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Vermögensabgabe zur Bewältigung von Kosten der Finanzkrise verfassungsgemäß

Marburg 19.8.2012 (pm/red) Eine einmalige Abgabe, mit der Vermögen an den Kosten der Finanzkrise beteiligt werden, ist verfassungsgemäß. Zu diesem Ergebnis kommt der Rechtswissenschaftler Prof. Joachim Wieland in einem neuen Gutachten für die Hans-Böckler-Stiftung und die Gewerkschaft ver.di. „Zwangsanleihen und einmalige Vermögensabgaben auf höhere Privatvermögen könnten zur Refinanzierung und zum Abbau der Staatsschulden in Europa herangezogen werden, ohne dass eine Dämpfung der Konsumnachfrage zu befürchten wäre.“ Diesen Schluss zog kürzlich das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in einer Studie. Prof. Joachim Wieland von der Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer hat nun untersucht, ob der deutsche Staat eine einmalige Vermögensabgabe erheben dürfte. Sein Fazit: Das Grundgesetz steht dem nicht im Weg.

Der Professor für Öffentliches Recht, Finanz- und Steuerrecht verweist in seiner Untersuchung auf den historischen Präzedenzfall und seine verfassungsrechtliche Legitimierung. Es gab schon einmal eine Vermögensabgabe in der Bundesrepublik, den Lastenausgleich nach dem Zweiten Weltkrieg. Er verpflichtete Vermögensbesitzer, über Jahrzehnte in Raten in einen Fonds einzuzahlen, aus dem Entschädigungen für Kriegsopfer und Vertriebene flossen. Da ein Lastenausgleich im neu zu begründenden Staat von Anfang an vorgesehen war, biete die Verfassung ausdrücklich eine entsprechende Möglichkeit, erklärt Wieland. So sind im Grundgesetz-Artikel 106, der festlegt, welche Einnahmen dem Bund zustehen, unter anderem „die einmaligen Vermögensabgaben und die zur Durchführung des Lastenausgleichs erhobenen Ausgleichsabgaben“ genannt. „Wortlaut und herrschende Lehre“ sprechen Wieland zufolge dafür, darunter nicht nur Vermögensabgaben im Zusammenhang mit dem historischen Lastenausgleich zu verstehen.

Damit sieht der Jurist, der auch der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer vorsitzt, keine grundsätzlichen Hindernisse für Vermögensabgaben. Einige Verfassungsrechtler seien zwar der Ansicht, dass solche Abgaben nur in Notlagen wie der Situation nach dem Zweiten Weltkrieg zulässig sind. Wieland kommt aber zu dem Schluss, dass dieser Einwand letztlich nicht stichhaltig sei. Denn weder aus der Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes noch aus späteren Urteilen des Bundesverfassungsgerichts lasse sich eine solche Bedingung ableiten. Schon der Plural, also dass das Grundgesetz von „Vermögensabgaben“ spricht, sei ein Hinweis darauf, dass die Väter der Verfassung nicht nur an den Kriegslastenausgleich gedacht hätten. Allerdings könne der Staat nicht ohne besonderen Grund auf die Vermögen seiner Bürger zugreifen, analysiert der Rechtswissenschaftler. Nötig sei ein „besonderer Finanzbedarf“, der sich vom „allgemeinen staatlichen Finanzbedarf“ unterscheide. Einer „staatlichen Ausnahmelage“, die faktisch nur durch Krieg entstehen könnte, bedürfe es hingegen nicht.

Stellen die Folgekosten der Wirtschafts- und Finanzkrise denn einen besonderen Finanzbedarf dar, der nicht mit den üblichen Steuern oder durch erhöhte Neuverschuldung zu decken ist? Um die Frage zu beantworten, weist Wieland auf einen anderen, ganz neuen, Passus im Grundgesetz hin. In Artikel 115 ist geregelt, dass die Schuldenbremse im Fall von „außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen“ nicht gilt. Diese Formulierung ist laut Wieland gerade mit Blick auf die Wirtschafts- und Finanzkrise gewählt worden. Woraus der Jurist folgert: Wenn die Krise eine Ausnahmesituation im Sinne von Artikel 115 ist, muss sie auch eine im Sinne von Artikel 106 sein – sie rechtfertigt also einmalige Vermögensabgaben.

„Einmalig“ bedeutet nur, dass Höhe und Umfang der Zahlungen einmal verbindlich festgesetzt werden müssen, erläutert Wieland. Die Zahlungen können dann durchaus über einen längeren Zeitraum in Raten erfolgen, so wie es beim Lastenausgleich war.

Zudem hat Wieland geprüft, ob weitere Ereignisse, die großen öffentlichen Finanzbedarf nach sich ziehen, Vermögensabgaben legitimieren könnten. Im Falle der Energiewende lautet sein Urteil Ja, weil es ich hier um einen einmaligen außerordentlichen Finanzbedarf handelt. Die Bekämpfung des allgemeineren Phänomen Klimawandels sei hingegen eine Daueraufgabe, „die aus dem regulären Steueraufkommen gedeckt werden muss“.

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