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Das Freilichtmuseum Zeiteninsel als besondere Attraktion mit großem Einzugsbereich – Ein Gespräch mit Ministerin Eva Kühne-Hörman

dbau0606-Zeiteninsel-OrtsterminMarburg 19.6.2013 (yb) In der ersten Juniwoche hat die Hessische Ministerin für Wissenschaft und Kunst, Eva Kühne-Hörmann (CDU), zusammen mit dem Landesarchäologen Prof. Egon Schallmayer die ‚Zeiteninsel’ besucht. Am Ortsrand von Weimar-Argenstein entsteht in Gestalt der ‚Zeiteninsel’ ein dritter musealer Baustein für das ‚Dezentrale Archäologische Landesmuseum’ in Hessen. Dafür werden in der nächsten Zeit Millionen aus dem Landeshaushalt investiert. Während zugleich beinahe allerorten Ebbe herrscht in öffentlichen und kommunalen Kassen, engagiert sich das Land Hessen im Lahntal südlich von Marburg für den Aufbau einer neuen kultur-touristischen Einrichtung. Über Hintergrund, Zusammenhänge und Perspektiven dieser Unternehmung mit weitreichenden Ambitionen haben wir ein Gespräch mit der Ministerin geführt:

Redaktion: In Weimar-Argenstein im Lahntal entsteht die ‚Zeiteninsel‘ als Teil eines größeren Ganzen,  Frau Ministerin Kühne-Hörmann. Was verbirgt sich hinter dem ‚Dezentralen Archäologischen Landesmuseum‘, wovon in Weimar/Lahn ein Teilbaustein im Entstehen ist?
Kühne-Hörman: Das ‚Dezentrale Archäologische Landesmuseum‘ sieht die Präsentation vor- und frühgeschichtlicher Epochen in Hessen jeweils an Originalschauplätzen vor.

Redaktion: Wer ist der Urheber des Konzepts eines dezentralen Archäologischen Landesmuseum und welche Überlegungen stehen dahinter?
Kühne-Hörman: Der jetzt in den Ruhestand getretene Prof. Dr. Egon Schallmayer hat bei seinem Amtsantritt als Landesarchäologe vor zehn Jahren damit begonnen, die Bodendenkmalpflege und die damals hinzu gekommene museale Vermittlung sowie übergreifende Dienste auf der Grundlage seines Konzepts „hessenARCHÄOLOGIE21“ neu zu strukturieren. Während es in anderen Bundesländern Archäologische Landesmuseen gibt, fehlt ein solches in Hessen – wenn auch in den Landesmuseen Darmstadt und Kassel entsprechende Abteilungen bestehen und das Römerkastell Saalburg jährlich Zehntausende Besucher anzieht. Da lag die Idee nahe, Einrichtungen mit besonderen Schwerpunkten weiterzuentwickeln, auszubauen und zu vernetzen.

Redaktion: Was sind die Vorteile diesbezüglicher Dezentralität und wie wird sie organisiert? Museen und insbesondere archäologische Präsentationen bedürfen nun einmal wissenschaftlicher Begleitung und Unterlegung.
Kühne-Hörman: ,Dezentrales Archäologisches Landesmuseum‘ heißt nicht, dass wissenschaftliche Begleitung und Betreuung fehlten. Sie ist selbstverständlich an allen Standorten gegeben und wird von den in Hessen tätigen Archäologen intensiv wahrgenommen. Den Vorteil dieses Konzepts sehe ich darin, dass an jedem Standort eine andere historische Epoche in den Blick genommen wird. Sie kann dann umfassender dargestellt werden, als das in einem Museum der Fall ist, in dem die Ausstellung einen Überblick über alle Perioden der Vor- und Frühgeschichte gibt.

Keltenfuerst-am-Glauberg-dbau0520Redaktion: Welche Bausteine, wie viele, zählt das ‚Dezentrale Archäologische Landesmuseum‘ in Hessen und wie ist es um die bisherigen Einrichtungen ‚Saalburg‘ im Taunus und ‚Glauberg‘ in der Wetterau bestellt?
Kühne-Hörman: Im Römerkastell Saalburg – Archäologischer Park bei Bad Homburg wird die Epoche der Römer präsentiert. Die Keltenwelt am Glauberg im Wetteraukreis thematisiert die keltische Zeit. Beide Einrichtungen ergänzen sich bestens. Sie gehören, was die Besucherzahlen angeht, übrigens zu den erfolgreichsten Museen in Hessen. Im Kontext des ,Dezentralen Archäologischen Landesmuseums‘ soll die Zeiteninsel nun die Vorgeschichte beleuchten.

Redaktion: Gibt es (bereits) Überlegungen oder Planungen für weitere Bausteine an anderen Orten Hessens über die Zeiteninsel hinaus?
Kühne-Hörman: Ideen und Wünsche gibt es immer – aber sicherlich möchte sich auch die Nachfolgerin beziehungsweise der Nachfolger von Prof. Schallmayer einbringen.

Redaktion: Was sind die Merkmale in der Konstruktion? Vom Land wurden und werden die (wesentlichen) Investitionskosten übernommen. Zieht sich das Land dann ganz zurück?
Kühne-Hörman: Das Land beabsichtigt, den Aufbau des Freilichtmuseums mit 90 Prozent der geschätzten Kosten zu fördern, das sind rund 4,8 Millionen Euro. Das Freilichtmuseum soll dann durch die Genossenschaft dauerhaft betrieben werden.

Redaktion: Wie schätzen Sie die Situation und Perspektiven der ‚Zeiteninsel‘ ein, Frau Ministerin?
Kühne-Hörman: Die Zeiteninsel hat geographisch gesehen einen großen Einzugsbereich. Sie erweitert das touristische Angebot mit einer ganz besonderen Attraktion, denn ein Freilichtmuseum dieser Art gibt es hier bisher nicht. Meines Wissens ist auch nirgends in der näheren oder weiteren Umgebung eine derartige Anlage geplant. Letztlich wird es nicht zuletzt auch vom Marketingkonzept der Genossenschaft abhängen, das Interesse potentieller Besucher zu wecken.

Redaktion: Sie haben bei der Übergabe des Förderantrags von der Genossenschaft Zeiteninsel an Sie am 6. Juni 2013 durch Bürgermeister Eidam aus Weimar das dort praktizierte neue Modell des Betriebs durch eine interkommunale Genossenschaft beschrieben. Was ist neu, worum geht es und worauf kommt es an?
Kühne-Hörman: Eine Genossenschaft ist nach juristischem Verständnis der Zusammenschluss natürlicher oder juristischer Personen, die ein gemeinschaftliches Ziel verfolgen. Sie kann daher auch sozialen oder kulturellen Zwecken dienen, wie es hier in Weimar-Argenstein der Fall ist. Für die Zeiteninsel haben sich Gemeinden, der Landkreis und vor allem ein privater Förderverein zusammengeschlossen. Da sich die Genossenschaft weiter entwickelt und jederzeit neue Genossenschafter beitreten können, wird sich der Kreis der Träger in den nächsten Jahren noch deutlich erhöhen lassen. Das ist das eigentlich Neue an dem Konzept: dass Kommunen, ein Förderverein und Privatpersonen hier gemeinsam agieren.

Redaktion: Sehen Sie besondere Anforderungen oder Risiken für den kommenden Betrieb der ‚Zeiteninsel‘ und wie sollte damit umgegangen werden? Dabei geht es nicht alleine um die beachtliche Fördersumme von 4,8 Millionen Euro. Neue Wege sollen ja nun einmal erfolgreich gegangen werden, zugleich sind hier ‚Anfänger‘ am Werk. Erfahrungsgemäß lässt Begeisterung vom Anfang nach, wenn sich die ‚Mühen der Ebene‘ einstellen.
dbau0606-Eva-Kuehne-HoermanKühne-Hörman: Die Zeiteninsel wird als archäologisches Museum den gleichen Anforderungen und Risiken ausgesetzt sein wie alle anderen musealen Standorte in Hessen. Hier stehen natürlich zunächst die wissenschaftlichen Leiter in der Pflicht, ein attraktives Konzept zu entwickeln, gute Führungen anzubieten und öffentlichkeitswirksam Werbung zu betreiben. Dass bei der Zeiteninsel ‚Anfänger‘ am Werk seien, weise ich aber zurück. Neu ist zwar die Art der Trägerschaft. Da der Förderverein aber eng an die hessenArchäologie angebunden ist und außerdem Wissenschaftler den Aufbau begleiten, ist der notwendige Sachverstand vorhanden – und der kennt durchaus auch die ‚Mühen der Ebene‘.

Redaktion: Welche Hinweise und Bedingungen oder Spielregeln werden vom HMWK und von Ihnen als Ministerin der Zeiteninsel und den Akteuren der Genossenschaft auf den Weg gegeben? Bedarf es neben der Zeichnung von Anteilen durch kommunale Partner, wie der Gemeinde Weimar, der Universitätsstadt Marburg und durch den Landkreis Marburg-Biedenkopf weiterer Sicherheiten oder Absicherungen, um letztlich finanzielle Risiken abzufedern und einen langfristig orientierten Aufbau und nachhaltigen Betrieb zu gewährleisten?
Kühne-Hörman: Das Konzept ist darauf ausgelegt, dass sich auch interessierte Bürgerinnen und Bürger an der Genossenschaft beteiligen. Dann ist der nachhaltige Betrieb sichergestellt. Da ich immer wieder feststellen kann, wie engagiert sich die Menschen in Hessen für ihr historisches und kulturelles Erbe einsetzen, betrachte ich die Zeiteninsel als eine große Chance, dieses Bewusstsein in der Öffentlichkeit weiter zu intensivieren. Außerdem werden die erforderlichen Grundstücke von der Gemeinde bereitgestellt.

Redaktion: Sie haben beim Termin auf der ‚Zeiteninsel‘ mitgeteilt, dass mit dem Finanzministerium die Finanzierung abgestimmt und gesichert sei und dass damit die Auszahlung für zu vergebende Aufträge gewährleistetet seien. Der eigentlich Aus- und Aufbau der ‚Zeiteninsel‘ rückt damit in Sichtweite. Was wird dort in Zukunft stattfinden? Welche Eigenarten wird die ‚Zeiteninsel‘ haben und durch wen soll sie genutzt und bespielt werden?
Kühne-Hörman: Die Fördermittel für die Zeiteninsel sind ab diesem Jahr im Landeshaushalt etatisiert. Somit kann von Seiten des Landes mit dem Bau begonnen werden, sobald die anderen Beteiligten die notwendigen Vorleistungen erbracht haben und die Förderung bewilligt wurde. Markenzeichen dieses Freilichtmuseums werden die 1:1-Rekonstruktionen von Gebäuden verschiedener urgeschichtlicher Epochen sein. Besonders wichtig ist dabei, dass bei jedem Gebäude das Umfeld entsprechend der für die jeweilige Zeitstufe charakteristischen Weise gestaltet wird. Der Besucher wird also nicht nur die Gebäude selbst begehen können, sondern gleichzeitig auch deren natürliches Umfeld erleben, wie die Archäobotaniker es heute rekonstruieren können. Das bietet nach meiner Kenntnis kein anderes Freilichtmuseum.

dbaz0909_0010 Holzkonstruktion HausbauRedaktion: Was sind nach Ihrer Einschätzung die besonderen Stärken und Pluspunkte für die ‚Zeiteninsel‘?
Kühne-Hörman: Das sind, wie gesagt, die Rekonstruktionen der Häuser in natürlicher Größe und vor allem die entsprechende Ausgestaltung ihres Umfelds.

Redaktion: Es hat in der Vergangenheit bereits die Kommunalisierung Hessischer Staatsbäder, wie Bad Wildungen oder Bad Nauheim, gegeben. Will und soll sich das Land Hessen aus der Verantwortung für Kunst und Kultur oder Bäderbetrieb zurückziehen? Worum geht es?
Kühne-Hörman: Das Land Hessen wird sich selbstverständlich nicht aus der Verantwortung für Kunst und Kultur zurückziehen. Die Landesregierung pflegt und wahrt vielmehr das historische und kulturelle Erbe Hessens. Das heißt aber nicht, dass in wirtschaftlich schwierigen Zeiten nicht auch neue Wege gesucht und gegangen werden müssen, um dieses oft auch sehr teure Erbe zu erhalten.

Redaktion: Wenn es nicht um eine Kommunalisierung von Lasten geht, worum geht es dann? Steckt in der Dezentralität eine Chance, soll damit Regional- und Strukturförderung geleistet werden?
Kühne-Hörman: Die struktur- und regionalpolitischen Erfolge, die etwa mit den Einrichtungen des ,Dezentralen Archäologischen Landesmuseums‘ verbunden sind, sind in der Tat beachtlich: Die Keltenwelt am Glauberg und das Römerkastell Saalburg haben sich zu ganz besonderen Besuchermagneten entwickelt und damit nicht zuletzt auch für neue Arbeitsplätze gesorgt. Der Wetteraukreis präsentiert sich heute touristisch sogar als „ArchäologieLandschaft“. Für Weimar-Argenstein, das per se womöglich kaum Touristenziel wäre, bietet ein Freilichtmuseum wie die Zeiteninsel sicher einen ganz besonderen Anziehungspunkt für Besucher.

dbaz0909_0001 Fuehrung ZeiteninselRedaktion: Wird die ‚Zeiteninsel‘ bestehen können, nicht zuletzt gegen die Vielzahl und Vielfalt anderer Einrichtungen? Sie kommen aus Kassel, wo es die Museumslandschaft Hessen-Kassel gibt.
Kühne-Hörman: Wenn ich mir die holländischen und flämischen Meister ansehen möchte, fahre ich von Wiesbaden nach Kassel-Wilhelmshöhe. Wenn ich mich über die Römer informieren will, fahre ich von Fritzlar auf die Saalburg, und wenn mich Paläontologie interessiert, besuche ich vom Vogelsberg aus die Grube Messel. Insofern besteht keine Konkurrenz zwischen den einzelnen Häusern, vielmehr wird das Kaleidoskop der Museen um eine besondere Facette bereichert. Das vielfältige Angebot in Hessen ist gerade in seiner Dezentralität dazu geeignet, immer wieder und immer mehr Menschen zu einem Besuch in den verschiedenen Regionen des Landes anzuregen.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Ministerin.

Fotografien von Hartwig Bambey © 2012/2013
Eine Vorstellung der Zeiteninsel gab es bereits zum Tag des offenen Denkmals im Jahr 2012. das Marburger. hat darüber mit vielen Fotos berichtet. Dazu haben wir ein Gespräch mit dem Vorsitzenden des Fördervereins Zeiteninsel, dem Archäologen Dr. Andreas Tiedman, geführt –  ein Interview zum Hören. —>Illustrierter Bericht von der Zeiteninsel im September 2012.

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