Doppelt ausgegrenzt – Unterstützung für Menschen mit Behinderung und Migrationshintergrund beim fib
Marburg 19.11.2012 (pm/red) Menschen mit Migrationshintergrund, die eine Behinderung oder eine chronische Krankheit haben, haben in ihrem Alltag meist außergewöhnlich hohe Belastungen zu tragen. In Hessen betrifft das rund 150.000 Menschen. Häufig werden die Betroffenen und ihre Familien durch vorhandene Unterstützungsangebote in ihrer spezifischen Situation nicht erreicht. Mit dem Projekt interkulturelle Beratung (PiB) sucht der Verein zur Förderung der Integration Behinderter (fib ) nach Wegen, die Versorgungslage von MigrantInnen mit Behinderung im Landkreis Marburg Biedenkopf dauerhaft zu verbessern. Das Projekt wird gefördert von Aktion Mensch. Es ist das erste seiner Art in Hessen.
„ Wir möchten Familien erreichen, die unter Umständen gar nicht wissen, dass es in Deutschland Unterstützung und Beratung für Menschen mit Behinderung und ihre Angehörigen gibt, weil in ihren Herkunftsländern die Versorgung von behinderten Menschen allein die Aufgabe der Familie ist“ sagt die Projektleiterin Hannah Mühling. In enger Zusammenarbeit mit Stadtteilinitiativen, Kulturvereinen und Gebetshäusern biete das PiB zu diesem Zweck Infoveranstaltungen an, in denen Menschen in ihrer eigenen Umgebung und jeweiligen Muttersprache von Unterstützungsangeboten erfahren und in persönlichen Kontakt mit den MitarbeiterInnen des fib treten können.
Während der dreijährigen Laufzeit des Projektes soll kultursensibles Arbeiten im fib zum Standard werden. Das bedeutet nicht nur, dass mehrsprachiges Informationsmaterial zu diversen Fragen rund um das Thema Behinderung zur Verfügung steht. „Durch die Fortbildung unserer MitarbeiterInnen, den Einsatz von DolmetscherInnen bei Bedarf und eine Weiterentwicklung unserer Unterstützungsangebote wollen wir gewährleisten, das Ziel der Inklusion auch in Bezug auf Menschen mit Migrationshintergrund in unserer Arbeit umzusetzen“, so der Geschäftsführer Wolfgang Urban.
Ein weiteres Ziel des PiB ist es, im Landkreis öffentlich für das Thema ‚Migration und Behinderung‘ zu sensibilisieren. Obwohl es zahlreiche Angebote für Menschen mit Migrationshintergrund gibt, werden die spezifischen Bedürfnisse von behinderten Menschen hier häufig nicht oder nur unzureichend berücksichtigt. Deswegen muss eine gute Vernetzung des fib mit Trägern, die Beratungs-, Unterstützungs- und Bildungsangebote für MigrantInnen machen, her. „Zum Glück sind wir da bisher auf offene Ohren gestoßen“, freut sich Mühling. „Gemeinsam können wir viel voneinander lernen und vorhandene Angebote quasi von beiden Seiten für Menschen mit Behinderung und Migrationshintergrund öffnen“.
Einer der ersten Kunden des Projektes ist Herr A., ein junger Journalist aus dem Irak, der infolge eines Unfalls querschnittsgelähmt ist. Als er Anfang dieses Jahres nach Deutschland einreiste, wurde er ungefragt in einem Altenheim untergebracht. Durch einen engagierten Rettungssanitäter, der inzwischen ein guter Freund geworden ist, bekam er drei Monate später Kontakt zum fib. Zu diesem Zeitpunkt war sein Aufenthaltsstatus noch ungeklärt, er hatte keine Krankenversicherung, keinen Rollstuhl und die Kosten für den Heimplatz wollte niemand mehr übernehmen. Zusammen mit den PiB-MitarbeiterInnen begann für Herrn A. ein Kampf durch den Behördendschungel, in dem er sehr viel Geduld und Durchhaltevermögen beweisen musste.
Eine Behörde lähmte die Nächste; mit so einem Fall kennt sich niemand aus und trotz der akuten Notlage lassen sich alle sehr viel Zeit. Die wenigsten waren bereit, mit dem jungen Mann, der fließend Englisch spricht, auf Englisch zu sprechen. „Es ist unmöglich, das alleine zu schaffen!“ sagt Herr A.
Trotz der engagierten Unterstützung durch den fib dauerte es noch weitere drei Monate, bis Herr A. einen geeigneten Rollstuhl bekam und endlich anfangen konnte, sich selbstständig zu bewegen. Inzwischen wohnt er in seiner eigenen Wohnung, in der er ambulante Hilfen bekommt und seinen Tagesablauf selbst bestimmen kann. Sobald seine gesundheitliche Situation es zulässt, möchte er einen Deutschkurs besuchen und sich um seine berufliche Zukunft kümmern.
Kontaktmöglichkeit: Hannah Mühling 0 64 21 – 1 69 67 13. Für den Raum Gladenbach: Manigé Danesch 064 62 – 9 16 98 16