Bouffier vor NSU-Untersuchungsausschuss – V-Leute in Hessen Heilige Kühe mit Beamtenstatus?
Marburg 1.10.2012 (pm/red) Anlässlich der Vernehmung des Hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier (CDU) im NSU-Untersuchungsausschuss in Berlin in der vergangenen Woche ist von Seiten der Wiesbadener Oppositionsparteien erneut deutliche Kritik am Verhalten von Bouffier als damaliger Innenminister laut geworden. Die innenpolitischen Sprecher der Fraktionen von SPD und Grünen, Nancy Faeser und Jürgen Frömmrich, äußerten am Rande der Vernehmung von Ministerpräsident Bouffier im Untersuchungsausschuss NSU als Ergebnis der ersten Befragungsrunde die Befürchtung, dass der damalige Innenminister die Ermittlungen nicht mit der nötigen Ernsthaftigkeit betrieben habe.
„Bouffier hat offenbar den Innenausschuss belogen. Während der Verfassungsschützer T. weiterhin von der Staatsanwaltschaft als verdächtig bezeichnet wurde, bezeichnete er ihn in der Sitzung vom 17. Juli 2006 als unschuldig, weil er für den Zeitpunkt eines der neun Morde ein Alibi hatte. Diese Begründung ist abenteuerlich“, sagte die SPD-Politikerin am Freitag in Berlin.
„Außerdem kann der Ministerpräsident weiterhin nicht erklären, warum er sich als Innenminister rund neun Monate Zeit gelassen hat, überhaupt eine Entscheidung über die Aussagegenehmigung der V-Leute zu treffen. Dies muss die Ermittlungen doch massiv aufgehalten haben. Der Bayerische Innenminister Beckstein hatte in mehreren persönlichen Gesprächen schon im Sommer 2006 um eine Vernehmungsmöglichkeit gebeten. Erst im Januar teilte Bouffier mit, dass er die Aussagegenehmigung verweigert“, sagte der Grüne-Innenpolitiker Frömmrich.
„Auch dass die hessische Polizei über den Bayerischen Innenminister versucht hat, die Ermittlung zu beschleunigen, zeugt nicht gerade von einer guten Zusammenarbeit des damaligen Innenministers mit seinen untergeordneten Behörden“ so Faeser.
Beide zeigten sich verwundert, dass sich der Ministerpräsident bei seiner Aussage offenbar auf Unterlagen gestützt habe, die dem Berliner Untersuchungsausschuss nicht vorlagen.
„Volker Bouffier ist in zentralen Punkt in stundenlange Referate abglitten, statt auf die gestellten Fragen klare Antworten zu geben. Wir kennen diese Strategie des Ministerpräsidenten vor Untersuchungsausschüssen: auf wichtige Fragen nicht eingehen und sich an Unwesentlichem totzureiten. Ansonsten muss man aus dem Gesagten die Erkenntnis gewinnen, dass in Hessen V-Leute ‚Heilige Kühe‘ mit Beamtenstatus sind, so hoch hängt Bouffier den Quellenschutz“, erklärte Hermann Schaus, innenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE im Hessischen Landtag.
Die Vorwürfe der Polizei und des bayerischen Innenministers Günther Beckstein (CSU) gegen den damaligen Innenminister und heutigen Ministerpräsidenten ließen sich so jedoch nicht entkräften, so Schaus. „Die Polizei und Beckstein beklagten, Bouffier habe den Quellenschutz fälschlicherweise über das Aufklärungsinteresse einer bundesweiten Mordtat gestellt. Bouffiers Haltung bleibt völlig unverständlich, auch weil er sich offenbar kein einziges Mal mit der ermittelnden Polizei, aber zig mal mit den Geheimdiensten hierzu beraten hat.
Erschreckend bleibe zudem, was der Untersuchungsausschuss auch über die hessischen Sicherheitsbehörden offenbare, so Schaus. „Schwerkriminelle und nutzlose V-Leute, ein dubioser Rechter als Verfassungsschutzbeamter, ein arroganter Behördenleiter als Geheimdienstchef und blockierte Kommunikationswege im ganzen Apparat. Es ist erschreckend, was Volker Bouffier dort aufgebaut hat.“