Fernsehgeschichten und soziale Realität
Marburg 11.10.2012 (wm/red) Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert ein Projekt zur Wirkung des Fernsehens auf moralische Überzeugungen und Handlungen des Publikums. Das Projekt, das in Zusammenarbeit mit Wissenschaftler/innen aus den USA und den Niederlanden angelegt ist, wird von der Augsburger Kommunikationswissenschaftlerin Prof. Helena Bilandzic geleitet.
Normen und Moral im Fernsehen
Darstellungen von ‚richtigem‘ und ‚falschem‘ Verhalten sind in Fernsehserien und Filmen allgegenwärtig. Krimiserien handeln nicht nur von aufzuklärenden Verbrechen, sondern zeigen auch Lügen und Täuschungen. Neben Verletzungen von professionellen Normen in Ärzteserien spielen vor allem Normverletzungen in Freund- und Partnerschaften eine Rolle. Dabei werden Normverletzungen nicht immer nur bestraft, wie zum Beispiel Morde in Krimiserien, sondern oft auch nicht sanktioniert (etwa bei Beleidigungen). Die Handlungsstrukturen und Figurenbewertungen einzelner Fernsehgeschichten transportieren klare moralische Botschaften, die sich auf das moralische Denken und Handeln der Rezipienten auswirken können.
Moralische Medienwirkungen
Im Projekt wird der Einfluss von moralischen Medienbotschaften auf das moralische Denken und Handeln der Rezipienten untersucht. Aufbauend auf Kultivierungstheorie und Moralpsychologie wird angenommen, dass die häufige Nutzung moralbeladener Genres zu einer Überschätzung der Häufigkeit von Normverletzungen im realen Leben führt. Ein Fan von Arztserien würde beispielsweise einen höheren Anteil an Verletzungen beruflicher Normen vermuten, ein Fan von Krimiserien eine höhere Mordrate in der Gesellschaft. Die Wahrnehmung der moralischen Relevanz einer Situation (moralische Sensibilität) sollte ebenfalls mit der Rezeption einer moralbeladenen Serie steigen. Schließlich können moralische Konzepte durch eine wiederholte Rezeption auch chronisch zugänglich gemacht werden und in realen Situationen das moralische Verhalten der Rezipienten beeinflussen.