Memorable Reminiszenz zum Frauenförderpreis 2012 der Philipps-Universität – oder vom Insistieren auf ‚Kneifzange‘ und Widerrede zur guten ‚Guten Fee‘
Marburg 18.12.2012 (yb) Die Verleihung des diesjährigen Frauenförderpreises an zwei Preisträgerinnen wurde als Festakt zu allerhand Redebeiträgen musikalisch garniert und hatte eine gemischte Gästeschar in die Alte Aula befördert. Eine Besonderheit war die Veranstaltung zur nunmehr 7. Verleihung – im zweijährigen Turnus seit 1998 – insofern als mit Tanja Pfeffer-Eckel und Waltraut Röder-Spangenberg erstmals zwei Frauen in ihrer beruflichen Eigenschaft als Nicht-Akademikerinnen, als Angehörige des technisch-administrativen Personals, geehrt wurden. Die vorhergehenden Preisträgerinnen, von denen mindestens zwei als Gäste teilgenommen haben, sind allesamt Wissenschaftlerinnen, meisten sogar Hochschullehrerinnen mit Professur. In 2002 sind zudem vier Studierende als Angehörige des AStA-Frauenreferats geehrt worden. So konnte zusammentreffen, dass unter den Gästen die vormalige Studentin und heutige Professorin Dr. Marita Metz-Becker weilte, die ihr geisteswissenschaftliches Studium an der Philipps-Universität in den siebziger Jahren aufnahm – und in 2008 selbst den Frauenförderpreis entgegen genommen hat – als die diesjährige Preisträgerin Waltraut Röder-Spangenberg ihren beruflichen Aufgaben und darüber hinausgehenden frauenbezogenen Engagements an dieser Unviersität bereits nachgegangen ist. Eine ebenso nette wie interessante Begegnung, in der sich gebotene wie sinnfällige Besinnung in der Kandidatinnenwahl artikuliert.
„Times they are a changin“ – es ist ein gutes Jahrhundert vergangen, seitdem Frauen offiziell, also akademisch Aufnahme und Einzug an der Philipps-Universität gefunden haben. Dass vieles passiert, besser verändert, geöffnet und gestaltet wurde, offenbart sich nicht alleine in Gender Lectures und Gender Studies, die in Marburg nunmehr zum Kanon gehören. Die Vita von Preisträgerin Röder-Spangenberg selbst ist höchst vielseitiger und starker Ausdruck. Ihre erste berufliche Qualifikation lautete und lautet ‚Industriekaufmann‘. Wie von Laudatorin Ulla Grochtdreis (Laudatio am Ende dieses Beitrags) beleuchtet wurde, beeindruckte dies Waltraut Röder-Spangenberg ebenso nachhaltig wie die Verhältnisse an der Marburger Uni, wo es noch jahrelanger Arbeit, gewerkschaftlichen Engagements und viel Einsatzes bedurfte, bis dann die ‚Kommission für Frauenförderung und Frauenforschung‘ eingerichtet wurde. All das ist längst Geschichte. Die Zeiten und Verhältnisse wurden geändert auch wenn der Slogan im Imperativ ‚Die halbe Uni den Frauen‘ bleibender und weiterhin erst noch zu erfüllender Auftrag ist.
Wie widerborstig die Verhältnisse sind, zeigte sich nicht alleine in unzureichender akustischer Übertragungstechnik bei der Festveranstaltung, bei der die vielen Rednerinnen hinter schlecht positionierten Mikrofon zu leise blieben, um vom Publikum gut verstanden werden zu können. Zur Berichterstattung hatte die Marburger Tageszeitung mit einer Anfängerin zugleich eine ‚Schlafsuse‘ entsendet. So mussten die Preisträgerinnen in der schlechten, gedruckten Berichterstattung zur Überschrift erhoben lesen, dass sie als „Gute Feen“ wirken würden.
„Ich war immer eine ‚Kneifzange‘ und bleibe es auch“ entfuhr es Waltraut Röder-Spangenberg spontan angesichts solch übel diskriminierender Verballhornung ausgerechnet in diesem Pressebericht. Ein deutlich korrigierender Leserbrief wurde geschrieben und veröffentlicht.
So zeigte die Veranstaltung des Frauenförderpreises 2012 wie wichtig er ist und wieviel Nachholbedarf es in der Gesellschaft immer noch gibt – bis hin zu einer unbedarften weiblichen Schreiberlingin.
Laudatio von Ulla Grochtdreis: Preisträgerin Waltraut Röder-Spangenberg
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste, liebe Waltraut Röder-Spangenberg
In diesem Jahr wird der Frauenförderpreis der Philipps-Universität ausdrücklich an Frauen vergeben, die sich um die Förderung der technisch-administrativ tätigen Frauen verdient gemacht haben. Beim Lesen des Ausschreibungstextes habe ich sofort an meine langjährige Kollegin und Freundin Waltraut Röder-Spangenberg als Preisträgerin gedacht.
Als eine der beiden Preisträgerinnen habe ich Ihnen heute eine außergewöhnliche Frau vorzustellen.
Waltraut Röder-Spangenberg wuchs in Kassel auf und begann 1966 ihre Ausbildung zum Industriekaufmann. Selbstverständlich ging in dieser Zeit der Chef davon aus, dass Fräulein Röder seine Kaffeetasse mitspült. Beim Widerstand dagegen „Ich spüle hier nicht!“ gab es keine Unterstützung.
Da es für ein unverheiratetes Paar noch unmöglich war, eine gemeinsame Wohnung zu bekommen, wurde aus Fräulein Röder 1971 Frau Spangenberg. Doppelnamen waren damals noch nicht üblich.
Um ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern, machte sie 1973 die Fortbildung zur Fremdsprachensekretärin.
Waltraut Röder-Spangenberg arbeitet seit 1975 als technisch-administrative Mitarbeiterin an der Philipps-Universität Marburg. Zuerst mit Fristverträgen im Bereich Hochschuldidaktik und ab Herbst 1975 in der Forschungsstelle für vergleichende Erziehungswissenschaft. Seit dem Frühjahr 1978 ist sie im Prüfungsamt für Diplom – Master – Promotion des Fachbereichs Erziehungswissenschaften beschäftigt.
Vehement setzte sich Waltraut bereits in der Forschungsstelle für die Entfristung der zahlreichen befristet beschäftigten Mitarbeiterinnen ein. Sie war diejenige, die in der Personalversammlung aufstand und die Problematik der befristeten Arbeitsverträge in der Forschungsstelle ansprach. Seit dieser Zeit ist sie mir im Gedächtnis.
Als Vertrauensfrau der damaligen Gewerkschaft ÖTV waren ihr die Belange der nichtwissenschaftlich beschäftigten Frauen besonders wichtig. Ein besonderes Thema waren die Benachteiligungen und die schlechte Eingruppierung der Angestellten im Schreibdienst. Zum Beispiel musste der Bewährungsaufstieg für Halbtagskräfte noch in der doppelten Anzahl von Jahren erarbeitet werden. Betroffen waren hier hauptsächlich Frauen.
Nachdem 1981 Waltrauts Sohn Boris geboren wurde, galt ihr weiterer Einsatz auch der Schaffung von Krippen- und Hortplätzen für die Kinder der Beschäftigten. Als alleinerziehende, berufstätige Mutter wusste sie worum es ging.
Waltraut Röder-Spangenberg nutzte neben der Gewerkschaftsarbeit die bestehenden Gremien um Einfluss zu nehmen.
So gehörte sie 10 Jahre in Folge dem Fachbereichsrat des Fachbereichs Erziehungswissenschaften an und war Nachrückerin im Personalrat. Sie arbeitete seit 1986 einige Jahre mit in der Projektgruppe ‚Entwicklung der Frauenforschung am Fachbereich Erziehungswissenschaften‘.
Nach langen Diskussionen wurde 1987 durch Beschluss des Konvents die „Kommission für Frauenförderung und Frauenforschung“ eingerichtet. Durch ihr bisheriges Engagement bekannt, wurde Waltraut Röder-Spangenberg als Vertreterin der Nichtwissenschaftlerinnen in die Kommission entsandt und arbeitete von Beginn bis zum Ende in der Kommission mit.
Liebe Waltraut,
hier konnte ich als Vertreterin des Personalrats in der Kommission selbst miterleben, mit welcher Vehemenz Du insbesondere die Belange der – damals noch – nichtwissenschaftlichen Mitarbeiterinnen vertreten hast. Du konntest eigene Erfahrungen einbringen und Maßnahmen vorschlagen, die zur Förderung geeignet sind. So warst Du an der Erstellung und Ausgestaltung des ersten Frauenförderplans maßgeblich beteiligt. Schließlich sollte doch die Halbe Uni den Frauen gehören – auch den Nichtwissenschaftlerinnen. Hier genügte es nicht, eine Quote einzuführen, sondern die Arbeitsbedingungen mussten verbessert werden.
Nachdem in der Kommission ausführlich über die Qualifikation von Frauen diskutiert worden war, und Weiterqualifikation, besonders für die Nichtwissenschaftlerinnen, als eine Chance des beruflichen Aufstiegs erkannt worden war, sah Waltraut auch für sich darin eine Möglichkeit.
Sie entschloss sich, neben ihrer Berufstätigkeit, zum Studium der Erziehungswissenschaft. Im Jahr 2005 hat Waltraut Röder-Spangenberg das Studium erfolgreich als Diplompädagogin abgeschlossen. Das Thema ihrer Diplomarbeit heißt „Lebensentwürfe von Witwen im Mittelalter“.
Überlegungen im Fachbereich, ihr nach dem Studium eine besser bezahlte Stelle geben zu können, wurden nicht realisiert.
Das Prüfungsamt behielt weiterhin seine qualifizierte und erfahrende Mitarbeiterin – jetzt sogar mit Hochschulabschluss, aber ohne entsprechende Vergütung.
Trotz alledem hat Waltraut im Engagement für andere nie nachgelassen und ist weiterhin eine wichtige Ansprechpartnerin bei Problemen.
Zum Abschluss der Ausstellung in der Universitätsbibliothek ‚Die halbe Uni den Frauen‘ konnte Waltraut Röder-Spangenberg beim Podiumsgespräch im Januar 2012 eindrucksvoll ihr vielfältiges Engagement darstellen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren. Es gäbe noch viel mehr zu berichten und erzählen.
In ihrem bisher 46 Jahre andauernden Berufsleben steht die Preisträgerin des diesjährigen Frauenförderpreises Waltraut Röder-Spangenberg beharrlich ihre Frau.
Ich halte das für sehr beeindruckend.