UmFairteilen und Reichtum besteuern: Häufig gestellte Fragen
Marburg 25.9.2012 red) Fehlende Kita-Plätze, geschlossene Bibliotheken, mangelhafter Nahverkehr – der öffentlichen Hand fehlt das Geld für wichtige Investitionen und Leistungen. Dem stehen gigantische private Vermögen entgegen. Sie müssen verstärkt an der Finanzierung unseres Gemeinwesens beteiligt werden: mit einer einmaligen Vermögensabgabe und einer dauerhaften Vermögensteuer. Lesen Sie hier Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Thema
- Was ist eine Vermögensteuer?
- Was bringt eine Vermögensteuer?
- Und wozu eine Vermögensabgabe?
- Wer soll das zahlen?
- Warum überhaupt Vermögen besteuern?
- Verschwinden Vermögende dann nicht ins Ausland?
- Gab es nicht schon mal eine Vermögensteuer?
- Wäre eine Zwangsanleihe nicht auch eine Lösung?
- Demnächst gibt es die Finanztransaktionssteuer – reicht das nicht?
Was ist eine Vermögensteuer?
Die Grundidee ist so einfach wie einleuchtend: Es geht darum, Vermögende entsprechend ihrer guten wirtschaftlichen Lage stärker an der Finanzierung der Staatsaufgaben zu beteiligen. Wer sehr reich ist, soll also eine zusätzliche Steuer zahlen.
Die Vermögensteuer bezieht sich nicht auf das laufende Einkommen, sondern auf den Vermögensbesitz abzüglich von Schulden (d. h. auf das Nettovermögen). Steuerpflichtig sind nicht nur Geldvermögen (einschließlich Aktien, Staatsanleihen und andere Wertpapiere), sondern ebenso Immobilien- und Betriebsvermögen.
Was bringt eine Vermögensteuer?
Das hängt vor allem von der Höhe der Freibeträge und des Steuersatzes ab. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat verschiedene Modelle durchgerechnet.
Bei einem Steuersatz von 1,5 Prozent und großzügigen Freibeträgen – 1 Million Euro für jeden Erwachsenen, 250 000 Euro für jedes Kind und 5 Millionen Euro für Betriebsvermögen – kann die Vermögensteuer über 20 Milliarden Euro einbringen. Jedes Jahr.
Dieses Geld steht dann gemäß Grundgesetz den Bundesländern zu, die damit z. B. in Bildung und Nahverkehr investieren oder auch ihre Schuldenlast abbauen können. Bei niedrigeren Freibeträgen sind entsprechend höhere Einnahmen oder ein niedrigerer Steuersatz möglich.
Und wozu eine Vermögensabgabe?
Eine einmalige Vermögensabgabe fließt dem Bund zu oder kann auf Bund, Länder und Kommunen verteilt werden. Diese zusätzliche, zweckgebundene Abgabe sollte die besonderen Lasten mindern, die dem Staatshaushalt durch die Finanz- und Bankenkrise aufgebürdet wurden.
Die Abgabe würde zu einem festen Stichtag erhoben und könnte dann über mehrere Jahre hinweg in Raten gezahlt werden. Ein Stichtag vor einem Beschluss über die Abgabe hat den Vorteil, dass kein Abgabepflichtiger nachträglich sein Vermögen verstecken oder kleinrechnen kann, um sich der Abgabe zu entziehen.
Je nach Freibeträgen, Abgabesätzen und Laufzeiten bringt eine solche Abgabe insgesamt zwischen 100 Milliarden bis zu über einer Billion Euro ein. Bei einem Abgabesatz von 20 Prozent – verteilt auf eine Laufzeit von zehn Jahren wären das 2Prozent pro Jahr – würden 300 Milliarden erzielt – das entspricht der Summe, die die öffentlichen Haushalte seit 2008 zur Bewältigung der Finanzkrise an neuen Schulden aufgenommen haben.
Initiative Vermögender für eine Vermögensabgabe
Die unser Bündnis unterstützende Initiative von vermögenden Personen schlägt vor, zwei Jahre lang eine Vermögensabgabe in Höhe von jeweils 5 Prozent zu erheben. Abgabepflichtig soll Vermögen sein, das den Betrag von 500.000 Euro bei Privatvermögen bzw. 3 Millionen Euro bei Betriebsvermögen übersteigt. Auf die private Altersvorsorge von Selbständigen sollte dabei Rücksicht genommen werden. Die Einnahmen sollen in die Bereiche Ökologie, Bildung und Soziales investiert werden – etwa in die Förderung der energetischen Haussanierung und der erneuerbaren Energiegewinnung, in mehr Personal für Bildungs-, Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen sowie in eine Erhöhung der Sozialleistungen. All diese Maßnahmen setzen positive, unmittelbare und nachhaltige Konjunkturimpulse. Um diese zu verstetigen, fordern die Vermögenden nach den zwei Jahren der Vermögensabgabe eine Wiedereinführung der bis 1997 erhobenen Vermögensteuer. Weitere Informationen auf der Webseite des Appells für eine Vermögensabgabe.
Wer soll das zahlen? Ich von meinem Sparbuch?
Nein, es sei denn, Sie gehören zu den reichsten 1 bis 2 Prozent der Bevölkerung. Denn vorgesehen sind individuelle Freibeträge von einer halben bis 1 Million Euro, und noch weit höhere Freibeträge von 2 bis 5 Millionen für Betriebsvermögen. Das heißt: Niemand muss Angst um sein Einfamilienhaus, seine Altersvorsorge oder seinen Familienbetrieb haben.
Bei einem Freibetrag von 1 Million Euro wären schätzungsweise 400.000 Personen betroffen – die Reichsten unserer Gesellschaft, jenes 1 Prozent der Bevölkerung, das über 35 Prozent des Gesamtvermögens besitzt. Die Vermögen dieser Superreichen sind auch während der Krise nicht geschrumpft, sondern noch weiter gewachsen auf jetzt über 2,5 Billionen Euro. Das ist mehr, als alle öffentlichen Haushalte zusammen an Schulden haben. Wenn jemand eine stärkere Beteiligung an den Krisenkosten leicht verkraften kann, dann sind es diese „Top 1 Prozent“.
Warum überhaupt Vermögen besteuern?
Während die öffentlichen Kassen leer sind, geht die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auf. Das Einkommen der ärmsten zehn Prozent ist von 1999 bis 2009 um 9,6 Prozent gesunken, während das reichste Zehntel der Bevölkerung noch weitere 16,6 Prozent hinzu gewann (SOEP 2010).
Das Vermögen ist noch viel ungleicher verteilt als das Einkommen. Das reichste 1 Prozent der Deutschen besitzt über ein Drittel des gesamten Vermögens, die reichsten 10 Prozent besitzen zusammen sogar zwei Drittel. Die Hälfte der Bevölkerung hingegen hat nahezu nichts oder unterm Strich nur Schulden.
Bei der Vermögensbesteuerung geht es nicht um Neid, wie manchmal unterstellt wird, sondern um
- Gerechtigkeit: Denn es ist ungerecht, wenn die Finanzstarken immer reicher werden und zugleich weniger steuerlich belastet werden, während die Finanzschwächeren ärmer werden und stärker als früher belastet. In den letzten Jahrzehnten ist die Finanzierung der öffentlichen Haushalte immer mehr zur Sache nur der „kleinen Leute“ geworden, während Reiche und Konzerne in den Genuss umfangreicher Steuererleichterungen kamen.
- Demokratie: Denn es höhlt die Demokratie aus, wenn zu wenig Geld für Schulen, Kitas und Sozialleistungen da ist – und das Gemeinwesen zugleich immer mehr von den Entscheidungen einer kleinen, finanzstarken Elite und ihrer Fondsverwalter abhängt.
- Vernünftiges Wirtschaften: Denn Bund, Länder und Kommunen geben jährlich zig Milliarden Euro für Zinsen aus. Jeder Zins-Euro an private Kreditgeber fehlt dort, wo die öffentliche Hand dringend investieren müsste. Z. B. im Energie-, Bildungs- und Pflegebereich herrscht in Deutschland ein großer Mangel an öffentlichen Investitionen und Personal. Das behindert letztlich auch die Wirtschaftsentwicklung. Aus diesem Teufelskreis gilt es auszusteigen: Statt Vermögende mit Zinsen dafür zu belohnen, dass sie dem Staat Geld leihen, sollte für sie wieder eine Steuerpflicht gelten, die ihrer wirtschaftlichen Leistungsstärke entspricht.
Verschwinden Vermögende dann nicht einfach ins Ausland?
Maßgeblich sollte nicht mehr nur der Wohnsitz sein, sondern die Staatsangehörigkeit. Steuerflüchtige müssten dann den deutschen Pass abgeben – und dazu sind wohl nur die Allerwenigsten bereit. Alle Deutschen wären mit ihrem gesamten Weltvermögen steuerpflichtig, so wie es jetzt die Deutschen mit Wohnsitz in Deutschland sind, es sei denn, dieses Vermögen unterliegt bereits in einem anderen Land einer Vermögensteuer. Denn dann werden bilaterale Doppelbesteuerungsabkommen angewendet, wie z. B. zwischen USA und Deutschland. Sinnvollerweise sollten dabei im Ausland gezahlte Vermögensteuern bei der deutschen Vermögensteuer angerechnet werden.
Dabei beteiligen andere Länder Vermögende sehr viel stärker an der Finanzierung der Gemeinwesen als Deutschland. In Großbritannien betragen vermögensbezogene Steuern über 4 Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP), in Frankreich und den USA über 3 Prozent – in Deutschland dagegen unter 1 Prozent Selbst mit der Einführung einer Vermögensteuer läge Deutschland lediglich auf dem Durchschnittsniveau der Industriestaaten von etwa 2 Prozent (Studie der OECD).
Vermögen selbst kann aus technischen Gründen nur sehr eingeschränkt ins Ausland verlagert werden. Bei Immobilien- und Betriebsvermögen ist das praktisch unmöglich. Anders beim Geldvermögen: Über die Summen, die Deutsche z. B. in die Schweiz oder auf die Cayman-Inseln transferiert haben, lässt sich bisher nur mutmaßen. Allein auf Schweizer Konten sollen bis zu 300 Mrd. Euro deutsches Schwarzgeld liegen. Ein Lösungsansatz wurde von der EU bereits 2005 in der “Europäischen Richtlinie zur Zinsbesteuerung” beschlossen: Seither findet zwischen den EU-Mitgliedstaaten der sogenannte „automatische Informationsaustausch“ über Konten von Bürger/innen der jeweils anderen Länder statt. Entsprechende Verträge sollte die EU auch mit Drittstaaten schließen.
Gab es nicht schon mal eine Vermögensteuer?
Bis 1996 wurde auch in Deutschland eine Vermögensteuer erhoben. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wurde sie ausgesetzt, weil in der Praxis ungleiche Maßstäbe für Geldvermögen und Immobilien- bzw. Betriebsvermögen angewendet worden waren. Die Steuer als solche wurde nicht beanstandet. Für die gleichmäßige Bewertung der verschiedenen Vermögensarten gibt es inzwischen aktuelle und praktikable Maßstäbe, die im Zuge der Erbschaftsteuerreform entwickelt wurden. Rechtlich steht einem Comeback der Vermögensteuer damit nichts im Weg – erforderlich ist nur ein Beschluss von Bundestag und Bundesrat.
Auch eine Vermögensabgabe gab es in Deutschland bereits: In den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik wurde über den sogenannten „Lastenausgleich“ Ausgebombten der Wiederaufbau finanziert, Vertriebenen ein neuer Start ermöglicht und ein Fundament für das „Wirtschaftswunder“ gelegt. Die Abgabe belief sich auf 50 Prozent des Vermögenswertes und konnte in bis zu 120 vierteljährlichen Raten, also verteilt auf 30 Jahre, in den Ausgleichsfonds eingezahlt werden.
Wäre eine Zwangsanleihe für Vermögende nicht auch eine Lösung?
Nein. Es scheint zwar auf den ersten Blick so: wenn Vermögende zum Kauf von Staatsanleihen verpflichtet werden, steht den öffentlichen Haushalten kurzfristig mehr Geld zur Verfügung. Doch eine solche Zwangsanleihe würde den öffentlichen Schuldenberg nur weiter vergrößern. Und die enorme Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen würde weiter verschärft. Denn irgendwann muss die Anleihe zurückgezahlt werden, womöglich wiederum mit Zinsen. Zudem hat das Bundesverfassungsgericht 1984 schon einmal eine Zwangsanleihe für verfassungswidrig erklärt. Die damals formulierten verfassungsrechtlichen Einwände sind grundsätzlicher Art, so dass auch eine neue Zwangsanleihe wohl keinen Bestand hätte.
Demnächst gibt es eine Finanztransaktionssteuer – reicht das nicht?
Tatsächlich hat die FDP ihren Widerstand gegen eine solche Steuer aufgegeben und den Weg dafür frei gemacht, dass Deutschland sie mit anderen EU-Ländern einführen kann. Dies wäre vor allem wichtig, um bestimmte hochspekulative Börsengeschäfte einzudämmen, die zur Entstehung der Finanzkrise beigetragen haben.
Bei den zu erwartenden Einnahmen aus der Finanztransaktionssteuer – 2 Mrd. Euro erwartet das Bundesfinanzministerium, eine umfassendere Berechnung bis zu 11 Mrd. Euro jährlich – handelt es sich zwar nicht um „Peanuts“. Dennoch reicht diese Summe bei weitem nicht, um das immer steiler werdende Gefälle zwischen Arm und Reich abzuflachen. Und sie reicht auch bei weitem nicht, um die Kosten der Krise – bisher über 300 Mrd. Euro – zu begleichen.
Zudem sollen die Einnahmen aus der Spekulationssteuer vor allem der unmittelbaren Armutsbekämpfung dienen – in Europa und in den armen Ländern des Südens. Zur Überwindung der Finanz- und Schuldenkrise sind die Einnahmen aus Vermögensteuer und Vermögensabgabe also unbedingt erforderlich. Zudem ist es zwar wahrscheinlich, aber immer noch nicht sicher, dass die Finanztransaktionssteuer auch wirklich kommt.