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Themenvielfallt, Antragsfülle und engagierte Diskussionen bei den Marburger Stadtverordneten

Zahlreiche Besucher, darunter mehrere Schulklassen, sind als Zuhörer zur Sitzung der Marburger Stadtverordneten gekommen. Foto Hartwig Bambey

Marburg 28.9.2012 -Live-Bericht ab 16.15 (yb) Die heutige Stadtverordnetenversammlung zeichnet sich einmal mehr durch eine pralle Tagesordnung – hinischtlich der Zahl der Tagesordnungspunkte und hinsichtlich gewichtiger Anliegen aus. Zunächst werden nach den Regularien Dringlichkeitsanträge erörtert. Ein solcher von der Marburger Bürgerliste (MBL) unterstützt von der Fraktion Marburger Linke will Missstände im Bereich des Unikindergartens wegen der Baumaßnahmen neue Bibliothek beheben. Nach Informationen von Bürgermeister Franz Kahle, dass die Lage dort inzwischen konsolidiert ist, wird dieser Antrag zurückgezogen.

Nachbarn zu einem grundständig abgestimmten und genehmigten Bauvorhaben am Ortenberg mit Protesttransparent vor dem Sitzungssaal der Stadtverordneten

Ein weiterer Dringlichkeitsantrag von der Fraktion Marburger Linke will einen Bebauungstopp bei dem Bauvorhaben Höhlsgasse 6 am Ortenberg erwirken. Hierzu erläutert der Bürgermeister als Baudezernent den Stand der Dinge und das vorhergehende Genehmigungsverfahren, in dem auch der Denkmalbeirat und der Gestaltungsbeitrat einbezogen waren. So wurde die vorliegende Baugenehmigung in grundständigem Verfahren qualifiziert erteilt und könne vom Magistrat nicht revidiert werden, weil nach Recht und Gesetz ordentlich ergangen, sagt der Bürgermeister. Der Antrag findet bei der Abstimmung nicht die erforderliche Mehrheit und ist damit abgelehnt. Danach wird die aktualisierte Tagesordnung festgestellt und die Sitzung beginnt mit der Fragestunde zur Beantwortung von Fragen der Stadtverordneten.

Nach einstimmiger Verabschiedung von zwei Resolutionen zur Zukunft des UKGM durch die Stadtverordneten kommen mehrere Anträge zum Thema Dezernent/innenstelle im hauptamtlichen Magistrat auf die Tagesordnung. Für die Koalition spricht zunächst der Fraktionsvorsitzender der GRÜNEN, Dietmar Göttling. Er begründet das Anliegen grundsätzlich und versucht das Vorgehen der Regierungskoaltion zu erläutern.

Daran schließt die Stellungnahme des CDU-Fraktionsvorsitzenden Philipp Stompfe an. Der CDU-Sprecher kritisiert das Verhalten und Verfahren von SPD und GRÜNEN vor allem aus formalen und juristischen Gründen. In der letzten Sitzung sei ein Antrag  verabschiedet worden, den der Oberbürgermeister, weil rechtswidrig, im Nachhinein widersprochen habe. Stompfe mahnte ein politisches und verfahrensbezogenes Verhalten an, das sich an den Rechtsgrundlagen, wie der Hessischen Gemeindeordnung, orientiere, und nicht, wie geschehen, sich darüber hinwegsetze. Stompfe widerspricht der Einrichtung einer vierten Stelle und sieht keinen Handlungsbedarf dazu, da Dezernentin Kerstin Weinbach von dem ihr gegebenen Recht auf Arbeitszeitreduzierung Gebrauch mache.

Henning Köster als Sprecher der Fraktion Marburger Linke kritisiert die Position der CDU, weil zu sehr auf das formaljuristische Prozedere ausgerichtet, denn das Anliegen der Familienverträglichkeit der Arbeitsbedingungen für DezerentInnen sei unterstützenswert.

Hermann Uchtmann, MBL, referiert den Werdegang und die in seinen Augen zwischen SPD und GRÜNEN verfahrene Situation. Dann widerspricht er der Zielstellung zur Schaffung einer vierten Dezernentenstelle. Dagegen sprechen in seinen Augen die Kosten, wie auch der Bürgerentscheid aus dem Jahr 1997.

Daran schließt die Stellungnahme von Steffen Rink als Fraktionsvorsitzender der SPD an. Er fordert ernsthafte Suche nach einem gangbaren Weg für das Anliegen ein, das in der freien Wirtschaft längst gelöst sei. Das sei nun einmal nicht einfach, was jedoch nicht davon abhalten dürfe mit langem Atem zu wirken.

Wieland Stötzel, CDU, rekurriert das Verfahren und kritisiert das bisherige Verfahren. Er verweist darauf, dass das vom Magistrat beauftragte Gutachten dazu eindeutig erbracht habe, dass nach vollzogener Wahl eine Dezernentenstelle in ihrem Status (hier als Vollzeitstelle) nicht verändert werden dürfe. Genau dies sei jedoch im Moment von der SPD beabsichtigt. Stötzel fordert, wie zuvor Stompfe, die Aufhebung des ‚rechtswidrigen‘ Beschlusses zur Dezernentenstelle aus der letzten Sitzung.

Ulrich Severin, SPD, verweist auf die nun einmal gegebene schwierige Rechtslage in diesem Feld. Er legt die missliche Lage vieler Erziehender und Alleinerziehender dar, die mit den Angeboten von Kinderkrippen und Kindergartenzeiten bei weitem nicht deren Bedürfnissen entspreche. Mit der kommenden Arbeitszeitreduktion von Dezernentin Weinbach komme auf den Oberbürgermeister und Bürgermeister eine höhere Arbeitsbelastung zu. Um die Stadt Marburg angemessen regieren zu können zeichne sich numehr klar der Bedarf für eine vierte Stelle (zu besetzen als Teilzeitstelle) ab.

Roger Pfalz, CDU, kritisiert das „unehrliche Verhalten“der SPD, der es im Kern darum gehen würde eine vierte Dezernentenstelle schaffen zu wollen.

Danach nimmt Oberbürgermeister Egon Vaupel Stellung. Der OB teilt mit, dass nach Gesprächen mit dem Regierungspräsidenten der Vorschlag nun einmal auf dem Tisch liege über die Schaffung einer weiteren Dezernentenstelle das Problem konstruktiv anzugehen. Diese sei dann ebenfalls und entsprechend in Teilzeit (hier 50 Prozent) zu besetzen. Eine Rechtsgrundlage dafür existiere nicht. Es komme dabei allerdings auf eine vertrauensvolle Regelung an. Diese verlange eben von der/dem zukünftigen weiteren Dezernentin/Dezernenten ab, eine vorher zu vereinbarende Besetzung lediglich in Teilzeit auch langfristig zu akzeptieren. Einem solchen Weg stehe der Regierungspräsident sehr aufgeschlossen gegenüber.

Der OB hält es für falsch, weil unzutreffend, die Diskussion über eine vierte Stelle verkürzend zu führen. Es gehe um um zwei halbe Stellen, womit letztlich der hauptamtliche Magistrat summarisch in Betrachtung der Arbeitszeitleistungen aus zwei ganzen Stellen und zwei halben Stellen bestehen würde.

Für die FDP artikuliert Torsten Sawallies, dass die Abtrennung der Situation von der konkreten Situation von Dezernentin nicht möglich sei. Zudem seien geteilte Stellen in Führungsfunktionen grundsätzlich probelematisch.

Die Landtagsabgeordnete Angela Dorn, GRÜNE, selbst zweifache Mutter, wünscht sich wirksame Regelungen für Politiker in Führungspositionen, wobei es auch möglich sein müsse und möglich sei bei Teilungen von Positionen Verantwortung und Zuständigkeiten zu teilen. Dies sei eine Frage von Verabredungen und praktiziertem Vertrauen. Ohne dieses könne es jedoch auch keine gute Politik geben.
Steffen Rink, SPD, begründet einen Änderungsantrag mit dem Inhalt zum Verzicht auf die Umsetzung der Beschlüsse vom August – im Unterschied  zum Antrag der CDU, der eine Rücknahme der Beschlüsse der letzten Stadtverordnetenversammlung vorsieht. Dem widerspricht Philipp Stompfe, CDU, weil ein bloßer Verzicht auf die Umsetzung (rechtswidriger Beschlüsse) nicht hinreichend sei. Der Antrag sei aufzuheben.

Es kommt zur Abstimmung der vorliegenden Anträge.
● Der Dringlichkeitsantrag der CDU zur Beschlussaufhebung wird abgestimmt. Er findet keine Mehrheit.
● Stattdessen wird der Änderungsantrag dazu mehrheitlich verabschiedet, der lediglich die Umsetzung der Beschlüsse vom August 2012 aussetzt.
● Der CDU-Antrag gegen die Schaffung von einer weiteren hauptamtlichen Magistrtsstelle findet keine Mehrheit.
● Der Antrag zur Initiative beim Land Hessen mit Zielstellung Veränderung der rechtlichen Rahmenbedingungen (Hessische Gemeindeordnung und Hessisches Beamtengesetz) – wird einstimmig verabschiedet.

Damit leistet die Stadtverordnetenversammlung nach kontroverser und ausgesprochen sachlicher Gesamtdiskussion mit deutlich unterschiedlichen Positionen (und Referierung der wesentlichen Argumente) zu einer seit langer Zeit strittigen Frage ein Abschluß.  Die Mandatsträger finden am Schluß die Kraft zu einer gemeinsamen Entschließung hinsichtlich einer Verädnerung der Rechtsgrundlagen. Das ist eine durchaus bemerkenswerte Leistung.

Damit ist es jetzt an der Rot-Grünen Rathauskoalition in weiteren Schritten eine Lösung der ‚Dezernentinnenfrage‘  zu gestalten. Es läuft wohl alles auf eine weitere hauptamtliche Stelle im Magistrat hinaus. Dies wird eine vierte Stelle sein. In materieller, also arbeitszeitlicher Betrachtung, wird es bei gelingender Umsetzung in Marburg bei einem hauptamtlichen Dreier-Magistrat bleiben –  in Gestalt von Vier Dezernenten, davon zwei in ‚halben Stellen‘ jedoch mit je vollem Stimmrecht. Doch dies bleibt eine erst noch zu gestaltende und lösende Aufgabe, an derem Ende dann eine qualifizierte personelle Besetzung zu finden sein wird. Bei einem zurückliegenden Parteitag hatte die SPD bereits dafür Claudia Boje, Pressesprecherin im Rathaus Gießen, präsentiert.

Als nächster wichtiger Tagesordnungspunkt wird der Antrag der Fraktion Marburger Linke betr. ‚Kauf der Flächen an der Cappeler Straße für Wohnungsbau‘ verhandelt. Dazu kommt eine ausführliche Begründung von Jan Schalauske mit Verweisen auf signifikant fehlende Mietwohnungen im unteren Preissegment.

In seiner grundsätzlich zustimmenden Stellungnahme bringt Ulrich Severin (SPD) am Ende dazu einen Änderungsantrag ein, wie auch vorhergehend schon im Sozialausschuss der Antrag der Marburger Linken in einen Prüfantrag mit der Zielstellung Schaffung bezahlbaren Wohnraums durch Marburger Wohnungsbaugesellschaften einstimmig modifiziert wurde.

In weiteren Beiträgen wird der Bedarf zur Schaffung zusätzlichen bezahlbaren Wohnraums in Marburg parteiübergreifend anerkannt.

Oberbürgermeister Vaupel legt die wohnungspolitischen Aktivitäten der Stadt Marburg dar, wobei er den Bedarf für Neubau von Wohnungen im unteren Preissegment anerkennt. Er könne sich den Neubau von Wohnungen durch Marburger Wohnungsbaugesellschaften auf dem Vitos-Gelände an der Cappeler Straße gut vorstellen und halte dies auch für wünschenswert, teilt der OB mit.

Die Abstimmung über den Antrag ergibt eine Mehrheit für den Änderungsantrag, eingebracht von der SPD.

Danach kommen zahlreiche weitere Abstimmungen des Parlaments von Anträgen allesamt ohne Aussprachen.

Ende der Live-Berichterstattung um 20.37 Uhr. —> Nachbetrachtung gibt es in der kommenden Woche.

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