Hessens größtes Planetarium ab November 2024 wieder geöffnet

14.11.2024 (pm/red) Mit vielfältig intergalaktischen Programmen samt neuer Musikshow können Besucher in Hessens größtem Planetarium ab  1. November 2024 wieder zu fernen Galaxien reisen. Am 23. Oktober haben Wissenschaftsminister Timon Gremmels und Direktor Martin Eberle …

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Offenbarungen, Offenlegungen, Opportunitäten 2012 – Stadtpolitik in Marburg unter wachsendem Druck

Marburger_ThemenMarburg 20.12.2012 (yb) Der Termin der letzten Stadtverordnetensitzung haarscharf vor Weihnachten dürfte einer grundständigen Diskussion des Haushalts 2013 im Wege stehen. Damit endet des politische Jahr in der Universitätsstadt nicht gerade parlaments-, bürger- und transparenzorientiert. Und dies, obwohl der Haushalt 2013 bereits vor zwei Monaten von Kämmerer Egon Vaupel eingebracht worden ist. Dabei hat der Kämmerer hinzunehmen, dass seine Parteifreunde von der SPD mit dem Grünen Koalitionspartner mehr als 1,5 Millionen Investitionen für bezahlbaren Wohnraum zusätzlich eingestellt wissen wollen. Haushaltsplanung und gesellschaftlich-politische Wirklichkeit – sich zugleich in einer Reaktion der Rot-Grünen Mehrheit artikulierend – klafften also auseinander. Das Thema Wohnungsnot kann in Marburg nicht länger politisch ignoriert werden. Dafür haben außerparlamentarische Kräfte nicht wenig Einsatz gebracht.
Überhaupt ist in Marburg im Jahr 2012 vieles aufgebrochen und anders gelaufen als die ‚Regierenden‘ vor Ort es wollten und angegangen sind. Dies soll hier nicht alleine als Problem beschrieben werden. Neben einigen Vergegenwärtigungen will dieser Rückblick Gedanken zum ‚Wollen‘ und ‚Sollen‘, zum ‚Schein‘ und ‚Sein‘ und zum Scheitern politischer Anliegen, Versuchen und Gebaren präsentieren.

Marburg OrtsschildExakt vor einen Jahr wurde der Marburger Bürgerschaft das Ideenvorhaben für einen Schrägaufzug zum Schloss vom Oberbürgermeister präsentiert. Dazu wurde eine Millionenspende von Ehrenbürger Reinfried Pohl bekannt gegeben. Der Jahresanfang wurde dann durch eine Debatte um diese Millionenspende geprägt. Das Geld ist vereinnahmt. Der Schrägaufzug ist weiter Idee des OB. Ob er daran angesichts der verdrängten und erheblichen Wohnungsnot in Marburg festhalten kann, bleibt abzuwarten. In der ersten Jahreshälfte ist der Stadtkasse mit Geschwindigkeitskontrollen auf der Stadtautobahn eine neue Einnahmequelle in Millionenhöhe zugewachsen. Zu konstatatieren sind zwei positive Folgen. Es wird langsamer gefahren auf der vierspurigen Piste mit der Folge leicht sinkender Lärmbelastung und Marburg vereinnahmt so etwas wie eine ‚Lärmmaut‘ von Rasern. Immerhin.

Fragwürdige Personalpolitik für hauptamtlichen Magistrat

Eine lastende Debatte wurde um die von der SPD gewollte Teilzeitbeschäftigung für Dezernentin Kerstin Weinbach geführt. Das zudem als ‚familienorientierte‘ Initiative politisch verkaufte Vorhaben ist gescheitert. Wie von den bürgerlichen Kräften im Parlament von Anfang an bemängelt und herausgestellt, gibt es dafür keine Rechtsgrundlage. Damit ist auch die Personalpolitik von Oberbürgermeister Vaupel gescheitert. Nach längerer ‚Suche‘ zur Kommunalwahl, hat sich die erneute Nominierung von der bereits abgesagten Kerstin Weinbach als Fehldisposition erwiesen. Die Dezernentin arbeitet inzwischen mit deutlicher Stundenreduzierung. Der Oberbürgermeister und Bürgermeister mussten Dezernatsaufgaben von ihr übernehmen. Marburg erlebte eine fragwürdige Debatte. Stadtregierung hat derzeit nur noch zweieinhalb Dezernenten. Die zu bewältigenden Aufgaben sind gewachsen und großenteils ungelöst. Nach vorne weist in dieser Situation gar nichts.

Schild Marburg-RotGrünDie seitens der GRÜNEN in den Koalitionsvertrag gehiefte Absicht zur Errichtung von 12 neuen Windkraftanlagen ist zerstoben. Am Ende und im Ergebnis sachlich geführte Standortklärungen und Diskussionen (ohne die Ergebnisse noch ausstehender Windmessungen) haben bereits klar werden lassen, dass allenfalls deutlich weniger, vielleicht vier, neue Windräder in Zukunft die Horizontlinie von Marburger markieren werden. Schrägaufzug mit Millionenspende, Dezernentinnendebatte verknüpft mit Gewichtungsfragen im hauptamtlichen Magistrat und Windkraftanlagen waren zugleich der Humus für handfesten Koalitionskrach. Dies führte annähernd zur Handlungsunfähigkeit der Rot-Grünen Marburger Mehrheit. Über Monate wurde nicht miteinander gesprochen, gab es keine Abreden und Initiativen. Diese Agonie scheint beendet.

Diskussionen um Altenpolitik ohne konkrete Maßnahmen

Öffentlich ausgetragene Kontroversen zwischen GRÜNEN und SPD wurden auch über die Orientierung in der Altenpolitik geführt. Als ‚Scheinfrage‘ wurde diskutiert und gegeneinander ausgespielt, ob es weiter(e) Großeinrichtungen als Altenheime geben soll oder ob quartiernahe Angeboten zum betreuten Wohnen zu schaffen sind. Nachdem OB Vaupel die diesbezüglichen Aufgaben als Dezernent übernommen hat und Bereitschaft für Quartierorientierung signalisierte, ist zunächst Ruhe eingekehrt. Getan ist damit noch nichts. Konkret gebaut und saniert diesbezüglich wurde und wird lediglich von zwei privaten Trägern, jeweils in bestehenden Großeinrichtungen.

Zig-Millionen-Investition Stadthalle verabschiedet

Als Schwerpunktmaßnahme zuallermeist in finanzieller Betrachtung soll die Marburger Stadthalle saniert, ausgebaut und modernisiert werden. Dafür sind derzeit rund 27 Millionen Euro als Teilbausumme veranschlagt. Dem vorweg sind jahrelange Überlegungen und Planungen mit fragwürdigen Zahlenjonglierereien gegangen. Ein Aspekt dabei war und ist die vermeintliche Frage von Bruttopreis (mit 19 Prozent Mehrwertsteuer) oder falscher und unmaßgeblicher Nettopreisbetrachtung. Kommunen müssen Mehrwertsteuer entrichten ohne sie wie Unternehmen als Vorsteuer erstattet zu bekommen. Bauherrin für die Stadthalle ist die Stadt Marburg. Damit fällt in allen Rechnungen auch die Mehrwertsteuer an. Im Stadtparlament mussten Zuhörer erleben, wie geradezu freihändig mit Brutto- und Nettozahlungen jongliert wurde. Das Motive solch unseriösen Gebahrens wurden offenbar. Netto ist weniger, annähernd 20 Prozent. So lassen sich hohe Zahlen scheinbar nach unten drücken. Und es ließen sich beobachtbar unbedarfte Stadtverordneten Sand in die Augen streuen.

Planansicht StadthalleDerzeit sind für das städtische Großvorhaben der nächsten Jahre rund 27 Millionen Investionen veranschlagt. Diese können und werden nicht reichen. Das steht fest. Hinzukommen später weitere Millionenkosten für die gewollte und notwendige Umfeldgestaltung. Zwischen Hörsaalgebäude und dem neuen Erwin Piscator-Haus soll ein Platz gestaltet werden. Das ist ebenso vernünftig wie geboten. Es wird jedoch weitere Millionen erfordern. Ausgeklammert hat man die Frage und Kosten des Baus einer möglichen Tiefgarage in diesem Bereich. Das hat kurze Beine, wo zudem im nahe gelegenen Campus Firmanei mit neuer Bibliothek kein einziger Parkplatz geschaffen wird. So gehört nicht viel dazu vorher zu sagen, dass das Stadthallenprojekt noch um viele Millioen Euro teurer werden wird und mit der Hypothek einer defizitären Verkehrsplanung in der Stadtmitte angegangen wird. Erfahrungen andernorts, ob Flughafen Kassel-Calden, Flughafen Berlin-Brandenburg, Stuttgart 21 oder Elbphilharmonie in Hamburg, müssen skeptisch machen. Marburg soll eine schöne neue Stadthalle bekommen und wird auf Jahre mit blockiertem Investitionsetat leben müssen. Zudem drohen Nachfinanzierungen in Millionenhöhe.

Klagen über Investorenhörigkeit in der Stadtpolitik nehmen zu

So hielt es die Mehrheit im Stadtparlament im Vorgriff auf den erst noch zu verabschiedenden Haushalt 2013 für geboten und unausweichlich deutliche Gebührenerhöhungen für die Bestattung, die Parkraumbewirtschaftung und die Nutzung der städtschen Bäder zu beschließen. Die Bürgerinnen und Bürger werden in der extrem wohnungsteuren Stadt Marburg also zu Kasse gebeten. Zugleich leistet sich Marburg den niedrigsten Hebesatz bei der Gewerbesteuer im Vergleich der Sonderstatusstädte (über 50.000 Einwohner) in Hessen. Es braucht nicht die Fähigkeiten eines Sehers um einschätzen zu können, dass eine Anhebung des Hebesatzes der Gewerbesteuer unabweisbar ist und von Kämmerer Vaupel samt seiner Koalition nicht mehr lange verdrängt und vertagt werden kann. Die Stadt lässt sich angesichts sprudelnder Gewinne bei mehreren Großunternehmen im Pharmabereich und bei der DVAG jährlich eine mögliche Steuerentnahme von mehreren Millionen Euro entgehen. Das wird sich politisch, insbesondere sozialpolitisch, mit Blick auf notwendige teure Angebote zur Kindebetreuung, für alte Menschen und die krasse Wohnungsnot nicht länger begründen und durchhalten lassen.

Die anhaltend rege Bautätigkeit in der Stadt steht längst in dem schlechten Ruf einer vorhabenbezogenen Bauleitplanung. Letztes Beispiel dafür ist der verkürzt firmierende Bebauungsplan ‚Deutscher Sprachatlas‘ zu den Vorhaben der Universität auf dem jetzigen Brauereiparkplatz. Deutliche Bedenken und Kritik dazu hat die IG MARSS artikuliert. Angesichts einer (bewußt) fehelenden Gesamtsicht und Politik zur Stadtplanung und -entwicklung wird auf Zuruf von Investoren projekt- und allenfalls quartierbezogen Baurecht geschaffen. Dies gilt für öffentliche Investoren – Land Hessen und Universität – ebenso wie für Private, die im Wohnungsbau seit Jahr und Tag vom Baulöwen Schreyer angeführt werden. Die Möglichkeiten des Paragrafen 34 Baugesetzbuches finden in Marburg extensive Anwendung und Umsetzung. Zugleich fehlt es an Geist, Kraft und politischem Willen für die sich entwickelnde Stadt Ziele und Vorgaben zu benennen und formulieren. Im Ergebnis findet man sich mit den lukrativen Vorhaben und jeweiligen Architektenentwürfen der Akteure ab. Politik kapituliert vor Bauherreninteresse, setzt allenfalls marginal ausgelegte Rahmenbedingungen. Die Folgen für das Große und Ganze bedenkt man nicht. Dies artikuliert sich sogar im eigenen Großprojekt Stadthalle.

So darf man mit Interesse der morgigen letzten Sitzung der Stadtverordneten in diesem Jahr entgegenblicken. Der inzwischen geänderte und fortgeschriebene Haushalt für 2013 wird zunächst diskutiert und dann verabschiedet. Dabei kommen alle politischen Strömungen und Parteien zu Wort und können ihre Vorstellungen darlegen. Zumindest die Wohnungsnot in dieser Stadt ist dabei offenbar und opportun (gemacht) worden.

 

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