Soziale Kälte statt Soziale Stadt – Förderende für den Richtsberg in Marburg
Marburg 8.3.2013 (yb) Im Rathaussaal Marburg: Einige Mitarbeiterinnen, viele ehrenamtliche Projektbeteiligte, Bewohner, Bürgermeister, Oberbürgermeister, dazu Infomaterial und eine gerahmte Urkunde. Zusammenkunft an einem spätwinterlichen Vormittag zur Übergabe der Urkunde, die in Berlin bereits Wochen zuvor ausgehändigt wurde.
Jetzt ging es um das Aushändigen an die Betroffenen vor Ort, Bewohner von Marburgs ‚Trabantenstadt‘, dem Richtsberg auf den Lahnbergen. Eine Ehrung also, wobei die Urkunde für einen Anerkennungspreis ohne Geld steht.
Ohne Geld steht ab Dezember 2013 auch das ganze Projekt da, weil die Mittel für Projektförderung im Rahmen des Programms ‚Soziale Stadt‘ gekürzt und gekappt worden sind. In Berlin, von der Bundesregierung.
In Marburgs größtem Stadtteil, der ‚Großsiedlung‘ Richtsberg, leben rund 9.000 Menschen, unter ihnen viele Migranten. Die Bürgerinitiative für Soziale Fragen (BSF) arbeitet und kümmert sich dort um die Menschen. Sie ist zusammen mit anderen Initiativen und Institutionen Teil eines sozialen Netzwerks und hat die Initiative ‚Helfende Hände am Berg‘ ins Leben gerufen. Darin arbeiten – ehrenamtlich – seit vier Jahren 20 BewohnerInnen und kümmern sich um ‚Haushaltsnahe Dienstleistungen und Unterstützung für Ältere und Pflegebedürftige am Richtsberg‘. Sie leisten konkrete Unterstützung und Begleitung für Menschen mit unterschiedlicher kultureller, sozialer und religiöser Herkunft. Es geht um praktische Dinge des Lebens wie Einkaufen, Hilfe im Haushalt, beim Anziehen und Essen, und das quartiernah.
Das kommt gut an, die Helfenden Hände sind gefragt und beliebt. Und es verdient und braucht finanzielle Unterstützung aus dem Programm ‚Soziale Stadt‘. Nachdem die Mittel dieses Programms seit mehreren Jahren bereits gekürzt wurden, kommt jetzt nach vier Jahren ganz das Aus. Es wird keine Förderung mehr geben, die erneut zusammengestrichenen Mittel des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung leisten keine Förderung mehr von Projekten, wie die ‚Helfenden Hände‘.
Doch auf dem Richtsberg soll und muss es weitergehen mit den Angeboten und der Arbeit. Das mitzuteilen, bemühten sich Oberbürgermeister Vaupel und Bürgermeister Kahle und wussten sich dabei einig mit Beteiligten: Karin Ackermann-Feulner, Geschäftsführerin des BSF mit der Urkunde, Pia Gattinger als Quartiersmanagerin Soziale Stadt und Susanne Hofmann, Koordinatorin vom Fachbereich Kinder, Jugend und Familie.
Es fehlen noch die Bewohner und Betroffenen, die sind zu Wort gekommen in der Zusammenkunft und berichteten eindrucksvoll. Shaima Ghafury sprach aus Sicht der Projektkoordination, Thomas Falsett und Hasar Kallas-Ganay als ‚Helfende Hand am Berg‘. Aus Sicht von Angehörigen, die Dienste in Anspruch nehmen, erzählte Michael Junk.
Am nächsten Tag – heutzutage kommuniziert es sich schnell – versuchte Marian Zachow als Landratskandidat der CDU zu Wort zu kommen. Er habe bereits Kontakt aufgenommen, darunter zu Minister Peter Ramsauer vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS), beeilte sich Zachow, zugleich Mitglied der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), zu verlautbaren. Also etwas heiße Luft zur in Berlin längst beschlossenen Kappung, Gütesiegel soziale Kälte.
Ramsauer (CSU) ist schließlich der Bundesverkehrsminister. Aus seinem Haus kommt Geld für Fernstraßenbau, sei es ein 50 Millionen-Euro-Tunnel zum riskanten Weiterbau der A49 bei Schwalmstadt-Frankenhain. —>Aber das ist eine andere Geschichte.