Spielzeiteröffnung mit der ‚Dreigroschenoper‘ im Landestheater Marburg – Gangsterboss gibt Oda Zuschneid als Weltpremiere weiblicher Besetzung
Marburg 24.8.2012 (pm/red) Intendant Matthias Faltz besetzt – um die gängigen Bilder vom coolen Gangstermacho zu unterwandern – die Rolle des Macheath in der Dreigroschenopfer mit einer Frau. So bietet die kommende Aufführung von Brechts Dreigroschenoper eine Weltpremiere in der Aufführungsgeschichte. Zum ersten Mal wird Mackie Messer von einer Frau gespielt. Oda Zuschneid, der Stelzfuß aus ‚The Black Rider‘, wird in die Gangsterschuhe schlüpfen. Premiere ist am Freitag, 31. August.
Gangsterboss Maeckie Messer, seine schöne Braut Polly, die Tochter von Mackies Gegenspieler Peachum, und der unlautere Polizeichef Tiger Brown. Sie sorgten bei der Premiere der ‚Dreigroschenoper‘ von Brecht und Weill im Jahr 1928 für wahre Begeisterungsstürme in Berlin. Einige Songs aus diesem ‚Theaterstück mit Musik‘ wurden gar Welthits. Heute sind sie nicht mehr von deutschen Bühnen wegzudenken.
Macheath alias Mackie Messer ist Mörder, Gangster und Brandstifter, Peachum der Bettlerboss. Dass die beiden sich nicht grün sind, ist weiter nicht verwunderlich, aber bisher hatten sie sich miteinander arrangiert. Doch ausgerechnet Peachums Tochter Polly verkompliziert die Sache gewaltig. Denn Polly hat sich ausgerechnet Mackie als zukünftigen Ehegatten erwählt, was dem Herrn Vater gewaltig gegen den Strich geht. Kurzerhand verpfeift dieser den unliebsamen Schwiegersohn an die Polizei. Als Polizeichef Brown nichts gegen seinen alten Freund Macheath unternimmt, spielt Peachum ein Ass aus, mit dem niemand gerechnet hat. Denn nicht umsonst ist er der König der Bettler und die Gewalt der Masse sollte man nicht unterschätzen.
Dass die ‚Dreigroschenoper‘ erschreckend aktuell und mehr ist als eine Erinnerung an die glorreichen Goldenen Zwanziger, will das Hessische Landestheater Marburg mit einer ebenso unterhaltsamen wie provokanten Neuinszenierung von Intendant Matthias Faltz zeigen. „Man sieht nur die im Lichte, die im Dunkeln sieht man nicht.“ Dieser Satz ist solange richtig, bis „die im Dunkeln“ nach oben drängen und sich ihren Anteil am Wohlstand gewaltsam verschaffen. So etwa die Menschen in London im September 2011 als ein ganzes Stadtviertel brannte, im Stück ist dies Peachums Bettlerheer. Nicht ohne Grund ist die ‚Dreigroschenoper‘ von Brecht in einem zeitlosen London angesiedelt. Es könnte das London von heute sein. So ist als Frage zu stellen: Fördert unser moderner Kapitalismus ein neues Gewaltpotential zutage?
Weiß, steril, glatt und kühl ist das Bühnenbild von Leopold Volland und Lars Herzig, das Assoziationen an einen modernen Firmenempfangsraum oder die Filialen eines berühmten Computerherstellers weckt. Der Blick hinter diese vollkommene Fassade zeigt, dass an dieser oberflächlichen Perfektion kräftig die Würmer nagen. Für die Videoinstallationen zeichnen Philipp Karau und Stephanie Kayß verantwortlich, die bereits für ‚Die Nibelungen‘ mit Matthias Faltz zusammengearbeitet haben. Mit einer siebenköpfigen Live-Band sowie einem eigens für diese Inszenierung zusammengestellten Chor unter Leitung von Michael Lohmann hat die Marburger ‚Dreigroschenoper‘ musikalisch einiges zu bieten. Die Berliner Kostümbildnerin Mascha Schubert hat bereits am Staatsschauspiel Dresden, Hans Otto Theater Potzdam und der Comédie-Française Paris gearbeitet, mit ihren Kostümen für die Intendanteninszenierung der ‚Dreigroschenoper‘ gibt sie ihr Debüt in Marburg.
Neben Oda Zuschneid als Mackie Messer spielt Thomas Streibig Mackies Gegenspieler den Bettlerkönig Jonathan Peachum, hat er doch durch seine Rollen in ‚Emil und die Detektive‘ und ‚Brave Oil World‘ in der Darstellung von Bösewichten Erfahrung. Als Frau Peachum steht ihm Annette Müller zur Seite. Neu im Ensemble sind Sonka Vogt, die die schöne Polly verkörpert, sowie Timo Hastenpflug als Bettler Filch und Ganove Münz-Matthias. Ogün Derendeli wird als Tiger Brown einmal mehr sein Gesangstalent unter Beweis stellen. Außerdem werden Schauspielerin Gergana Muskalla als Seeräuber-Jenny und Gastschauspielerin Kathrin Hylla zu sehen und zu hören sein.