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Was die Marburger Parteien zur Forderung Rückkauf des UKGM meinen

Marburg 29.8.2012 (yb) Die Aktivitäten und Diskussionen zur Zukunft – gemeint ist hier die Eigentumsfrage und das Betreibermodell – für die Universitätskliniken Gießen und Marburg GmbH (UKGM) gehen weiter. Aber sie kommen nicht von der Stelle. Zugleich lässt sich als deutlichen Erfolg bezeichnen, dass über die Sommerpause hinweg nicht das große Schweigen und Verstummen eingesetzt hat. Dafür ist der Problemdruck in verschiedener Hinsicht wohl auch viel zu groß.  Aber langsam – die Lage ist komplex und lässt sich nicht mit einfachen Aussagen beschreiben. Es gibt die wohl eindeutige Situation einer großen Zahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Diese sind unter Druck geraten, sind sie doch der größte ‚Kostenfaktor‘ im Betrieb der Großkliniken aus Sicht des Betreibers. Beschäftigte und ihre Betriebsräte haben zum Jahresanfang ‚Krach geschlagen‘ und haben auf – anfänglich seitens der Geschäftsführung noch bestrittene – Pläne zum (weiteren) Stellenabbau hingewiesen. Die Betroffenheit vieler Tausend der beinahe 10.000 Beschäftigten an den beiden Standorten Gießen und Marburg hat Resonanz gefunden. Seitdem ist eine breiter werdende Bewegung in Gang gekommen. Angesichts der Zahl von inzwischen rund 48.000 gesammelten Unterschriften lässt sich dies durchaus als Bürgerbewegung bezeichnen. Dafür steht auch das ‚Aktionsbündnis Gemeinsam für unser Klinikum’. Es wird maßgeblich von Betriebsräten, Gewerkschaften, dem Bündnis ‚Notruf 113‘ und einzelnen Unterstützern getragen. Dazu und unabhängig davon ist Solidarität und Unterstützung seitens der evangelischen Kirche in Marburg gekommen. Seit über zwei Monaten gibt es ein ‚gesundheitspolitisches Montagsgebet‘ in der dafür treffflich prädestinierten Elisabethkirche in Marburg. Bei Professoren, Klinikdirektoren, Medizin-Dekanen – also führenden universitären Verantwortungsträgern – hat eine späte jedoch unübersehbare Kritik eingesetzt.

Dazu kommen KommunalpolitikerInnen aller großen und beinahe aller kleinen Parteien. Die einzige Ausnahme von einer parteiübergreifend kritischen Wahrnehmung und Artikulation markiert die FDP in Marburg. Davon später mehr. DAS UKGM, dessen vor sechs Jahren in klandestinen Verträgen vollzogene Privatisierung durch Ministerpräsident Roland Koch in Alleinregierung mit der CDU, und der Betrieb der Unkikliniken in Gießen und Marburg durch die Rhön AG sind in eine auf vielen Ebenen vorgetragene Kritik geraten. Tausende Menschen sind deswegen am 17. März gemeinsam auf die Straße gegangen.

Dazu stimmt im Hintergrund eine Menge nicht. Die Rhön AG weigerts sich vertragswidrig das fertig gebaute und betriebsbereite Zentrum für Partikeltherapie mit neuen Behandlungsmethoden zur Krebstherapie in Betrieb zu nehmen. Der Konzern hat statttdessen die Anlage auf den Lahnbergen an Siemens für 86 Millionen Euro zurück verkauft. In den den vielen Jahren seit der Privatisierung ist es nicht gelungen eine ‚Trennungsrechnung‘ zu entwicklen und vorzulegen. Die mit den Krankenkassen als Kostenträgern abzurechnende ambulante und stationäre Behandlng der Patienten wären und sind von den Leistungen Aufwendungen für Forschung und Lehre, etwa im Rahmen der Ausbildung von Ärzten, in einer Kostenrechnung getrennt darzustellen. Das wird bis heute nicht geleistet.

Die Verhältnisse sind mithin bei weitem nicht so, wie sie sein sollen und sein müssen. Längst treibt dies auch Medizinstudierende auf die Straße, oder veranlasst Medizindirektoren zu einem gemeinsamen ‚Brandbrief‘. Der Aktionen sind viele:

  • ob Großdemonstration und Unterschriftensammlung
  • zahlreiche, mitunter beinahe im Tagesabstand zu lesende Nachrichten und Meldungen in den Medien
  • ob Delegationsreise des Betriebsrats zum Ministerpräsidenten
  • ob Diskussionsveranstaltungen bis weit hinein in die Universität
  • ob ein ‚Würfelspiel‘ des DGB um Arbeitsplätze am UKGM nicht zuletzt vor der ungelösten Frage des Umgangs mit Beschäftigten, die vom Recht auf Rückkehr in den Landesdienst Gebrauch machen wollen
  • ob Petition an den Hessischen Landtag, die am 29. August übergeben wird
  • ob Gespräche zwischen Kommunalpolitkern und Betriebsratsangehörigen
  • oder Plakataktion in den Marburger Bussen durch die Gewerkschaft ver.di

Doch die Sitaution in Marburg ist nicht deckungsgleich mit der Situation in Gießen, wo allerdings vom dortigen Betriebsrat identische Positionen vertreten werden wie am Standort Marburg. Das UKGM und seine Zukunft ist zweifellos ein brennendes Thema – in Mittelhessen. Was jedoch in Marburg und in Gießen und der Region die Menschen bewegt, wird anderorts in Hessen, weiter im Norden und weiter im Süden, wo sich die Landeshauptstadt Wiesbaden befindet, schon anders wahrgenommen. Dort fehlt es an Betroffenheit. So ist vielen Menschen in Rhein-Main der Fluglärm ein deutlich größeres, eben ihr Problem. Ministerpräsident Volker Bouffier, der bekanntlich aus Gießen kommt, samt seiner CDU/FDP-Landesregierung setzt derweil (weiter) auf einen Betreiberwechsel. An Stelle der Rhön AG soll zukünftig Fresenius alles besser machen können und die Probleme mit dem UKGM aus der Welt schaffen. Die Konzernfusion soll kommen, indem die Fresenius AG in einem zweiten Anlauf es unternehmen will die Aktienmehrheit der Rhön AG zu übernehmen. Dieses Mal sollen 50 Prozent plus eine Aktie reichen. Das Kalkül von Bouffier ist einfach: Lieber bei der kommenden Landtagswahl Gießen und Marburg verlieren als im ganzen Land die Blamage eines Eingeständniss des Scheiterns der Privatisierung der Uniklinken vertreten zu müssen und die Privatiserung für viele Hundert Millionen Euro rückgängig machen zu müssen.

Zugleich eröffnet alleine ein Betreiberwechesel und der damit verbunde ‚Change of Control‘ einen Rechtsanspruch des Landes zur Rückabwicklung des Verkaufes.

  • Was sagen dazu die Parteien im Marburger Stadtparlament?
  • Welche Argumente werden wofür ins Feld geführt?

Die Redaktion von das Marburger. hat allen Fraktionen / gewählten Repräsentanten drei Fragen vorgelegt und um deren Beantwortung gebeten. Nachstehend wird dies als Synopse nebeneinanderstehend veröffentlicht:

Wie positionieren Sie sich persönlich und wie positioniert sich ihre Partei in Marburg zur Forderung nach einem Rückkauf des UKGM durch das Land Hessen?

SPD CDU GRÜNE LINKE MBL PIRATEN FDP
Die Rücknahme des UKGM durch das Land Hessen ist die einzig sinnvolle Antwort auf die gescheiterte Privatisierung. Gesundheitsversorgung ist öffentliche Daseinsvorsorge und damit Aufgabe der öffentlichen Hand. Sie darf, in welcher Form auch immer, keinen Renditeinteressen privater Kapitalgeber unterworfen werden. Antwort  fehlt
Es muss nicht zwingend einen Rückkauf des UKGM durch das Land geben, aber eine Eigentumslösung, die sicherstellt, dass die Kranken-versorgung sowie Forschung und Lehre nicht unter dem Gebot von Gewinnerzielung steht. D.h die Struktur des Klinikums muss unter dem Gebot der Gemein-nützigkeit stehen, z.B. in Form einer Gmbh oder einer Stiftung oder ev. auch einer Genossenschaft, an denen das Land so beteiligt sein muss, dass es die Entscheidungshoheit hat. Dies ist auch die Position meiner Partei. Die Partei DIE LINKE. und die Fraktion Marburger Linke setzen sich uneingeschränkt für den Rückkauf des UKGM durch das Land Hessen ein. Die Rückführung in Landeseigentum ist für uns eine zentrale Voraussetzung dafür, dass das Wohl der Menschen wieder das bestimmende Kriterium für die Gesundheits-versorgung, die Arbeits-bedingungen der Beschäftigten sowie Forschung und Lehre wird und nicht die Profiter-wartungen der Aktionär/innen. Daneben braucht es dringend eine bessere öffentliche Krankenhausfinanzierung, realisiert durch eine gerechtere Besteuerung des großen Geldes. Die exklusive Forderung nach Rückkauf ist nicht zielführend. Es müssen alle Optionen geprüft werden von Rückkauf und Rücküberführung in einen Landes-betrieb bis hin zur Weiterführung der Universitätsklinika gemeinsam mit einem privaten Betreiber. Auf der anderen Seite kann ohne Rückkauf das Land nicht wieder das Heft des Handelns in die Hand nehmen. Dazu ist es wichtig Szenarien zu entwickeln, wie ein wirtschaftlicher Betrieb in Landesregie möglich sein könnte. Wir sind der Ansicht, dass öffentliches Eigentum in zentralen Bereichen, wie beispielsweise der Gesundheits-versorgung, nicht privatisiert werden darf. Deshalb unterstützen wir eine  Rückführung des UKGM in Landesbesitz, sei es durch Rückabwicklung des Kaufvertrages oder durch Rückkauf – zumal es neben der Gesundheitsversorgung und den dortigen Arbeitsbedingungen auch um die Gewährleistung solider Forschung und Lehre geht. In allen vier Bereichen werden dem privatisierten UKGM von diverser Seite Defizite attestiert, die für uns nicht akzeptabel sind. Die Liberalen in Marburg halten einen Rückkauf für unrealistisch und letztlich auch nicht wünschenswert. Ein Rückkauf des fusionierten Klinikums durch das Land ist mit seriöser Haushaltspolitik nicht vereinbar. Der Fiskalpakt und die hessische Schuldenbremse zum Schutze junger Generationen müssen eingehalten werden. In staatlicher Hand machte das Klinikum Verluste und es lief damals nicht alles reibungslos. Vieles wird im Nachhinein idealisiert.

Was halten Sie und Ihre Partei für geboten, wenn es, wie gemeldet, zu einem zweiten Anlauf zum Kauf der Mehrheit von Rhön durch die Fresenius AG kommt, womit bekanntlich dem Land Hessen ein Rückkaufrecht zufällt?

SPD CDU GRÜNE LINKE MBL PIRATEN FDP
Das Land Hessen muss ein Rückkaufangebot verlangen und Verhandlungen führen mit dem Ziel, die Rücknahme durchführen. Zugleich müssen für alle Krankenhäuser verbindliche Personalmindeststandards eingeführt werden, um gleiche Wettbewerbsbedingungen der Krankenhäuser, eine sichere medizinische und pflegerische Versorung der Patientinnen und Patienten und den ausreichenden Arbeitsschutz für die Beschäftigten zu erreichen. Antwort fehtl
Das Land muss diese Gelegenheit nutzen, um eine der oben genannten Optionen zu realisieren. Fresenius scheint fest entschlossen, eine mehrheitliche Übernahme der Rhön-AG in einem zweiten Anlauf zu organisieren. In diesem Fall fordern wir, dass das Land Hessen ohne Wenn und Aber die Rückkaufoption zieht. Die Landesregierung ist auch gefordert, die Praxis der Geheimniskrämerei endlich zu beenden und die Öffentlichkeit über den Inhalt der Verkaufsverträge und die daraus resultierenden Rückführungsmöglichkeiten zu informieren.  Ohne eine erfolgr-eiche Übernahme von Rhön durch Fresenius hat das Land keine Mög-lichkeiten einzu-greifen. Verhand-lungen mit Rhön sind, wie die Vergangenheit zeigt, wenig erfolg-versprechend. Wird Rhön übernommen muss laut Kauf-option zunächst der Rückkaufpreis von neutralen Gut-achtern festgelegt werden. Dann können von Seiten des Landes Ents-cheidungen gefällt werden, ob Rück-kauf oder Weiter-betrieb mit dem neuen privaten Eigentümer bzw. andere Organisationsformen. In diesem Fall fordern wir die hessische Landes-regierung dazu auf, das UKGM wieder in Landesbesitz zu überf-ühren. Es ist ohnehin völlig unverständl-ich, dass der Verkauf des UKGM in einem Geheimvertrag fixiert wurde. Immerhin handelte es sich um den Verkauf steuer-geld-finanzierten öffentlichen Eigentums. Wir sind der Ansicht, dass hier grundsätzlich etwas in der Verfassung geändert werden muss, damit solche Verträge in Zukunft stets öffentlich sind. Die Wechsel des Eigentümers bietet für das UKGM viele Chancen. Die Rhön AG hat sich zumindest anfangs als unsensibel im Umgang mit Mitarbeitern und Patienten erwiesen. Ein neuer Träger könnte Vertrauen zurück gewinnen. Wir hoffen zudem, dass ein größerer Konzern stärker auf langfristige Gewinne mit dem Klinikum setzen kann: das Uniklinikum soll Aushängeschild sein, und die Region durch Wissenstransfers und neue Behandlungsmöglichkeiten bereichern. Ein Rückkauf kommt für uns nicht in Frage.

Welche Mittel und Maßnahmen werden Sie und Ihre Partei ergreifen, um einen Rückkauf durch das Land Hessen unabweisbar zu machen?

SPD CDU GRÜNE LINKE MBL PIRATEN FDP
Die Marburger SPD, Partei und Fraktion, haben sich wie die SPD im Kreis Marburg-Biedenkopf eindeutig positioniert. Wir stehen für unsere Position ein. Die Verantwortung obliegt bis zur nächsten Landtagswahl aber bei CDU und FDP. Und letztlich ist es Sache der Wählerinnen und Wähler, über die Zukunft der Gesundheitspolitik zu bestimmen. Antwort fehlt
KommunalpolitikerInnen verfügen über keine direkten Möglichkeiten, die Rückführung des Klinikums in Gemeinnützigkeit zu erzwingen. Es gilt aber, die öffentliche Meinung der gesamten Region für diese Rückführung zu gewinnen. Wir wollen deshalb mit den Kreistagen von Marburg/Biedenkopf und Giessen, sowie den Stadtverordnetenversammlungen in Giessen und Marburg gemeinsame Beschlüsse herbeiführen, die der Landesregierung und den Landtagsfraktionen deutlich machen soll, dass die Erhaltung des UKGM und der beiden Fachbereiche für die Region unabdingbar ist. Eine wertvolle Unterstützung leistet auch die von immer mehr Bürgerinnen und Bürger befürwortete Unterschriftenliste und die politischen Montagsgebete in der Elisabethkirche. Auf Antrag der Fraktion Marburger Linke hat sich das Stadtparlament für einen Rückkauf ausgesprochen. Viel wichtiger aber ist die Tatsache, dass sich unzählige Marburger/innen für ihr Klinikum engagieren, u.a. im Aktions-bündnis „Gemeinsam für unser Klinikum“. So sind 48.000 Unterschriften gegen den Stellen-abbau zusammen gekommen. Über 1200 Menschen haben eine Petition für die Rückführung des UKGM in öffentliches Eigentum auf den Weg gebracht. Die Rückführung kann gelingen, wenn der gesellschaftliche Druck noch größer wird. Als Fraktion und Partei werden wir diesen Prozess nach Kräften unterstützen. Versuchen der Landesregierung gegenüber politischen Druck aufzubauen z.B. durch Unterstützung des Bündnis  ‘Gemeinsam für unser Klinikum’ oder durch ent-sprechende Resolutionen des Stadt-parla-ments. Beides ist erfolgt. Dabei verstehen wir Rückkauf als Option, zu neuen Struktu-ren zu kommen. Rückkauf bedeutet für uns nicht, das die Klinika wie früher Landes-betriebe werden. Andere Betriebs-formen sollten geprüft werden mit jeweils starker landespolitischer Kontrolle. Wir sind bereits seit einiger Zeit im Aktionsbündnis „Gemeinsam für unser Klinikum“ aktiv und werden uns auch zukünftig parlamentarisch und außerparlamentarisch dafür einsetzen, dass die öffentliche Gesundheitsversorgung unter öffentlicher Kontrolle verbleibt beziehungsweise dorthin zurück überführt wird. Der KV Marburg-Biedenkopf und der Landesverband Hessen der Piratenpartei haben deshalb nach Mitgliederbefragungen die Landtagspetition des Aktionsbündnisses „Gemeinsam für unser Klinikum“ unterzeichnet, welche am 29. August in Wiesbaden übergeben werden wird. Keine

Die Antworten wurden übermittelt von:

Steffen Rink, SPD-Fraktion
Philipp Stompfe, CDU-Fraktion
Dr. Christa Perabo, Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen
Jan Schalauske, Fraktion Marburger Linke
Dr. Hermann Uchtmann, Marburger Bürgerliste
Eva Christina Scharbatke/Wilfried  Wüst FDP
Dr. Michael Weber für Piratenpartei (derzeit ohne Stadtverordneten)

Von Seiten der ebenfalls angefragten ‚Bürger für Marburg‘ ist keine Antwort gekommen.

Zunächst einmal soll es den Leserinnen und Lesern von das Marburger. selbst überlassen bleiben diese Positionierungen zu lesen und zu vergleichen, um eigene Einschätzungen zu treffen. Später kann darauf Bezug genommen werden, gegebennenfalls seitens der Redaktion.

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