einigung mit der SPD gefunden hat. Das Bestreben der SPD zur Schaffung einer vierten hauptamtlichen Magistratsstelle, die dann zusammen mit der Position von Kerstin Weinbach lediglich in Teilzeit besetzt wird, findet keine Zustimmung seitens der Grünen. Dafür führte Busch Bedenken wegen eines Bürgerentscheids in Marburg aus 1997 (!) an. Zudem lasse dies die Hessische Gemeindeordnung nicht zu. So mussten die Versammelten eine beinahe schon valentineske Darstellung der Problematik zur Kennis nehmen (wollen hätt´ich schon mögen, aber dürfen hab ´ich mich nicht getraut). Nach solchermaßen langatmigen aber nicht zielführenden Erläuterungen kam mühsam eine Diskussion in Gang. Unüberhörbar herrschte Verwirrung über den sachlichen Gehalt, wenngleich niemand die Bindungskraft der Gemeindeordnung bezweifelte.

Bürgermeister Franz Kahle versucht mit Verweis auf das zurückliegende Vorgehen bei der Solarsatzung Anstösse zu geben. Dabei habe man eine einschlägig qualifizierte Kanzlei beauftragt und deren Entwurf zur Satzung gemacht. Er sehe, den artikulierten Willen zur Einigung seitens der Grünen als Grundlage, alle Möglichkeiten in der kommenden Koalitionsrunde gegeben, meinte Kahle. Das wollte Johanna Busch nicht unwidersprochen stehen lassen, viel mehr noch, sie fuhr dem Dezernenten dazwischen. Kahle verstummte, sichtlich irritiert. Zu Wort meldete sich Fraktionsvorsitzender Dietmar Göttling. Mit sichtlicher Anstrengung umkurvte er auch noch – aus seiner Sicht – die Positionen der Grünen. Dabei offenbarte sich, dass der Fraktionsvorsitzende einen anderen Kenntnisstand hatte oder zu haben schien als Johanna Busch. In diese Irritation hinein artikulierte sich dann der Wunsch ‚einfacher Mitglieder‘ selbst zu Worte kommen zu wollen.

So verlautbarten mehrere Anwesende ihre Positionen. Vom Beklagen der Nichtnachvollziehbarkeit der Bestimmungen der Gemeindeordnung, über das Bekenntnis (?) zu deren rechtlicher Wirkungskraft, einer ansatzweisen Infragestellung eines Bürgerentscheids, der 15 Jahre zurückliegt, bis hin zum Versuch sensibler Schilderung der schwierigen und nicht aufschiebbaren Familiensituation der betroffenen Kerstin Weinbach, reichten die Äußerungen aus den Reihen der Mitglieder. Klar wurde indessen wenig dabei,  bis auf den Umstand, dass bei solcher Kakophonie und eklatant fehlender Positionsbestimmung seitens der verantwortlichen Fraktion der Grünen es nicht Wunder nehmen kann, dass im Ergebnis eine Blockade zu Stande kommen muss.

Dies wolle man nicht, ein Jahr Gezerre sei genug, jetzt müsse es endlich werden. Solcherart artikulierte Lippenbekenntnisse konnten nicht darüber hinweg helfen, dass die Grünen in mehrfacher Weise gespalten sind. Es war den Worten von Fraktionsvorsitzendem Göttling zu entnehmen, dass es in der Fraktion zwei (gleich große) Lager gibt. Die auf Klärung und Regelung bedachte Position des Grünen Dezernenten, von Bürgermeister Franz Kahle, gilt offenbar in Fraktion und Partei wenig bis gar nichts. Zudem gibt es ein deutlich abgegrenztes Frauen- und Männerlager, unterlegt noch einmal durch mittlerweile kritische Sichtweisen von Mitglieder in Blick auf ihre eigenen Mandatsträger.

Das konnte niemanden erfreuen. Ganz offenbar müssen sich die Grünen erst einmal mit sich selbst zusammenraufen. Ob gewollt oder im Ergebnis des unabgestimten Handelns vieler sei dahin gestellt –  verantwortliche Grüne haben deutliche Probleme – untereinander und miteinander. Das kann die SPD nicht erfreuen. Sie bekommt es ab, zuallererst in dem Ansinnen zur Lösung der Dezernentinnenstelle.

Ein Ausdruck von Kopflosigkeit offenbart sich darin, dass die Marburger Grünen diesbezüglich einen Antrag zur Änderung der Hessischen Gemeindeordnung in die Stadtverordnetenversammlung einbringen wollen. Warum und wie das auf einmal Sache der Grünen und nicht der SPD sein soll und werden könnte, lässt sich nicht ergründen. Eher schon  könnte es der SPD Anlass werden ihre ‚Koalitonsfreunde‘ einmal mehr zurück zu pfeifen.

Zugleich muss dieser unübersehbare Befund zur Lage der Grünen in Marburg beunruhigen. Sie sind Regierungspartei und tragen Verantwortung. Eine davon geprägte Sichtweise konnte man an diesem Abend nicht auch nur von einer/einem ihrer Stadtverordneten vernehmen. Es war der (gescholtene ) Franz Kahle, der Übersicht und Orientierung anbot und es blieb nicht gelingen könnender Versuch von Roland Stürmer die Diskussion am Ende zusammen zu fassen.

Niemand wollte nach 22.30 Uhr weiter diskutieren. Schon gar nicht interessierte eine weitere Versammlung zu diesem Thema. Und bitte nichts mehr unter Verschiedenes.
Alleine, um dies nicht zu unterschlagen, fast alle Beiträge waren getragen vom Bemühen um Sachlichkeit. Das jedoch macht sie nicht besser, ja nicht einmal die offenbaren Konflikte in der Grünen Partei Marburgs werden damit ehrlich und offen ausgetragen.

Die Grünen in Marburg bewegen sich zügig in Richtung Politikunfähigkeit.

 

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