Erzieherinnen fühlen sich kompetent, aber kaum wertgeschätzt
Marburg 20.9.2012 (pm/red) Alle reden von der Bedeutung frühkindlicher Förderung und Erziehung. Die dafür maßgeblichen Erzieher werden zugleich alleine gelassen, was sich etwa in deren Bezahlung ausdrückt. Nicht zuletzt der Plan der Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen, Schlecker-Mitarbeiterinnen zu Erzieherinnen umzuschulen, hatte im Sommer eine zum Teil emotionale Debatte über das Berufsbild ausgelöst. Erstmals kommt die Berufsgruppe der Erzieher/innen in einer großen, niedersachsenweiten Untersuchung umfassend zu Wort. Mehr als 80 Prozent von etwa 800 befragten niedersächsischen Erzieherinnen beklagen, dass ihre Arbeit ein zu geringes gesellschaftliches Ansehen besitzt. Zudem moniert knapp ein Drittel der Teilnehmerinnen der Untersuchung, dass Grundschullehrer und Kinderärzte die Beurteilungen von Erzieherinnen, die die Kinder oft über Jahre kennengelernt haben, kaum wertschätzen.
Seit Jahren stellen die Kritik an der Fachschulausbildung sowie die wachsenden Anforderungen im Bereich der Frühförderung die Erzieherinnen vor neue Herausforderungen – bei gleichbleibenden Rahmenbedingungen. „Wir wollen mit dieser Studie zur Professionalisierung des Berufes beitragen“, betonen die Autorinnen der Studie. „Zentral ist, dass mit dieser Untersuchung erstmals die Perspektive der Erzieherinnen selbst aufgezeigt wird“, erläutert Prof. Julia Schneewind von der Hochschule Osnabrück.
Vier große Themenbereiche nahmen die Forscherinnen der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften in den Blick: Arbeitszufriedenheit, psychische Gesundheit, Kompetenzempfinden und Weiterbildungsmotivation. Im Bereich Arbeitszufriedenheit bemängeln insbesondere die Kita-Leitungen neben der fehlenden Wertschätzung für den Beruf, dass die Ausbildung an Fachschulen für die Anforderungen an Erzieherinnen nicht ausreicht. Bedenkliche Zahlen liefert die Untersuchung auf dem Feld der psychischen Gesundheit. Rund 41 Prozent der mehr als 300 befragten langjährig berufserfahrenen Erzieherinnen und mehr als 45 Prozent der Kita-Leitungen haben aufgrund emotionaler Erschöpfung Behandlungsbedarf oder zählen sich zumindest zur Risikogruppe. Bei den besonderen Belastungen nennen die Befragten unter anderem den Erwartungsdruck der Eltern, das Improvisieren-Müssen in der Praxis, um allen Anforderungen gerecht zu werden und die oftmals nicht klaren Regelungen bei Personalausfällen im Team. Nichtsdestotrotz geben 85 Prozent der Erzieherinnen an, sich von den beruflichen Anstrengungen erholen zu können.
Bei den beruflichen Kompetenzen schätzen sich mehr als 90 Prozent der Erzieherinnen ziemlich oder sehr kompetent ein. Weiterbildungsbedarf sehen die Befragten vor allem in den Themenbereichen Arbeiten mit Kindern unter drei Jahren, Sprachentwicklung und -förderung sowie dem Umgang mit interkulturellen Fragen. Insgesamt ist zu sehen, dass sich die Studierenden der Frühpädagogik kompetenter einschätzen als Fachschulabsolventinnen, Berufsanfängerinnen und langjährig Berufserfahrene. Grundsätzlich zeigt die Mehrheit der niedersächsischen Erzieherinnen in der Studie eine sehr große Bereitschaft, sich weiterzubilden – sowohl aus eigenem, inneren Antrieb heraus als auch in dem Wissen, für die berufliche Zukunft die eigenen Fähigkeiten kontinuierlich ausbauen zu müssen. Die Erzieherinnen haben, so zeigt die Studie, ein hohes Bewusstsein für lebenslanges Lernen.