Bekämpfung des Hungers durch Landwirtschaft wird unterschätzt
Marburg 18.10.2012 (pm/red) Laut des jüngsten Hungerberichts der Vereinten Nationen leiden rund 870 Millionen Menschen auf der Welt an Unterernährung. Die weltweite Nachfrage nach Getreide wächst derzeit schneller als das Angebot, so dass die Preise in die Höhe gehen. Um mit der Entwicklung der Nachfrage Schritt zu halten, wird die Agrarproduktion bis 2050 deutlich gesteigert werden müssen – was vor dem Hintergrund des Klimawandels und knapper Ressourcen eine große Herausforderung darstellt. Die Deutschen betrachten die Landwirtschaft nur in geringem Maß als mögliche Lösung für den Hunger auf der Welt. Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative Verbraucherbefragung der Universität Göttingen. Die Wissenschaftler haben 1200 Verbraucher in ganz Deutschland zu möglichen Ursachen der Welthungerproblematik und zu Lösungsansätzen befragt.
Trotzdem sieht die Mehrheit der Deutschen die Lösung für das globale Ernährungsproblem nicht primär in der Landwirtschaft. Als Hauptursachen für den Hunger gelten vielmehr Dürren, Kriege und Konflikte sowie Korruption in den Entwicklungsländern. Aspekte, die unmittelbar mit der Landwirtschaft in Verbindung stehen – beispielsweise Bioenergie, fehlende moderne Technologien in Entwicklungsländern und Nachernteverluste – schätzten die Teilnehmer der Befragung als relativ unbedeutend ein. „Dürren, Kriege und Konflikte sind häufig in den Medien, machen aber de facto nur einen kleinen Teil des Hungerproblems aus“, so der Leiter der Studie, Prof. Matin Qaim vom Department für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung der Universität Göttingen, der die Befragung gemeinsam mit seinen Mitarbeitern Wilhelm Klümper und Jonas Kathage verwirklichte.
Auch die Frage, ob Hunger eher ein Problem der Verteilung oder der Produktion von Lebensmitteln ist, war Gegenstand der Erhebung. Die meisten Deutschen sehen Verteilungsprobleme als Ursache für den Welthunger an. Verbesserungen erhoffen sich die Befragten vor allem durch den verstärkten Anbau ertragreicher Pflanzensorten, Ökolandbau, fairen Handel und ein Verbot der Spekulation mit Lebensmitteln. Negativ bewertet werden der Einsatz von Gentechnik, Düngern und Pflanzenschutzmitteln. Viele Befragte sind der Ansicht, das Konsumverhalten innerhalb der Europäischen Union könne das Welternährungsproblem beeinflussen – gaben jedoch gleichzeitig an, dass das Thema bei ihrem persönlichen Kauf- und Konsumverhalten keine bedeutende Rolle spiele.
„Die Ergebnisse der Befragung machen deutlich, dass die öffentliche Meinung zum Thema Welternährung stark durch positive und negative Vorurteile geprägt ist“, so Prof. Qaim. „Pauschalurteile bringen uns jedoch bei so hochkomplexen Fragen wie der Zukunft der Welternährung nicht weiter. Um einer wachsenden Weltbevölkerung globale Ernährungssicherheit bieten zu können, werden Innovation und ressourceneffiziente Wertschöpfung zunehmend wichtig. Das erfordert auch ein gesellschaftliches Umdenken.“