Mittelalter-Urkunden des Marburger Lichtbildarchivs nach Digitalisierung online recherchierbar
Marburg 26.12.2012 (yb) Ob die Digitalisierung von Werken und Leistungen menschlicher Kultur und die voranschreitende Orientierung von Menschen zur internetbasierten digitalen Kommunikation dem individuellen und organisierten Lern- und Erkenntnisfortschritt schlechterdings zuträglich sein werden, wird in kommenden Zeiten zu übersehen und beurteilen sein. Derzeit sind viele Akteure und Protagonisten, ob Private mit kommerziellen Interessen oder Öffentliche mit wissenschaftlichen Anliegen, nach wie vor munter damit beschäftigt überlieferte Werke zu digitalisieren. Dies geschieht unter Anwendung mehrerer Methoden. Grundlegend ist oftmals die Erstellung fotografischer Abbildungen als Digitalisate. Diese können als Abbildungen in digitaler Weise übermittelt werden. Eine andere Weise der Digitalisierung ist das Einlesen von Texten, zum Beispiel von älteren literarischen Werken, etwa Romanen. Mittels Einsatz von OCR-Software (OCR Optical Character Recognition = Texterkennung) werden diese als Textdokumente digital lesbar und editierbar.
An der Philipps-Universität wurde jetzt die Digitalisierung eines Archivbestandes abgeschlossen. Es handelt sich um das ‚Lichtbildarchiv älterer Originalurkunden‘. Die Erfassung der darin enthaltenen Urkunden wurde seit dem Jahr 2006 durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft finanziell gefördert. Bis zum Jahr 2012 wurden inklusive Nachantrag rund 250.000 Euro Fördermittel zur Verfügung gestellt. Auf Grundlage der mehrjährigen Förderung standen eine halbe Mitarbeiter- und zwei halbe studentische Hilfskraftstellen zur Verfügung. Aufgabenstellung war es, die Abbildungen und die entsprechenden zugehörigen Findmittel zu digitalisieren und in eine Datenbank zu überführen. Mit Abschluss der Digitalisierung und Entwicklung einer Datenbank mit online-basierter Nutzeroberfläche, steht der komplette Bildbestand Interessierten via Internet zur Verfügung.
Das Marburger ‘Lichtbildarchiv älterer Originalurkunden’ (LBA) gilt als weltweit größte Sammlung maßstabsgetreuer Photographien mittelalterlicher Urkunden. Sie wurde Ende der 1920er Jahre von dem Marburger Historiker Edmund E. Stengel aufgebaut. Die Sammlung des LBA umfasst über 13.000 Urkunden, die in etwa 44.000 Abbildungen festgehalten sind. „Da die Originale über ganz Europa verstreut in Archiven liegen, konnten manche zentrale Fragestellungen der Urkundenforschung bislang ohne erheblichen Aufwand nur im Marburger Lichtbildarchiv bearbeitet werden, das das verstreute Material zusammenführt“, erklärt der heute hier tätige Historiker Professor Andreas Meyer. Er leitet das Archiv. Nun könne jeder vom heimischen Lehnstuhl aus die Urkunden einsehen, meint Professor Meyer, was die Redaktion von das Marburger. veranlasst hat, dies zu testen – mit Erfolg.
Mittelalterliche Urkunden besitzen über ihren Inhalt hinaus durch die äußere Gestaltung, die Schrift, die graphischen Symbole und die Siegel eine hohe Bedeutung für die wissenschaftliche Interpretation und historische Einordnung. So verfolgte Archivgründer Stengel die Idee, die Urkunden gewissermassen als Denkmäler des Mittelalters zu sammeln, zu erforschen und der Wissenschaft zugänglich zu machen. Die jetzt dafür geschaffene Online-Datenbank soll die Suche nach Aussteller, Empfänger, Angaben zu Druck oder Regest als Zusammenfassung des Urkundeninhalts, Ausstellungsort sowie weiteren Kriterien eröffnen. Das Projekt wurde Kooperation mit dem renommierten Quellenwerk ‚Regesta Imperii‘ (RI) zur gegenseitigen Verlinkung von Regest und Urkundenbild deutscher König- und Kaiserurkunden umgesetzt.Neben Historikern, denen für ihre Arbeiten allerorten jetzt eine leicht zugängliche Zusammenführung der Bestände zur Verfügung steht, dürften Archive und Archivare mit dem Projekt zufrieden sein. Ob Historiker oder thematisch und ortsgeschichtlich Forschende, oftmals sind Archivbesuche mit dem Anliegen auf Einsicht in Originalurkunden verbunden. „Aus archivalischen Gründen“ – gemeint Schutz der Originale – sind solche Begehren nicht selten abgelehnt worden. So kann die Digitalisierung eine Entlastung des Schutzes sehr alter und wertvoller Urkundenbestände eröffnen. Allerdings gibt es diesbezüglich noch sehr viel zu tun und zu fördern. Die jetzt online zugänglich gemachten 13.000 Urkunden sind lediglich ein Kernbestand.