Stadtverordnete erörtern Zuwegung zum Schloss und Wohnungsnot
Marburg 26.1.2013 (yb) Zur ersten Stadtverordnetensitzung in 2013 lag eine kompakte Tagesordnung vor. Nach den Regularien wurden zwei Dringlichkeitsanträge eingebracht und abgestimmt, die nicht die erforderliche Mehrheit von 40 Stimmen fanden. Als Tagesordnungspunkt 5 wurde der jährliche Bericht des Kinder- und Jugendparlaments eingebracht. Mehrere VertreterInnen machten in ihren lebendigen Berichten die vielfältigen Aktivitäten des Kinder- und Jugendparlaments anschaulich, was von allen Stadtverordneten mit kräftigem Applaus quittiert wurde.
Dann wurde der CDU-Antrag ‚betr. Zuwegung zum Schloss‘ debattiert. Philipp Stompfe (CDU) versuchte als erster Redner darzulegen, dass dieser Antrag von großer Bedeutung für die zukünftige Entwicklung der Stadt sei. Es gehe um das Schloss und seine Umgebung und die Tourismusförderung der Stadt. Zweck sei nicht die stärkere Einbeziehung des Schlossbereichs in die Busverbindungen der Stadt. Vielmehr gehe es um die Idee des Oberbürgermeisters zum Bau eines Schrägaufzugs, die von der CDU unterstützt würde. Zudem wäre mit einem Schrägaufzug eine Stärkung der Oberstadt verbunden. Der Idee sei nicht abträglich, dass diesbezüglich eine Spende von vier Millionen Euro von Dr. Reinfried Pohl an die Stadt gegeben worden sei. Stompfe verweist auf verschiedene Meinungen in dieser Frage und meinte, dass die Mehrheit der Marburger BürgerInnen einen Schrägaufzug befürworte.
Henning Köster (Fraktion Marburger Linke) sagte als nächster Redner, dass er auch fünf, sechs, sieben Marburger kennen würde, die einen Schrägauszug befürworten. Eine bessere Anbindung des Schlosses sei wünschenswert, ein Schrägaufzug sei dafür entbehrlich. Er verwies auf viele Probleme beim öffentlichen Personennahverkehr im Stadtgebiet. In überfüllten Busse, mit verringerten Taktzeiten und andere Problemen würde in ärgerlicher Weise anschaulich, dass der Busverkehr stiefmütterlich behandelt wäre. Wofür in Marburg Geld ausgegeben werde, sei daher die entscheidende Frage. Zudem würde der Weg zu Fuß zum Schloss als Erlebnis mit reizvollen Blicken auf die Stadt entwertet, meinte Köster. Eine deutliche Verbesserung des ÖPNV in Marburg sei in jedem Fall wichtiger als ein Schrägaufzug.
Für die GRÜNEN bestätigte Marco Nezi das Schloss als ‚Top-Location‘ und ‚Boom-Faktor‘ in der Stadt. Doch hinauf zum Marburg Schloss gebe es viele Wege. Dazu gehörten mit Blick auf die nutzenden Menschen mit Handicaps viele Stolpersteine, besonders in der Landgraf-Philipp-Straße. Abhilfe könne dort ein begradigter Mittelstreifen schaffen, der in gepflasterter Ausführung andernorts in der Altstadt längst üblich sei. Dazu komme derzeit eine schlechte Ausleuchtung. Die bestehende Busanbindung zum Schloss würde rege genutzt. Die Taktzeiten der Schlossbuslinie könnten durchaus erhöht werden. Zudem sollten andere Wege hinauf – bis hin zur Ludwig-Bickell-Treppe – verbessert werden. Eine Prüfung müsse ergebnisoffen sein, weshalb eine Festlegung auf einen bestimmten Verkehrsträger (Schrägaufzug) nicht richtig wäre.
Stadtverordneter Gerald Weidemann (SPD) erläuterte, dass der Antrag der CDU zunächst in den Reihen von Rot-Grün Erstaunen ausgelöst habe. Doch freue man sich, wenn die CDU mal eine gute Idee aufgreife. Man werde dem Antrag zustimmen. Es gehe jedoch um die umfassende Erreichbarkeit des Schlosses, was als ergebnisoffene Prüfung anzugehen sei.
Für die Marburger Bürgerliste vergegenwärtigte Reinhold Becker, dass vor einem Jahr die Debatte über die Millionenspende geführt wurde. Dabei habe der Oberbürgermeister mitgeteilt, dass es rechtlich nicht möglich sei, die Vier-Millionen-Spende für einen Schrägaiufzug verwenden. Er könne in dem Vortrag von Philipp Stompfe keine Ergebnisoffenheit wahrnehmen. Zudem frage er sich, ob ein Schrägaufzug zum Schloss das Problem sei, mit dem man sich in Marburg zu beschäftigen habe. Es sei geboten auf die Wirklichkeit zu schauen, es gebe hinreichend Probleme für die Menschen und sei der Unterhaltungszustand vieler Straßen im Stadtgebiet.
Oberbürgermeister Vaupel erklärt, dass die im CDU-Antrag gewollte Prüfung ergebnisoffen sein müsse. Er verwies auf die beauftragte Potentialstudie zur weiteren touristischen Entwicklung von Marburg, in der das Schloss samt Museumsnutzungen untersucht werden, weil darin ungenutzte touristische Ressourcen lägen. Der OB verwies auf eine Initiative des Seniorenbeirats aus 2012, in der ein Schrägaufzug begrüßt würde.
Die Abstimmung ergab Zustimmung von SPD, CDU und GRÜNEN.
Zum nächsten Tagesordnungspunkt zur Großen Anfrage der Marburger Linken betr. ‚Wohnungsversorgung in Marburg‘ vergegenwärtigte Jan Schalauske die in der letzten Zeit immerhin gewachsene Aufmerksamkeit zu diesem Thema. Die Ergebnisse auf diese Anfrage, wie auch die Anfrage der GRÜNEN zum ‚Wohnraum für sozial Benachteiligte‘, würden eine sehr angespannte Lage im Wohnbereich deutlich machen. dies veranlasse zur Frage, welche Vorhaben für die Zukunft es geben würde und was in der Vergangenheit unternommen worden sei.
In den Jahren 2006 bis 2010 seien ausweislich des Berichts, lediglich 496 neu Wohnungen geschaffen worden. Der öffentliche Wohnungsbestand in Marburg habe einen Anteil von etwa 15 Prozent, darunter die GeWoBau vertreten mit lediglich 7 Prozent. Der Anteil der Städtischen Wohnungsbaugesellschaft sei damit zu niedrig, um einen wirksamen Einfluss ausüben zu können. Es würden weitere Daten und Untersuchungen benötigt, um qualifizierte Aussagen treffen und Maßnahmen planen zu können.
Für die GRÜNEN sagt die Stadtverordnete Marion Messik, dass mit Beantwortung der Anfragen eine gute Grundlage geschaffen worden sei. Allerdings bedürfe es fundierter Grundlagen, um wirksame Maßnehmen verwirklichen zu können. Es gebe einen signifikanten Wohnungsmangel in Marburg, der von privater Bautätigkeit nicht aufgefangen worden sei.
Für sie sei fraglich, ob eine Sozialquote im Wohnungsbau als Belegungsquote hilfreich sein werde. Dies erfordere städtische Zuschüsse. Dann erscheine es ihr es sinnvoller unmittelbar durch die städtische Wohnungsbaugesellschaft in Neubau zu investieren. Dazu solle es Sanierungen und Modernisierungen und Sanierungen im Wohnungsbestand geben. Für eine Bedarfsdeckung im Bereiche barrierefreier Wohnungen seien Neubauten gefragt, weil dies im Bestand baulich meist nicht möglich sei. Alle Maßnahmen müssten im Auge haben, dass in der Innenstadt Wohnraum benötigt würden, wie zugleich die Außenstadtteile attraktiv gehalten werden müssten.
Ulrich Severin (SPD) gab zu bedenken, dass es in den Außenstadtteilen außer wenigen Privatangeboten keine relevanten Mietwohnungsbau gebe. Bei Neubaumaßnahmen müsse verstärkt auf barrierefreies Bauen Wert gelegt werden, um zukünftig dem wachsenden älteren Bevölkerungsanteil gerecht werden zu können. Aus den Berichten ergebe sich, dass niemand aus Einkommensgründen seine Wohnung in Marburg aufgeben müsse. Es gebe in Marburg einen sehr geringen Anteil von obdachlosen Personen, etwa 30 Personen. Benötigt für die Zukunft werde eine Förderung des sozialen Wohnungsbaus durch Bund und Land, die in den letzten Jahren nahe zu zum Erliegen gekommen sei.
Von den bürgerlichen Fraktionen gab es keinen Redebeitrag.
Oberbürgermeister Vaupel meinte, es sei kaum noch zu ertragen, dass ein oder zwei Personennamen immer wieder genannt würden (gemeint Schreyer, Pohl). Es stimme nicht, dass es keine Aktivitäten geben würde. Er verwies auf einen ‚Runden Tisch‘ zur Wohnraumsicherung und Aktivitäten der städtischen GeWoBau. Zutreffend sei, dass neuer Wohnraum, insbesondere barrierefrei, in der Innenstadt benötigt werde. Es könnten nicht alle Wohninteressen in der Innenstadt befriedigt werden. Wenige Kilometer weiter gäbe es Leerstände. Die für 2013 eingestellten 1,5 Millionen Euro würden bereits Wirkung zeigen. Er sei dankbar, dass von dem Studentenwerk im Anwesen Ritterstraße 13 – nach zwischenzeitlichem Leerstand – wieder als Wohnraum für Studierende mit Förderung der Stadt hergestellt werde.
Längst wolle man auf den wenigen vorhandenen Grundstücken in der Innenstadt Wohnraum schaffen. Mit Investoren für größere Projekte müsse verhandelt werden, um bezahlbaren Wohnraum entstehen zu lassen. Dazu werde es unumgänglich, dass die Stadt mit Zuschüssen fördere. Es gebe eine Wohnungsbaupolitik der Stadt Marburg mit der GeWoBau gewichtigen Akteur. Wenn es private Investitionen im Wohnungsbereich der letzten Jahre nicht gegeben hätte, wäre die Lage in Marburg viel dramatischer. In einigen Monaten werde es einen Sozialbericht geben. Zu konstatieren sei eine Abnahme der Bevölkerung in den letzten Jahren in Marburg ausweislich der städtischen Statistik. Die städtische Prognose der Einwohnerentwicklung aus dem Jahr 2003 habe sich exakt bestätigt, meinte der OB.