Auseinandersetzungen um die Lufthoheit bei der Windenergie
Marburg 30.10.2012 (pm/red) Dass der Ausbau der Windenergie ein trefflich zu politischem Streit geeignetes Thema ist, haben nicht alleine die Bürger in Marburg zur Kenntnis zu nehmen. Vor Ort hat es der SPD-Stadtverordnete Horst Wiegand nicht sein lassen wollen nach der informativen und für die Universitätsstadt viel Klarheit schaffenden Bürgerversammlung unter Beteiligung des Regierungspräsidenten noch einmal nachzulegen. In der Tageszeitung fand der ‚Abtrünnige‘ ein billiges Sprachrohr für ablehnende Verlautbarungen zum Bau von Windkraftanlagen im Bereich der nördlichen Lahnberge. Dass es dafür überhaupt erst einmal Windmessungen geben soll, um die Eignung der Gebiete ‚Bürgeler Gleichen‘, zugleich für den favorisierten Standort ‚Lichter Küppel oberhalb von Cappel, zu untersuchen, interessiert Wiegand, unterstützt vom übereifrigen Aktivisten Philipp Fleischhacker, offenbar ebensowenig wie der mühsam wieder hergestellte Koalitionsfrieden im Rathaus.
Bei solch kleinkariertem Intermezzo in Marburg kann es nicht verwundern, dass auch auf der Landesebene Wortgefechte versuchen zumindest einigermaßen Wind zu entfachen um das Thema Windkraft. Zugleich könnte und sollte inzwischen Jede/r wissen, dass eine Energiewende ohne den verstärkten Bau von leistungsfähigen Windrädern keinesfalls gelingen kann.
Auslöser eine Parteidisputs in Hessen sind Verlautbarungen des Verband WindEnergie. Nicht einmal ein Jahr nach dem Energiegipfel in Hessen fordert laut Agenturmeldungen der Branchenverband WindEnergie (BWE) von der Landesregierung mehr Unterstützung für die Energiewende. Hessen liege bei der Förderung der erneuerbaren Energien eher auf den hinteren Plätzen, höchstens im Mittelfeld, wird kritisiert und zugleich eine längst hinlänglich bekannte Tatsache erneut kommuniziert.
Gegen diese wenig fundierte und perspektivenarme Kritik wendet sich ein CDU-Sprecher: „Der bundesweit einmalige Energiegipfel der Landesregierung hat für Hessen die richtigen Weichen gestellt. Die Umsetzung der Ergebnisse läuft in vollen Zügen“ rklärte der energiepolitische Sprecher der hessischen CDU-Landtagsfraktion, Peter Stephan. Ein Großteil der Maßnahmen sei bereits umgesetzt und Hessen sei auf einem sehr guten Weg, die Energiewende mit Vernunft und Augenmaß zu gestalten.
Beim Ausbau der Windenergie spiele die Akzeptanz in der Bevölkerung eine entscheidende Rolle. „Wir weisen zwei Prozent Vorrangfläche für die Windenergie aus – bei gleichzeitigem Ausschluss der anderen Flächen. Darauf haben wir uns im Energiegipfel geeinigt und die Landesregierung setzt das um. Wir wollen den Ausbau auf zwei Prozent der Fläche; wir wollen ihn effizient und wirtschaftlich; wir wollen ihn natur-, arten- und landschaftsschutzverträglich und wir wollen ihn mit Akzeptanz der Bürger vor Ort. So wird es auch gelingen, die Windenergie in Hessen deutlich auszubauen“, sagte Stephan.
Die Landtagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unterstützt den Branchenverband WindEnergie (BWE) in seiner Forderung, genügend Landesfläche für Windenergie auszuweisen und setzt sich damit zugleich darüber hinweg, dass mit zwei Prozent Flächenausweisung eine deutliche und positive Zielmarke seitens des Landes zumindest formuliert ist.
„Durch nicht nachvollziehbare Vorgaben in Bezug auf die Windgeschwindigkeit, den Abstand zu Siedlungen und zu den Ausschlussflächen werden die Standorte für Windenergie künstlich und mutwillig reduziert. Dies grenzt an eine Windkraftverhinderungsplanung und kann so nicht stehen bleiben“, kritisiert die energiepolitische Sprecherin der GRÜNEN, Angela Dorn.
Mit einer Wiederholung von längst Bekanntem meldet sich auch die SPD zu Wort um dann noch substantiell zu werden. „Es ist und bleibt erschreckend, dass Hessen bei der Energiewende auf den hinteren Plätzen rangiert. Daran hat auch der Energiegipfel nichts geholfen. Diese Einschätzung muss unbedingt auf die Tagesordnung der Sitzung des Energiegipfels am 13. November“, sagte Timo Gremmels als SPD-Energieexperte.
Er widersprach allerdings der Aussage des Landesverbands Windenergie, dass die Regionalversammlungen beim Ausbau der Windkraft auf der Bremse stünden. „Das größte Hemmnis ist, dass der Landesentwicklungsplan (LEP) die Vorgabe von Zwei-Prozent-Windkraft nicht als verbindliches Ziel festlegt, sondern als einfachen Grundsatz definiert, von dem abgewichen werden kann. Damit steht die Hintertür sperrangelweit offen.“
Künftig könne mit fadenscheinigen Begründungen von der Zwei-Prozent-Windkraft-Vorgabe abgewichen werden, weshalb die Flächenvorgaben für Windkraft im Landesplanungsgesetz verbindlich festgeschrieben werden müssten.
In Bezug auf die Windkraftnutzung im Eigenbetrieb HessenForst müsse Umweltministerin Puttrich dafür sorgen, dass bei der Vergabe von Windkraftstandorten im hessischen Forst regionale Investoren bevorzugt würden. „Die Akzeptanz für die Windkraft steht und fällt mit der Auswahl der Betreiber. Die Bürgerinnen und Bürger sind eher bereit Windkraft im Wald zu akzeptieren, wenn sie wissen, dass regionale Stadtwerke, Kommunen und Genossenschaften mehrheitlich den Windpark betreiben und nicht ortsferne Investmentfonds. Die Windkraft wird unser Landschaftsbild verändern. Als Gegenleistung muss daher die Wertschöpfung in der Region bleiben“, so die Forderung von Gremmels.