Stadtverordnetenversammlung: Marburger Haushalt 2013 wird verabschiedet
Marburg 21.12.2012-Livebericht ab 16.10 Uhr (yb) Nach der Begrüßung durch Stadtverordnetenvorsteher Heinrich Löwer gibt dieser bekannt, dass der beantragte Akteneinsichtsausschuss zu den Versicherungen der Stadt Marburg in Gestalt des Haupt- und Finanzausschusses am 22. Januar vor dessen ordentlicher Sitzung die Arbeit aufnehmen wird. Danach wird die Tagesordnung der heutigen Abschlusssitzung in 2012 festgestellt. Aussprachen wird es lediglich zum Punkt 5
‚Investitionsprogramm der Universitätsstadt Marburg für die Haushaltsjahre 2012 bis 2016, Haushaltssatzung und Stellenplan der Universitätsstadt Marburg für das Haushaltsjahr 2013 – 2. Lesung und Beschlussfassung‘
geben. Dem geht zunächst die ‚Aktuelle Stunde‘ mit Beantwortung von Fragen der MandatsträgerInnen an den Magistrat (30 Minuten lang) vorweg.
Vor Eröffnung der Aussprache über den Investitionsplan 2012 -2016 und Haushalt 2013 erstattet Steffen Rink Bericht für den maßgeblichen Haupt- und Finanzausschuss: Dem Entwurf des Haushalts ist mehrheitlich mit den Stimmen von SPD und GRÜNEN zugestimmt worden. Änderungsantrage von Seiten der anderen Fraktionen sind mit derselben Mehrheit im Ausschuss abgelehnt worden.
Als erster Redner nimmt dann Steffen Rink als Fraktionsvorsitzender der SPD Stellung zum Haushalt 2013 im Druckumfang von 836 Seiten. Er wolle nicht die Vielzahl der Vorgaben und Vorlagen des Haushalts selbst kommentieren, sagt Rink. Stattdessen lohne ein Blick auf die diesbezüglichen Anträge und Vorschläge von Seiten der Opposition, legt er dar. Angesichts fehlender Vorschläge kritisiert er in zeitlichen Vorfeld der letzten Wochen artikulierte Ablehnungen von Seiten der CDU. Es fehle ihm an Kontinuität und Konstruktivität in verschiedenen Themefeldern, ob Klimaschutz oder Bau von Sporthallen. Zur Fraktion Marburger LINKE wolle er nicht auf deren Vorschläge zur Erhöhung des Gewerbesteuerhebesatzes eingehen. Die Marburger Linke würde suggerieren, das die Stadt Marburg in der Lage sei Nichtleistungen des Bundes und des Landes zu kompensieren.
Der Haushalt habe ein hohes Volumen mit über 199 Millionen Euro im Ergebnishaushalt und sei Ausdruck soliden zukunftsorientierter Orientierung der Rot-Grünen Mehrheit.
Philipp Stompfe als Fraktionsvorsitzender der CDU bemängelt eingangs eine fehlende finanzpolitische Solidität im Haushalt, die sich in einer Kreditaudfnahme von rund 18 Millionen Euro artikuliere. Die im Vorfeld abgelehnten Änderungsanträge der CDU hätten eine Reduzierung der Kreditaufnahme auf nur noch 2,5 Millionen zur Folge gehabt. Stompfe kritisiert den Vorredner und dessen Unterlassung auf den Haushalt selbst einzugehen. Zudem habe Rink es versäumt auf die Änderungsanträge der SPD einzugehen. Stompfe spielt damit auf die von Rot-Grün zusätzlich gewollten 1,5 Millionen an. Dafür gebe es kein Konzept.
Stompfe erläutert Anträge der CDU und kritisiert eine Verweigerung der Rathauskoalition vor der Verkehrspolitik, in deren Rahmen die Schaffung von Parkraum in der Innenstadt unabdingbar sei. Am Beispiel des vorgeschlagenen Baus einer Tiefgarage versucht er aufzuzeigen, dass die zustimmende Position des Oberbürgermeisters bei SPD und GRÜNEN nicht mehrheitsfähig sei.
Angela Dorn spricht für die Fraktion der GRÜNEN. Sie fragt nach substantieller Kritik aus den Reihen der Opposition. Der Haushalt sei unbedingt zustimungswürdig inklusive der Schwerpunktinvestitionsmaßnahme Stadthalle. Hilfreich sei ein Blick zu anderen Kommunen, die gerade unter den ‚Rettungsschirm‘ des Landes gegangen seien, um ihre Finanzen zu konsolidisieren. Wenn die CDU Haushaltssolidität beanspruche, sie ein Blick zur drastisch angewachsenen Verschuldung des Landes Hessen im zurückliegenden Jahrzehnt hilf- und aufschlussreich. Davon sei man in Marburg sehr weit entfernt. Die Stadt prosperiere, was sich in der Zunahme etwa von sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen artikuliere. Sozial Schwache würde in Marburg nicht abgehängt. Dorn kritisiert die klimaschutzpolitische Verweigerung der CDU.
Für die Marburger Linke spricht Jan Schalauske. In kommenden Haushalt werde auf dem Weg von Gebührenordnungen den BürgerInnen in die Taschen gegriffen, kritisiert er. Dann versucht er zu veranschaulichen, dass die Ursachen in der Finanzkrise in Europa auch Marburg betreffen, indem vor Ort die ungleiche Verteilung von Einkommen sich fortsetze. Ausdruck dafür sei der in 2008 abgesenkte Hebesatz der Gewerbesteuer. Davon würden die Großunternehmen profitieren, während der Stadt seit Jahren zugleich Millionenbeträge entgehen würden, sagt Schalauske. Daher komme es, dass die Stadt Millionenbeträge per Kreditaufnahme finanzieren müsse. Die zuvor behaupteten Zuwächse von sozialvesicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen seien in keiner Weise qualifiziert aufgezeigt worden. Es gebe auch in Marburg zu viele prekäre Beschäftigungsverhältnisse, in denen zu niedrige Löhne bezahlt würden. Weiterer Ausdruck verfehlter Politik sei das Fehlen bezahlbaren Wohnraums in Marburg. Zumindest sei von Rot-Grün der Betrag von 1,5 Millionen Euro zur Schaffung bezahlbaren Wohnraums noch eingebracht worden. Dies werde seine Fraktion unterstützen. So gebe es an einigen Stellen vernünftige Impulse, wenngleich insgesamt es an Mut und richtiger Orientierung fehle. Daher werde der Haushalt abgelehnt.
Torsten Sawallies spricht für die FDP. Er wünscht eine Live-Berichterstattung von den Sitzungen der Stadtverordneten, um interessierten Bürgern Einblick und Transparenz zu eröffnen. Das Bauvorhaben Stadthalle lehnt er angesichts bereits gestiegener Planungskosten und zu erwartender Kostensteigerungen ab. Hier drohe ein anschwellendes Millionengrab. Notwendig sei stattdessen eine solide und vollständige Planung. Dazu gehöre etwa die Einbeziehung einer Tiefgarage in diesem Bereich. Dazu komme, dass es im Haushalt an Bemühungen um Einsparungen fehle, wobei vorhergehend durch die Millioneninvestitionen für die Stadthalle andere Projekte verdrängt und verschoben würden.
Wichtig sei eine kritische Würdigung des ‚Konzern Stadt Marburg‘ der unter kritische Beobachtung zu stellen sei. Nach seinen Vorstellungen soll die Stadtentwicklungsgesellschaft (SEG) aufgelöst werden, was unter anderem ein Geschäftsführergehalt einsparen würde. Zudem hält Sawallies die gezahlten freiwilligen Leistungen der Stad an freie Träger inzwischen als deutlich zu hoch. Marburg liege hier an der Spitze in Hessen. Die FDP wolle Schulden abbauen, um Spielräume für die Zukunfte zu erhalten, erläutert der FDP-Sprecher die Maxime seiner Kritik. Der Oberbürgermeister lasse seit zwei Jahren die Vorlage eines ausgeglichenen Haushalts vermissen. Dann artikuliert der Liberale Anerkennung für die vorgebliche Idee des Oberbürgermeisters den Blick auf Marburg im Jahr 2027 zu richten, wozu unter anderem die Bundesgartenschau nach Marburg geholt werden soll. Die FDP werden den Haushalt 2013 allerdings ablehnen.
Für die Marburger Bürgerliste (MBL) spricht Hermann Uchtmann. Er vergegenwärtigt zurückliegende Fehler und Fehlleistungen der Regierungskoalition, wie die „unselige“ Dezernentinnendebatte, Koalitionskrach und das Fehlen von Stadtplanung im Umgang mit Bauherrren und Investoren. Die von Seiten der LINKEN und anderen thematisierte Wohnungsfrage sei zurecht als Problem auf die Tagesordnung gekommen und habe Rot-Grün veranlasst 1,5 Millionen Euro für Wohnraum aufbringen und nachfinanzieren zu wollen. Der Haushalt 2013 sei so angelegt, dass eine Erhöhung der Gewerbesteuer unabwendbar werde, wovon der Oberbürgermeister bereits gesprochen habe. Stattdessen flüchte man in überflüssige vermeintliche Zukunftsprojekte, die mit dem hier und heute solider Kommunalpolitik nichts zu tun hätten.
Für die Bürger für Marburg (BfM) spricht Andrea Suntheim-Pichler. Sie kritisiert die Planungen für die Stadthalle, wo teure und am Standort deplazierte Räume für das KFZ eingeplant seien. Das soziokulturelle Zentrum könne und sollte besser auf dem Waggonareal untergebracht werden. Die BfM sprechen sich gegen die 100.000 Euro für Windkraftmessungen aus. Gewerbetreibende seien in Marburg tragende Säulen. Deswegen sei sie gegen die Erhöhung der Gewerbesteuer, wie von der LINKEN gefordert. Eine ordentliche Lohnpolitik sei vielversprechender. Die Haushaltsprobleme würden nicht auf der Einnahmen- sondern auf der Ausgabenseite liegen. In Marburg fehle es an konkreter Orientierung und Politik mit einer handlungsunfähigen Koalition, die vom Oberbürgermeister gerettet werden müsse. Beispiel dafür sei die unterentwickelte und lange strittige Altenpolitik, der es an Konzepten mangele. Bei der Einzelhandelsentwicklung kritisiert sie teure Gutachten, die folgenlos bleiben und einer systematischen Stadtentwicklung nicht zuträglich würden. Das Konzept für das Einkaufszentrum in der Gutenbergstraße sei als gscheitert anzusehen.
Stadtverordneter Sascha Klee verzichtet auf seinen Redebeitrag und der Stadtverordnetenvorsteher vergegenwärtig den Stand der Redezeiten. Die dann beginnende zweite Runde von Debattenbeiträgen wird hier nicht berichterstattet. Über Wesentliches wird in der morgigen Nachbetrachtung berichtet.
Nach Ende des zweiten Durchgangs mit Redebeiträgen verschiedener Stadtverordneter ergreift Kämmerer und Oberbürgermeister Egon Vaupel das Wort. Er legt sein Einverständnis zum Wunsch nach Vereinnahmung höherer Steuern in Deutschland dar. Es könne sein, dass in Marburg es zukünftig notwendig werde Gewerbesteuern und Grundsteuer zu erhöhen. Bis heute sei „Marburg allerdings mehr als gut gefahren“, meint Vaupel. Es gebe „mit Sicherheit in Marburg Probleme mit preiswerten Wohnraum und mit barrierefreien Wohnraum.“ Dies sei allerdings nicht in der Innenstadt zu lösen. Dazu drohe, dass dem Landkreis strukturelle Probleme bereitet würden. „Wir werden die Umgebung entleeren“ sagte Vaupel wörtlich. Zudem habe eine Befragung ergeben, dass aktuell (drei Monate nach Semesterbeginn!) es keine wohnungssuchenden Studenten in Marburg gebe.
Die vorgetragene Anregung einer Translozierung des KFZ statt in die Stadthalle in den Waggonhallenbereich wäre ein falscher Weg. Der OB wendet sich gegen die vorgetragene Ansicht in Marburg könnten kostenfreie Parkplätze angeboten werden. Dies sei ein Irrweg. Neue Schulden müssten im Haushalt 2013 gemacht werden, weil die Kommune in zunehmenden Fällen für teure Reparaturmaßnahmen, etwa an Schulen, in Anspruch genommen werde.
Vaupel hält Philipp Stompfe einen Rechenfehler vor. Dieser glaube eine Reduktion der Nettokreditaufnahme auf 2,5 Millionen Euro mit den CDU-Vorschlägen realisieren zu können. Zudem müssten Schulden im konsumptiven Bereich (Ergebnishaushalt) von solchen für Investitionen unterschieden wären. Der derzeitige Niedrigzins spreche für das Großvorhaben Sanierungsmodernisierung Stadthalle.
Der Kämmerer vergegenwärtigt, dass in zurückliegenden Jahren erhebliche Schuldenreduzierungen geleistet worden sind. Der Saldo sei von 98 Millionen auf 28 Millionen Euro gesenkt worden. In 2012 seien Kreditaufnahmen in Höhe von rund 20 Millionen Euro geplant gewesen, in der Haushaltswirklichkeit seien jedoch keine Kredite aufgenommen worden.
Für Marburg sei eine Betrachtung als „Insel der Glückseligen“ durchaus zutreffend, was sich als deutliches positives Ergebnis Rot-Grüner Politik bezeichnen lasse.
Nach der recht knapp bemessenen Rede des Oberbürgermeisters lässt der Stadtverordnetenvorsteher die aus der Vorberatung im Haushalts- und Finanzausschuss ausliegenden Vorlagen im Rahmen des Haushalts für 2013 abstimmen. Neben dem Haushaltsplan 2013 als Gesamtwerk gibt es eine Zahl von Einzel- und Detailanträgen, die mit unterschiedlicher Stimmgewichtung Zustimmung und Ablehnung finden.
Im Anschluß wird der Haushalt 2013 abschnittweise abgestimmt. Dabei findet der zugehörige Stellenplan die Zustimmung aller Stadtverordneten. Der Haushalt wird mit den Stimmen von SPD und GRÜNEN verabschiedet.
Die Live-Berichterstattung wird um 20.45 beendet.