viva piazza fridericianum – Stricken, Stricken, Stricken bis zum 8. März

22.12.2024 (yb) Viele, sehr viele 50 x 50 cm große gestrickte oder gehäkelte Decken sollen den Friedrichsplatz am 8. und 9. März bedecken und werden anschließend zu Gunsten des Autonomen Frauenhauses Kassel versteigert.

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Multiple Sklerose: Betroffenheit und Perspektiven für junge chronisch Kranke

Sie waren zum Welt-Multiple-Sklerose-Tag am 29. Mai mit Inofrmationsstand am Marburger Bahnhof präsent: in der hinteren Reihe Christina Schick, links, Helga Pfeiffer, Ingrid Mertins und vorne links Bernd Gökeler und Thomas Diels.

Sie waren zum Welt-Multiple-Sklerose-Tag am 29. Mai mit Informationsstand am Marburger Bahnhof präsent: in der hinteren Reihe Christina Schick, links, Helga Pfeiffer, Ingrid Mertins, Iris Langenfeld und vorne Bernd Gökeler, links, und Thomas Diels. Foto nh

Marburg 1.6.2013 (pm/red) Teilhabe erfordert Veränderungen, wenn Inklusion nicht zur Worthülse verkommen soll. So lässt sich verallgemeinernd formulieren, was Anliegen der Selbsthilfegruppe von Menschen mit der lebenslangen Krankheit Multiple Sklerose ist, sie im Alltag belastet und ihnen immer wieder durch den Kopf geht. Wenn Menschen im jungen Erwachsenenalter die Diagnose einer unheilbaren chronischen Erkrankung erreicht, ist für sie erst einmal Nichts mehr wie es war. Der Gedanke mit Multiple-Sklerose (MS), einer neurologischen Erkrankung, leben zu müssen ist ein Schock. Alle Lebenspläne, alle Normalität wird erst einmal aus den Angeln gehoben. Diese Schockstarre gilt es dann zu überwinden, eine neue Normalität muss erkämpft werden. Weil MS, die Erkrankung der 1.000 Gesichter und der 1.000 Ausprägungsformen, fortschreitet, wird daraus ein stetiges, lebenslanges Ringen. Fragen der Berufsausbildung, des Arbeitslebens, der Partnerschaft und der Familienplanung sind bei jüngeren Betroffenen davon besonders berührt. Eion Stück weit Einblick für Außenstehende in die Betroffenheiten soll dieser Beitrag geben.  

Barrierefreiheit beim Wohnen und für Mobilität

Um neue Lebensperspektiven  entwickeln zu können, braucht es Akzeptanz und Unterstützung von der Familie, von Freunden, von Lehrern und Mitschülern, von Arbeitgebern und Arbeitskollegen und von der Gesellschaft. Wenn die körperlichen Behinderungen im Krankheitsverlauf zunehmen, sind auch ganz viele praktische Dinge nötig. Es geht um  barrierefreien Zugang zu möglichst allen Gebäuden, flächendeckende barrierefreie Mobilität ist wichtige und vor allem natürlich verfügbare barrierefreie Wohnungen. Weil der Kreis der Betroffenen in späteren Jahren oftmals krankheitsbedingt von kleinen Erwerbsminderungsrenten leben muss oder auf soziale Grundsicherung angewiesen ist, muss dies alles auch bezahlbar sein oder werden.

So kostet eine Fahrt mit dem Behindertenfahrdiens von Marburg nach Marburg-Moischt etwa das 100fache einer Busfahrkarte. Diese kurze Fahrt kostet mehr als ein Billigflieger nach Griechenland oder Mallorca. Ohne langfristige Vorbestellung ist es dabei überhaupt nicht möglich einen Behindertenfahrdienst zu nutzen. Für manches Wochenende ist – mangels Fahrzeugen und Angebot – selbst bei mehrwöchiger Vorbestellung nichts zu machen. Viele Chronisch Kranke können aber nicht Woche voraus planen, einfach weil sie nicht wissen ob sie an diesem Tag dann auch fit genug sind.

300 Anträge auf Sozialwohnung in Marburg

Allein in der Stadt Marburg liegen beim Wohnungsamt aktuell etwa 300 vergebliche Anträge von Menschen mit Behinderung und von Senioren auf eine Sozialwohnung vor. Dies ist eine enorm große Zahl von Menschen, die nicht auf die Außenbezirke und -stadtteile verwiesen werden können. Denn sie benötigen einfachen, direkten und  barrierefreien Zugang zur Infrastruktur jeglicher Art. Es geht darum, dass möglichst wenig auf – zudem meist kostenpflichtige – Hilfe angewiesen zu sein. Vorrangig und grundlegend ist das Leben in barrierefreie Wohnraum sowieso, die Menschen sind davon abhängig und dringend angwies.

Im Gesundheitswesen muss chronisch kranken Menschen wieder das zukommen, was an Hilfsmitteln und Rehabilitationsmaßnahmen notwendig ist. Der Anspruch auf einen zweiten Rollstuhl oder auf die Genehmigung einer Reha sollte die Betroffenen nicht zwingen, diesen vor dem Sozialgericht einklagen zu müssen. Jede zusätzliche Belastung und Form von negativem Stress verschlechtert bei MS-Kranken den Gesundheitszustand. Wegen grundlegender Versorgungsbedürfnisse zum Bittsteller degradiert zu werden, gar eine Klage vor Gericht durchfechten zu müssen,  ist daher dem Wohlbefinden keinesfalls zuträglich.

Krankheit und Behinderung machen arm

Krankheit bzw. Behinderung ist eines der größten Armutsrisiken in Deutschland. Zur Last der körperlichen Einschränkung kommt also oft auch noch die finanzielle Misere. Wenn junge Menschen mit einer chronischen Erkrankung  immer wieder aufs Neue die Kraft aufbringen Lebensperspektiven zu entwickeln, dann muss die Gesellschaft, der Staat die Rahmenbedingungen schaffen, damit die praktische Umsetzung dieser grundlegenden persönlichen Wünsche und Ziele auch möglich wird, wie es für Gesunde ohne Diskussion ganz selbstverständlich ist.

weltMStag-2013Den Welt-Multiople-Sklerose-Tag am Mittwoch, den 29. Mai, hat die Multiple-Sklerose Selbst-Hilfe-Gruppe Marburg-Biedenkopf zum Anlass an einem Infostand vor dem Bahnhof in Marburg über die Erkrankung Multiple-Sklerose und Ihre Folgen und über ihre eigene Selbsthilfe-Arbeit zu informieren. Aus Anlass der feierlichen Einweihung der Bahnhofshalle in Marburg in Anwesenheit von Bahnchef Rüdiger Grube, Bundestagsabgeordneten Sören Bartol und Marburgs Oberbürgermeister Egon Vaupel und vieler anderer Politiker, ist es den MS-Kranken ein besonderes Anliegen gewesen Hinweise auf die meistens nicht barrierefreie verkehrstechnische Infrastruktur und die kaum bezahlbaren Kosten der Behindertenfahrdienste.

„Für die Teilhabe in der Gesellschaft ist die Veränderung dieser Gegebenheiten, auch in der Stadt Marburg, den Bahnhof mit eingeschlossen, und dem Landkreis Marburg-Biedenkopf, hin zu einer für ALLE zugänglichen Lebenswelt zwingend, Inklusion bleibt ansonsten eine leere Worthülse“, artikulierte der Gruppenleiter der Multiple Sklerose Selbsthilfegruppe Marburg-Biedenkopf Bernd Gökeler anlässlich des Infostandes am 29. Mai.

Hintergrundinformation

Die Selbsthilfegruppe trifft sich jeden 2. Donnerstag im Monat um 15 Uhr im Bürgerhaus Marburg-Moischt. Es geht darum Informationen aus allen Lebensbereichen auszutauschen und auch gemeinsam ein wenig Spaß zu haben. Die Arbeit in verschiedenen Gremien der Behindertenhilfe/Sozialverbände wird von der Selbsthilfegruppe begleitet. Von eingeladenen Referenten werden Informationen vorgetragen über Therapien, Hilfsmittel und das Sozialrecht. Schließlich werden im rollstuhlgerechten Reisebus Ausflüge unternommen. Ein Stammtisch gibt es jeden letzten Donnerstag im Monat ab 18 Uhr an wechselnden Orten. Betroffene, Angehörige und Interessierte sind zu beiden Terminen herzlich eingeladen.
Kontakt: MS-SHG-Marburg (at) public-files.de
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