Veränderungen im Marburger Land – Der Landesarchäologe Schallmayer geht und die Zeiteninsel entsteht
Marburg 15. 6.2013 (yb) Nicht alleine in der Stadt Marburg sind in Gestalt von baulichen Großprojekten insbesondere der Philipps-Universität deutliche Veränderungen angesagt. Auch im Marburger Land tut sich vieles. So ist Hessens größte Biogasanlage im Ebsdorfergrund entstanden und der Verkehr von Marburg nach Süden rollt auf dem Lückenschluss der Bundesstraße 3 längst vierspurig. Das ging nicht ohne Eingriffe in die Landschaft. Ein imposantes 300 Meter langes Brückenbauwerk überspannt die Lahn weiträumig in einem Bereich der Lahnebene, wo seit vielen Jahren großflächig Kies abgebaut wird. Die Kulturlandschaft ist dort unübersehbaren Eingriffen ausgesetzt. Wegen dieser Eingriffe waren und sind Ausgleichsmaßnahmen wie die ‚ParAllna‘ geschaffen worden, eine Kilometer lange gewässerorientierte Auengestaltung.
Eng verknüpft mit weiträumigem Straßenbau und großflächigem Kiesabbau gab und gibt es archäologische Grabungen, bei denen es zahlreiche Spuren und Funde aus gleich mehreren Abschnitten frühgeschichtlicher menschlicher Siedlungsvergangenheit zu dokumentieren und bergen galt. Landschaftseingriffe und archäologische Funde bis hin zu vorgeschichtlichen Siedlungsspuren im Marburger Land werden zukünftig in einem besonderen und weitreichenden Bau- und Kulturprojekt gewürdigt. Mit Millionenförderung durch das Land Hessen entsteht die ‚Zeiteninsel‘ bei Weimar-Argenstein als Archäologisches Freilichtmuseum.
Die ‚Zeiteninsel‘ mit fünf rekonstruierten Zeitstationen vom germanischen Gehöft bis zu einem Lager mittelsteinzeitlicher Jäger und Sammler vor etwa 11.000 Jahren verdankt sich wesentlich der Arbeit und dem konzeptionellen Wirken des scheidenden Hessischen Landesarchäologen Prof. Dr. Egon Schallmayer. Dieser war seit 1995 Direktor des Römerkastells Saalburg und ist seit 2001 Hessens Landesarchäologe. Die paläontologischen und archäologischen Bodendenkmäler in Hessen gehören zu seiner Zuständigkeit. Die Bodendenkmalpflege samt ihrer musealen Vermittlung hat Schallmayer neu strukturiert und als ‚hessenARCHÄOLOGIE21‘ neu formuliert.
Seit 2012 ist dies in einer Neuorganisation der Landesarchäologie in Hessen wirksam, in der Tätigkeitsfelder zur Wahrnehmung behördlicher und hoheitlicher Aufgaben als Träger öffentlicher Belange, Inventarisation, Prospektionen und Ausgrabungen, Betreuung und Verwirklichung von Großprojekten, Restaurierung, Fundverwaltung, Forschung, Publikationswesen sowie museale Vermittlung strukturiert sind.
Auf seine Initiative wurde das Museum der Keltenwelt mit sensationellen keltischen Funden (Keltenfürst) am Glauberg erbaut und 2011 eröffnet. Zu dem Römerkastell Sababurg und der Keltenwelt Glauburg entsteht mit der ‚Zeiteninsel‘ nunmehr ein dritter Baustein für das Dezentrale Archäologische Landesmuseum. Dazu wurden im Zuge vorgeschriebener Ausgleichmassnahmen bereits auf einem von kleinen Wasserläufen umflossenen Gelände westlich von Weimar-Argenstein eine Landschaftsmodellierung geleistet. Auf den gut drei Hektar Fläche soll nunmehr der weitere Ausbau vollzogen werden, Geschichte lebendig und Ausdruck finden in Gestalt von vorgeschichtlichen Bauwerken und Gehöftanlagen.
Im Marburger Land befindet sich dafür eine übergreifende kommunale Trägerschaft als Genossenschaft im Gründungsprozess. Diese Genossenschaft will den Betrieb organisieren und gewährleisten. Darauf aufbauend sind von der Landesregierung finanzielle Mittel in Höhe von 4,8 Millionen Euro bereitgestellt worden. Der Förderantrag wurde kürzlich vor Ort in Anwesenheit des Landesarchäologen Schallmayer an die Wissenschaftsministerin übergeben. Schallmayers Amtszeit endet jetzt am 15. Juni. So wurde ihm die Ehrenmitgliedschaft im ‚Förderverein Zeiteninsel‘ vom Vorsitzenden Dr. Andreas Tiedmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Außenstelle Marburg, übergeben.
Dem Reformer der hessenARCHÄOLOGIE mit ihrem breit gefächerten Aufgabenspektrum und Herausgeber des renommierten Jahrbuches hessenARCHÄOLOGIE Prof. Dr. Egon Schallmayer ist zum Abschied in der Alten Aula in der Universität Marburg ein wissenschaftliches Kolloquium gewidmet. Am 5. Juli sollen die zeitlichen Epochen und Themen, über die er während seiner Zeit als Landesarchäologe und Saalburgdirektor wissenschaftlich gearbeitet und publiziert hat, in Vorträgen anschaulich werden.
Die ‚Zeiteninsel‘ im Marburger Land als lernorientierte und touristische Einrichtung wird freilich noch einige Zeit bis zur Fertigstellung ihrer baulichen Gestalt brauchen. Den zahlreichen passierenden Radfahrern auf dem Lahntalradweg wird der Ausbau nicht entgehen.