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Auf den Spuren Georg Büchners im 175. Todesjahr und zum 200. Geburtstag

Gießen, Marburg 24.8.2012 (red) Die Redaktion hat aus dem nicht so fernen Gießen einen Text erhalten, der sich mit dem Leben und Werk von Georg Büchner beschäftigt. Neben einer biografischen Skizee zum Leben und Lebensumständen des berühmten Dichters hat der Text von Ursula Wöll zudem den praktischen Vorzug einige Veranstaltungen zum Doppeljubiläum zu benennen. Gerne veröffentlicht das Marburger. den Text als kulturellen Gastbeitrag:
„Hier ist eine hohe Mittelmäßigkeit in allem, ich kann mich nicht an die Natur gewöhnen, und die Stadt ist abscheulich.“ Dieses vernichtende Urteil über Gießen ist glücklicherweise von 1833. Es stammt von Georg Büchner, der in Giessen Medizin studierte, sich aber mehr für die Krankheiten des absolutistischen Gesellschaftskörpers interessierte. Von der anregenden Straßburger Universität war er 1833 an die kleine Giessener Uni mit nur 500 Studenten gewechselt. Der Großherzog von Hessen-Darmstadt wollte es so, seine Untertanen mussten ihr Studium im ‚Inland‘ beenden. Da kam für den jungen Hessen nur das damals 7000 Einwohner zählende Giessen infrage.

Viele Meilen lagen nun zwischen Büchner und seiner Straßburger Liebsten, der Pfarrerstochter Wilhelmine Jaeglé. Die Sehnsucht nach ihr mag sein Urteil über die Stadt getrübt haben, denn vor der Einführung der Eisenbahn waren ja Wochenend-Besuche nicht möglich. Eine ‚Bude‘ fand der junge Büchner im Seltersweg. Unweit wohnte Freund Ernst Elias Niebergall, auch er aufgewachsen in Darmstadt. Beide wurden erst nach ihrem frühen Tod als Dichter berühmt. Büchners Stücke ‚Dantons Tod‘, ‚Leonce und Lena‘, ‚Woyzeck‘ werden heute auf den Bühnen der Welt gespielt, und auch seine Novelle ‚Lenz‘ sowie die Flugschrift ‚Der Hessische Landbote‘ gehören zur Weltliteratur und sind Schullektüre.

Unser renommiertester Literaturpreis erhielt den Namen Georg-Büchner-Preis, jüngst erhielt ihn Felicitas Hoppe. Der Mundart babbelnde ‚Datterich‘ des Satirikers Niebergall wurde dagegen nur in Hessen bekannt. Sein Schöpfer Niebergall skizzierte auch die Studentenbude seines Freundes Georg. Den Bewohner zeichnete er im Bett liegend, um das alte Klischee vom faulen Studenten zu karikieren. Das Haus, in dem Georg Büchner zur Untermiete wohnte, steht allerdings nicht mehr, doch brachte man eine Plakette im Seltersweg an. Eine Büste mit seiner hohen Stirn und dem kleinen Mund steht neben dem Alten Schloss.

Im Original existiert heute einzig noch das Geburtshaus des Dichters in Goddelau im Ried, drei Fußstunden südwestlich von Darmstadt. Es ist ein Fachwerkhaus, erbaut 1665, in dem die bäuerlichen Besitzer im Erdgeschoss wohnten. Darüber hatten die jung vermählten Eltern ein Zimmer und eine Kammer gemietet, die Küche unten durften sie mitbenutzen. Wie seine Vorfahren war Vater Büchner Arzt, auf seinen Wunsch studierte auch Georg Medizin. Die Mutter stammte aus einer Beamtenfamilie. Während bei Leipzig die Völkerschlacht gegen Napoleon tobte, brachte sie am 17. Oktober 1813 ihr erstes Kind, Georg, zur Welt. Heute ist das Haus historisches Denkmal, der ‚Förderverein Büchnerhaus‘ hat es renoviert und in den kleinen Räumen eine klug inszenierte Ausstellung eingerichtet. Die ehemaligen Ställe sind zum Vortragssaal umgebaut, der in diesem Herbst besonders rege genutzt wird.

Gedacht wird des 175. Todesjahres des schon 1837 verstorbenen Dichters und Gesellschaftskritikers sowie seines 200. Geburtstages im kommenden Jahr. Gedacht wird aber nicht nur in Goddelau, sondern an vielen anderen Orten, natürlich auch in Gießen. Die zahllosen Veranstaltungen sind in einer dicken Broschüre mit 43 Seiten gebündelt, die von der Hessischen Ministerin für Wissenschaft und Kunst zum Doppelgedenken präsentiert wird. Viele davon finden auch in Darmstadt statt, wohin die Büchners 1816 zogen und wo Georg und seine fünf jüngeren Geschwister zur Schule gingen.

Bereits am Großherzoglichen Gymnasium stieß sich der Schüler an der Unfreiheit und dem Elend der unteren Schichten. Unter dem Eindruck der französischen Revolution hatten die absolutistischen Herrscher der zahlreichen deutschen Kleinstaaten zwar demokratische Reformen versprochen, aber nicht verwirklicht. Unfreiheit, Zensur und Willkürjustiz nahmen sogar zu. Bauern und Handwerker stöhnten unter hohen Steuern und Abgaben. Das Wild für die fürstlichen Jagdvergnügen verwüstete die Äcker, so dass Wilddiebe als Volkshelden verehrt wurden.

In Gießen schließt sich Student Georg der geheimen ‚Gesellschaft für Menschenrechte‘ an und lernt bald den Butzbacher Pfarrer und Rektor Ludwig Weidig kennen. Sie treffen sich an der Badenburg, denn hier schützt sie der rauschende Wasserfall der Lahn vor unerwünschten Zuhörern. Nun erst ist Georg mit Gießen versöhnt, denn er kann sich neben den Vorlesungen engagieren. Mit Weidig verfasst er die Flugschrift ‚Der Hessische Landbote‘, eine furiose Anklage gegen die absolutistischen Verhältnisse.

Ihr Text, überschrieben mit ‚Friede den Hütten! Krieg den Palästen!‘ basiert auf Statistiken und beginnt so: ‚Im Jahr 1834 sieht es aus, als würde die Bibel Lügen gestraft, als hätte Gott die Bauern und Handwerker am fünften Tag und die Fürsten am sechsten gemacht. Das Leben der Vornehmen ist ein langer Sonntag, das Volk aber liegt vor ihnen wie Dünger auf dem Acker. Der Bauer geht hinter dem Pflug, der Vornehme aber treibt ihn mit den Ochsen am Pflug, er nimmt das Korn und lässt ihm die Stoppeln. Das Leben des Bauern ist ein langer Werktag, Fremde verzehren seine Äcker, sein Leib ist eine Schwiele, sein Schweiß ist das Salz auf dem Tische des Vornehmen.‘ (leicht gekürzt)

Die achtseitigen Flugschriften fallen der Polizei in die Hände. Weidig wird strafversetzt, dann verhaftet, er stirbt 1837 im Gefängnis. Büchner kehrt im September 1834 aus Gießen ins Darmstädter Elternhaus zurück. Man lehnt eine Leiter an die hintere Gartenmauer, damit er jederzeit fliehen kann. Ab Januar 1835 schreibt er hier in nur wenigen Monaten das Drama ‚Dantons Tod‘ nieder. Nach einer Verhaftungswelle, in der auch er steckbrieflich gesucht wird, flieht er nach Straßburg. Dort wird er so atemlos produktiv, als ahnte er seinen baldigen Tod. Er übersetzt Victor Hugo, er schreibt seine medizinische Abschlussarbeit auf französisch, er verfasst das Lustspiel ‚Leonce und Lena‘, er schreibt die Novelle ‚Lenz‘, und er beginnt mit dem ‚Woyzeck‘. Außerdem promoviert er an der Universität Zürich und beginnt als Privatdozent.

Doch kaum in Zürich, wird er Opfer einer Thyphus-Epidemie. Am 17. Februar 1837 trifft seine Verlobte Jaeglé bei ihm ein, am 19. Februar stirbt Georg Büchner, 23 Jahre und 5 Monate alt. Der aus seiner Heimat vertriebene hessische Bub liegt in Zürich begraben. Die erwähnte 43-seitige Veranstaltungsbroschüre ist unter  eMail info@hessischer-literaturrat.de kostenlos erhältlich. Ursula Wöll
Hier nur eine Auswahl der gut erreichbaren Termine:

  • Am 15. September um 14 Uhr bietet das Museum Butzbach, Färbgasse, eine Veranstaltung an (06033-995250, Eintritt frei)
  • Am 8.9., 13.10., 14.10. und 20.10. stehen Spaziergänge mit dem Kulturwissenschaftler Peter Schlagetter-Bayertz zu Büchner-Orten im Giessener Raum an (Karten bei Tourist-Information, Tel. 0641-3061890)
  • Das Giessener Landgraf-Ludwigs-Gymnasium zeigt ab 1. November eine Büchner-Ausstellung (Tel. 0641-3063530)
  • Auch der Oberhessische Künstlerbund stellt ab 22. November im Giessener KIZ (Kultur im Zentrum, Lonystraße) zum Thema Büchner aus.
  • Der Hessische Rundfunk HR2-Kultur bringt am 3. Oktober von 9.05 h bis Mitternacht ein ganztägiges Büchner-Programm.
  • Außerdem beginnt am 2. November um 19.30 h im Konzertsaal des Giessener Rathauses ein Theaterstück über Büchner (Tel. 0641-3061880, Karten 10 Euro, ermäßigt5 7 Euro)

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