Auch in feministischer Perspektive geht es um die zentrale Frage nach dem Verhältnis von Ökonomie und Politik, Kapitalismus und Demokratie
Marburg 16.10.2012 (pm/red) Signalisieren die aktuellen Krisen- und Konfliktdynamiken nur Regulationsdefizite an den Finanzmärkten oder nicht vielleicht doch den dramatischen Niedergang der kapitalistischen Wirtschaftsweise – „so wie wir sie kannten?“. Oder erleben wir aktuell die nicht minder dramatische Zersetzung der Demokratie? Welche Erkenntnisse ergeben sich aus einer feministischen Perspektive auf die gegenwärtigen Entwicklungen? Am Montag, 22. Oktober, wird in der Ringvorlesung des Zentrums für Konfliktforschung die Marburger Politikwissenschaftlerin Prof. Ingrid Kurz-Scherf zum Thema ‚Die große Transformation? Feministische Perspektiven auf aktuelle Konflikt- und Krisendynamiken‘ sprechen. Beginn des Vortrags ist 18.30 Uhr im Raum +1/0010 im Hörsaalgebäude der Universität in der Biegenstraße.
Feministische Perspektiven auf aktuelle Krisen- und Konfliktdynamiken
Die durch die Pleite von Lehman Brothers im September 2008 ausgelöste Finanz- und Wirtschaftskrise hatte der feministischen Patriarchatskritik zunächst zu unverhoffter, gleichzeitig aber auch höchst fragwürdiger Prominenz verholfen: „Die Männer sind schuld an der Krise“ – titelte zum Beispiel „die tageszeitung“; auch „The Economist“ – ein durchaus wirtschaftsfreundliches Blatt – fragte, ob die Krise in dem Ausmaß und der Dramatik denn überhaupt stattgefunden hätte, wenn Frauen mehr Einfluss auf das Geschäftsgebaren an den Finanzmärkten hätten.
Mittlerweile sind die Geschlechterkonstellationen der Krise längst wieder von der Agenda der hegemonialen Krisendebatten verschwunden. Es gibt eine wahre Flut an Krisenliteratur, in der die Geschlechterdimension der Krise aber kaum noch erwähnt wird. In feministischer Perspektive auf die aktuelle Vielfachkrise wurden die platten Schuldzuweisungen an „die Männer“ von vorneherein als essentialistisch zurückgewiesen und die Forderung nach einem „Geschlechtswechsel der Macht“ wird der Komplexität der Verstrickung zwischen Macht- und Geschlechterverhältnissen sicher nicht gerecht. Eine der zentralen Fragen im Kontext der Krise ist vielmehr auch in feministischer Perspektive die nach dem Verhältnis von Ökonomie und Politik, Kapitalismus und Demokratie.