viva piazza fridericianum – Stricken, Stricken, Stricken bis zum 8. März

22.12.2024 (yb) Viele, sehr viele 50 x 50 cm große gestrickte oder gehäkelte Decken sollen den Friedrichsplatz am 8. und 9. März bedecken und werden anschließend zu Gunsten des Autonomen Frauenhauses Kassel versteigert.

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Umbau der Philipps-Universität (2) – Große Nummer Universitätsbibliothek bei schlechter Planung und allerlei Akteuren

Marburg 31.10.2012 (yb) Die Stadt Marburg und die Philipps-Universität Marburg befinden sich einem Konversionsprozess. Zuallermeist der inzwischen weitgehend abgeschlossene Umzug der Universitätskliniken auf die Lahnberge hat inmitten der Stadt große Liegenschaften und Baukörper hinterlasssen, die neuen Nutzungen zugeführt werden sollen.
Dieser anspruchsvolle Prozess wird von der Universität selbst, dem Land Hessen, der Stadt Marburg und weiteren Akteuren (mit-)betrieben. Dabei fehlt es an wirklicher stadtplanerischer Durcharbeitung und Einbettung, angemessenen Planungsprozessen und -strukturen und an adäquatem Management. Mit so unvermeidlich auf den Fuß folgenden Problemen, eingebettet in das Handeln und unterlassenes Handeln Verantwortlicher  – bei gleichzeitiger defizitärer Finanzierung der Universität mit enorm angestiegenen Studierendenzahlen – beschäftigt sich eine Serie in das Marburger. Den Anfang machte ein Hintergrundbericht zum Botanischen Garten auf den Lahnbergen mit seiner höchst ungeklärten Zukunft. Im zweiten Beitrag dieser Serie geht es um den Neubau der Universitätsbibliothek.

Die Planungen eines ‘Innenstadt-Campus’, tituliert als ‘Campus Firmanei’, formulieren als Herzstück den Bau einer neuen Universitätsbibliothek. Diese soll am Standort des (erst noch abzubrechenden) Gebäudes der Frauenklinik und eines noch bewohnten Schwesterwohnheims am Alten Botanischen Garten entstehen. Dort treten Ziele und Zielkonflikte der Konversion zur Umnutzung vorhandener vormaliger Klinikflächen und -gebäude signifikant hervor.

Die Tatsache, dass es in Marburg eine funktionierende Universitätsbibliothek (UB)  gibt – in den geisteswissenschaftlichen Campus, die sogenannten PhilFak, unmittelbar integriert und zugleich nahe zur Mensa gelegen – gehört zur Ausgangslage. Die jetzige UB ist selbst noch relativ neu und wurde im Zuge des Ausbaus der Philipps-Universität in den späten sechziger Jahren in Betrieb genommen. Der „erhabene silberne Kubus“ (Ira Mazzoni) ist ohne Zweifel ebenso denkmalwert wie stadtbildprägend. Bezeichnend für den grundständig unzulänglichen Planungsprozess für eine neue UB war und ist, dass deren gewollter Standort am Alten Botanischen Garten Beschränkungen hinsichtlich der ‚Buchkapazität‘ erzwingt. Daher gibt es Überlegungen den Silberkubus der dann alten UB als ‚Speicherbibliothek‘ zu erhalten. Wie sich bereits daran offenbart, liegen den Planungen für den ‚Campus Firmanei‘ von Anfang an kardinale Unzulänglichkeiten zu Grunde.

Ein weiteres grundlegendes Faktum wurde weder im Zuge der Ausgangsüberlegungen erörtert, noch hat es gebührenden Eingang in die andauernden Planungsarbeiten gefunden. Seit Jahrzehnten gibt es an der Marburger Uni eine prägnantes Nebeneinander von zentraler UB und dezentralen, den heute nur noch 16 Fachbereichen zugeordneten Fachbibliotheken. Die wissenschaftliche Arbeitsliteratur, seien es Bücher oder Zeitschriften nebst zughörigen (Computer-)Arbeitsplätzen, findet sich also zum großen Teil direkt am Ort der Studien und Seminarräume. Dies gilt für die geisteswissenschaftlichen Institute mit Germanisten, Anglisten, Romanisten, Historiker, Soziologen, Pädagogen oder Politologen ebenso, wie für die Wirtschaftswissenschaften, Juristen, Ethnologen, Kunsthistoriker oder Religionswissenschaftler. Mit dem Bau einer neuen zentralen Bibliothek wird diese geteilt dezentrale und stark fachbereichsbezogene Struktur aufgegeben. Folge davon ist eine (gewollte) Zentralisierung mit Folgen für Studium, Arbeitsweisen und spätere Abläufe in der zukünftigen zentralen UB. Ein enger Kontakt zum Studienort, Beratung durch Bibliothekspersonal und viele Abläufe müssen neu strukturiert und organisiert werden –  und das ohne Vorbild. Die neue UB betritt also ein ‚terra incognita‘ mit nicht geringen Umbrüchen und auch Risiken.

dbax0305-0085aEs zeigt sich die Konversionsaufgabe in Marburg hin zum ‚Campus Firmanei‘ also grundlegend und von Anfang an als schwierig und mit Mängeln, Brüchen und Risiken behaftet. Ziel des Landes Hessen als Universitätsträger ist zugleich Umnutzung eines ganzen brach gefallen Stadtquartiers – des gewachsenen Klinikviertels – in Marburg. Dies soll mit  Finanzierung aus dem Hochschulbauprogramm ‚HEUREKA‘ zugleich die Philipps-Universität modernisieren und aus Streulagen in größere bauliche Verdichtung in Gestalt der beiden Campus (wer mag kann auch Campusse sagen) auf den Lahnbergen und nahe zur Elisabethkirche Verwirklichung finden.

Modell vom Campus Firmanei mit neuer Universitätsbibliothek im Vordergrund direkt am Alten Botanischen Garten, präsentiert im Rahmen des Wettbewerbsverfahrens für die neue Bibliothek. Foto und Bearbeitung Hartwig Bambey. ->für Großdarstellung auf das Foto klicken

Dabei kommt als nächster Umstand die ebenfalls als Belastung zu beschreibende Standortwahl für die neue Bibliothek am Ort der vormaligen Frauenklinik mit vielen Nachteilen und Einschränkungen zum Tragen. Ganz abgesehen von dem dazu notwendigen Abbruch eines intakten und mietgünstigen Schwesterwohnheims, also problematischer Wohnraumvernichtung in der Innenstadt, um überhaupt einigermaßen hinreichend Grundflächen zur Verfügung zu haben, bringt das sehr langgestreckte neu zu bauende Universitätsgebäude eine Verriegelung des Alten Botanischen Gartens als Kulturdenkmal höchsten Ranges in der Innenstadt. Es wird eng, der Baukörper muss geradezu reingetrimmt werden. Und doch wird die neue Bibliothek von vorneherein zu klein sein. Das war vorab bekannt und wurde sehenden Auges in Kauf genommen. Zugleich sollen und müssen Rücksichten genommen werden auf benachbarte Gebäude, die (Konversion = Erhaltung und Umnutzung) in Gestalt der bisherigen Hautklinik mit ihrer Lage an der Deutschhausstraße zudem als Bibliotheksgebäude mitgenutzt werden soll. Damit sind Kompromisse, Brüche und Abstriche unausweichlich.

Die neue Bibliothek mit einer Investitionssumme von über 100 Millionen Euro kann und wird also nicht als integraler Baukörper gemäß ihrer Aufgaben und sich daraus ergebenden Anforderungen und Zweckmäßigkeiten hinsichtlich der grundlegenden Abläufe geplant. Sie wird an einen aus anderen Erwägungen definierten Standort mit zu geringer Ausdehnung und zweifelhafter Eignung gezwängt.

Grundrißdarstellung mit Neubau und Altbauten, oben links, für die neue Bibliothek. —>für Großdarstellung auf die Zeichnung klicken

Zudem wird es ein zumindest zweigeteiltes Gesamtbauwerk geben, indem das Hautklinikgebäude zukünftig die wesentlichen Mitarbeiterarbeitsplätze aufnehmen muss. Der Neubau selbst setzt sich, wie auf dem nebenstehenden Plan ersichtlich, selbst aus zwei großen Baukörpern zusammen. Zur Anbindung der Mitarbeiter sollen zwei Verbindungsübergänge gebaut werden. Die funktionalen Nachteile und Beschränkungen daraus sind nicht alleine für Bibliothekswissenschaftler und -mitarbeiterInnen evident. Tausende von Nutzerinnen und Nutzern werden bis zu mehrere Hundert Meter Fußweg entfernt von den Menschen sitzen, die als Bibliothekare zu Ihrer Beratung etc. ausgebildet sind und vor Ort sein sollten. Mit technischen Kontrollsystemen müssen Hunderttausende in weitläufigen Freihandbereichen aufgestellte Bücher vor Beschädigung und Mißbrauch, wie vor Diebstahl, geschützt werden. Eine ganzheitliche Planung geht anders. Wie das wird und werden soll, weiß heute noch kein Mensch präzise.

Denn zu alledem kommt eine fehlende Synchronisierung von baubezogenen Planungsabläufen mit der Entwicklung der fachlichen und nutzungsorierten Vorgaben. Selbstverständlich haben die Preisträger des vorgeschalteten Architektenwettbewerbs für den Neubau keine Ahnung vom Bibliotheksbau. Es ist ihr erster. Sie sind Architekten, denen ihre ästhetischen und sonstigen Vorstellungen über alles gehen. So ist viel Zeit verstrichen, bis sich jemand gefunden hat ein Machtwort zu sprechen und den Architekten als Auftragnehmern ihren Platz, Rolle und Kompetenzen zugewiesen hat. Sowas kostet nicht alleine Zeit.

Hinzu kommt ein gravierendes Strukturproblem auf Seiten der Bauherrschaft. Diese ist eine mehrfach geteilte. Zudem ohne Vorerfahrungen mit einem solche Projekt, bezogen auf Größenordnung, interne und externe Folgewirkungen, städtebauliche, verkehrliche und weitere wesentliche Aspekte. Die Marburger Uni soll eine neue Bibliothek (verpasst) bekommen. Neben dem Finanzministerium entscheidet das Wissenschaftsministerium. Für die Bauablaufplanung und Bauüberwachung wird das Hesssische Baumanagement tätig. Dazu kommen mehrere Instanzen und Institutionen auf Seiten von Stadt und Universität. Zusammen wird dies ein bunte Mischung, jedoch ohne professionell aufgestelltes Team mit vorher ausgewählten und sachgemäß ausgestattet handelnden Personen.

So gibt es längst nicht wenig Verzug – ein Jahr und mehr.  Auf Seiten der betroffenen Bibliotheksmitarbeiter hat man sich inzwischen externen Sachverstand zur Beratung an die Seite geholt. Zugleich machen die verantwortliche Bibliothekare die bittere Erfahrung, dass die technischen Bauplaner ihnen weit voraus geeilt sind. Mit deren zum Teil sachfremden und funktionsschädlichen Festlegungen müssen die Sachwalter der späteren Nutzung und Abläufe eben leben.

Bei den wenigen öffentlich gemachten Informationen, etwa zu Verkehrsfragen, blieb bis heute unbeantwortet, wo Mitarbeiter und Nutzer denn nun parken sollen. Vielleicht wird der Parkplatz an der bisherigen UB als Parkdeck ausgebaut. Vielleicht gibt es eine neue Fußgängerbrücke dorthin über die Lahn. Im Moment redet davon aus Kostengründen keiner mehr. Vielleicht kommt am Afföller am alten Gaswerk ein Parkdeck statt nur bodengleiches Parken. Immerhin konnte der Verantwortliche vom Hessischen Baumangement inzwischen mitteilen, dass es rund 300 Stellplätze für Fahrräder geben soll. Für mehrere Tausend Nutzer am Tag, für die PKW-Parkplätze sowieso nicht vorhanden sind, erscheint dies als deutlich zu geringe Anzahl. So holt die Wahl des beengten Standortes längst die Beteiligten ein.

Im Moment sind noch archäologische Grabungen vorgeschaltet. Demnächst soll der Abbruch der Gebäude der Frauenklinik beginnen, wozu die ersten Bagger und Arbeiter bereits in Aktion sind. Danach kommt dann das Ausheben der Baugrube. Und dabei dann kann die Situation der Grundwasserhaltung und Pegelabsenkung geklärt werden. Wird gesagt. Betroffen von Grundwasserabsenkung wird der wertvolle Baumbestand des Alten Botanischen Garten, möglicherwiese die Gründung benachbarter Gebäude, womöglich bis hin zu Problemen für die Fundamente der Elisabethkirche. Man wird sehen.

Leere Fensterhöhlen in der vormaligen Frauenklinik und ein langer Bauzaun am Pilgrimstein verweisen auf kommenden Abriß und Bauarbeiten. Foto Hartwig Bambey

Zu alledem gibt es keine kontinuierlichen Informationen. Die Universitätsleitung schweigt, die Wissenschaftsministerin hat andere Sorgen, in Marburg etwa mit der Partikeltherapie, und seitens der Stadt Marburg redet gerne vom ‚Modal Split‘ und macht Verkehrsplanung klein klein im Quartier. Dabei könnte eine Sperrung der Elisabethstraße rauskommen. Man wird sehen.

Ob sehr eng geschnürte Finanzierung des Riesenbauvorhabens für die neue Bibliothek mit der Folge von Abstrichen in der bautechnischen Ausstattung, wie etwa doppelte Fußböden für Leitungsführungen, ob kaum zumutbare Laufwege für Bedienstete zu weit entfernten Parkplätzen in unzureichender Größe, oder ob fehlende Essensversorgung der Nutzerinnen und Nutzer. Man wird sehen. Was fehlt wird ergänzt und seien es noch 10 Coffeeshops und Schnellimbisse drumherum.

Der Campus Firmanei mit neuer Bibliothek zeigt sich im Modell recht übersichtlich: im Vordergrund die Stadthalle und rechts die Biegenstraße.

Selbst ohne genaue Kenntnis der Planungen und Arbeiten im Detail, erweisen sich grundlegende Probleme als große Tücken und Lücken längst vor dem Baubeginn. Die neue Bibliohek soll(te) ein Herzstück für den Campus Firmanei werden. Das kann so nicht gelingen und ein nicht transparenter Planungs- und Bauprozeß birgt beste Voraussetzungen für Fehler und Unterlassungen. Diese werden kommen. Später. Dann helfen nichtssagende Powerpoint-Präsentationen nicht mehr weiter. So wird es kaum überraschen, dass Beteiligte und Akteure an dieser großen Nummer sich als überfordert erweisen werden. Im Moment hantieren viele sorglos im Stil eines Big Spender. Ihre 100-Millionen-Baustelle  in Marburg steht vor der Tür. Viel Geld, viel Verantwortung aber leider keine guten Grundlagen.

—>Beitrag Umbau der Philipps-Universität (1) – Die große Hängepartie mit dem Botanischen Garten

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