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Forum Wissenschaft rückt das Erbe der Brüder Grimm in den Blickpunkt

Marburg 6.10.2012 (pm/red)  Eine Kindheit ohne Märchen ist unvorstellbar. Generationen von Kindern tauchen fasziniert in die schillernde Welt der Märchenprinzessinnen und -prinzen ein, träumen von Hochzeiten in goldenen Kutschen oder eifern gespannt mit, wenn Hänsel und Gretel die Hexe in den Ofen stoßen. Die ‚Kinder- und Hausmärchen‘ der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm sind neben der Luther-Bibel das bekannteste und weltweit am meisten verbreitete Buch der deutschen Kulturgeschichte. In 170 Sprachen übersetzt, gehören sie seit 2005 zum Weltdokumentenerbe der UNESCO. Vier Orte in Hessen stehen für das Leben und Wirken der Brüder: geboren in Hanau, aufgewachsen in Steinau a.d. Straße, haben sie in Marburg studiert und in Kassel den größten Teil ihres literarischen Werks geschaffen. Zum Grimm-Jubiläum beleuchtet eine Veranstaltung am Montag, 8. Oktober – 19 Uhr, im Deutschen Filmmuseum in Frankfurt am Main das Wirken der Sprachwissenschaftler und Märchensammler Jakob und Wilhelm Grimm. Eine Experten-Diskussion widmet sich dem Thema ‚Bedeutung und Einflüsse der Brüder Grimm heute‘ und die Eröffnung einer Grimm’schen Filmreihe folgt um 20.30 Uhr mit Volker Schlöndorffs Film ‚Der plötzliche Reichtum der armen Leute von Kombach‘.

Welchen Einfluss die Brüder Grimm auf Literatur, Kunst oder Film haben, diskutieren an diesem Abend renommierte Grimm-Experten. Zu Gast sind der Germanist und Märchenforscher Prof. Heinz Rölleke, die Theaterpädagogin und Gründerin des Vereins Erzählkunst, Prof. Kristin Wardetzky, der Leiter des Brüder Grimm-Hauses Steinau, Burkhard Kling und der Regisseur, Drehbuchautor und Oscar-Preisträger Volker Schlöndorff, der 2011 von der Universität Kassel mit der Brüder-Grimm-Professur ausgezeichnet wurde. Moderiert wird die Podiumsdiskussion von dem Frankfurter Literaturwissenschaftler und Grimm-Experten Prof.Heiner Boehncke.

Die Märchenerzählerin Dorothea Viehmann aus Niederzehren bei Kassel ist eine bekannte Gewährsfrau der Märchenbürder Grimm, hier in einer Radierung des ‚Malerbruders‘ Ludwig Emil Grimm aus dem Jahr 1814.

„Grimms Märchen bilden im deutschsprachigen Raum den letzten Rest literarischer Allgemeinbildung“ sagt Prof. Rölleke. Märchen waren und sind für Kinder die erste literarische Begegnung. Rölleke ist seit 1974 Professor für Germanistik und Volkskunde an der Bergischen Universität Wuppertal. Sein Forschungsgebiet umfasst die deutsche Literatur vom Mittelalter bis zur Gegenwart und die Volksliteratur. Sein populärstes Forschungsgebiet sind aber die Brüder Grimm und ihre Märchen, über die er mehr als sechzig wissenschaftliche Publikationen veröffentlicht hat. Für seine Arbeiten wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Hessischen Staatspreis und dem Brüder Grimm Preis der Universität Marburg. Zuletzt erschien der Sonderband ‚Es war einmal: Die wahren Märchen der Brüder Grimm und wer sie ihnen erzählte‘ mit Märchenillustrationen von Albert Schindehütte.

Erst vor kurzem wurde eine weitere Darstellung der ‚Viehmännin‘ von Ludiwig Emil Grimm identifiziert. —>Bericht in das Marburger.

Über die Erfahrungen als Museumsleiter und das Konzept des Brüder Grimm-Hauses Steinau spricht an diesem Abend Burkhard Kling. Der studierte Kunsthistoriker übernahm 1998 die Leitung des im ehemaligen Amtshaus neu gegründeten Museums, dem Ort, an dem die Brüder Grimm von 1791 bis 1796 lebten. Im Mittelpunkt der Ausstellung steht die Kindheit und Jugend der Grimms. Ein Teil der Schau widmet sich den graphischen Arbeiten des Malerbruders Ludwig Emil Grimm. Ausstellungen in Steinau haben sich aber auch mit den Märcheninterpretationen David Hockneys oder Otto Ubbelohdes auseinandergesetzt. „Mir ist es wichtig, die Kenntnisse über populäre Märchen zu vertiefen, die Besucher aber auch auf zahlreiche unbekannte Märchen der Sammlung hinzuweisen“, sagt Burkhard Kling.

Welche besondere Bedeutung dem Erzählen als Kunstform und bei der Sprachförderung zukommt, stellt die Theaterpädagogin und Gründerin des Vereins Erzählkunst, Prof. Wardetzky, dar. „Ein guter Erzähler“, sagt sie, „holt Dinge in die Gegenwart, die Jahrhunderte von uns entfernt sind.“ Heute, im digitalen Zeitalter, erlebt das mündliche Erzählen eine wahre Renaissance. Im Mittelpunkt des Vereins Erzählkunst steht insbesondere die Vermittlung des künstlerischen Erzählens in Schulen und Kindergärten. Bis 2007 war Kristin Wardetzky Professorin für Theaterpädagogik an der Universität der Künste (UdK) in Berlin, wo sie sich dafür engagierte, das Erzählen als Studienfach zu etablieren.

Mit Literaturverfilmungen wie ‚Die verlorene Ehre der Katharina Blum‘ 1975, ‚Tod eines Handlungsreisenden‘ 1985, oder ‚Homo Faber‘ 1991 wurde Volker Schlöndorff international bekannt. Den Oscar erhielt er für seine Verfilmung von Günter Grass’ ‚Die Blechtrommel‘ 1979. Den Auftakt der Grimm’schen Filmreihe macht im Anschluss an die Diskussion Schlöndorffs preisgekrönter Film Der plötzliche Reichtum der armen Leute von Kombach (BRD 1971). Der Film selbst ist wie die ‚Kinder- und Hausmärchen‘ der Brüder Grimm als Anthologie zu verstehen. In ihm werden zahlreiche Zitate aus Werken hessischer Autoren, etwa aus Georg Büchners Sozialdrama ‚Woyzeck‘ oder aus den Märchen der Brüder Grimm gesammelt und vereint. Warum sich der in Wiesbaden geborene Filmemacher bei den Recherchearbeiten selbst ‚als Bruder Grimm begriff‘ erörtert Schlöndorff an diesem Abend.

Moderiert wird das Gespräch von Prof. Boehncke, der als Autor und Literaturwissenschaftler die Kultur- und Literaturszene in Hessen entscheidend mitgeprägt hat. Er arbeitete viele Jahre als Redakteur von hr2-kultur und lehrte als Germanistik-Professor an der Goethe-Universität Frankfurt, war lange Zeit Vorstandsmitglied des Hessischen Literaturrats und ist Mitinitiator und Vorsitzender des Fördervereins von ‚Literaturland Hessen‘.

In Marburg finden sich die Brüder Grimm im ‚Haus der Romantik‘ thematisiert und dargestellt, wie etwa hier rechts und links von Prof. Marita Metz-Becker. Foto Hartwig Bambey

Die Veranstaltung des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst findet in Kooperation mit dem Deutschen Filminstitut im Deutschen Filmmuseum statt (Schaumainkai 41, 60596 Frankfurt am Main). Der Eintritt beider Veranstaltungen kostet 9 Euro, ermäßigt 7 Euro. Kartenreservierungen sind telefonisch unter 069 / 961220 220 oder per E-Mail unter forum-wissenschaft-und-kunst@hmwk.hessen.de möglich.

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