viva piazza fridericianum – Stricken, Stricken, Stricken bis zum 8. März

22.12.2024 (yb) Viele, sehr viele 50 x 50 cm große gestrickte oder gehäkelte Decken sollen den Friedrichsplatz am 8. und 9. März bedecken und werden anschließend zu Gunsten des Autonomen Frauenhauses Kassel versteigert.

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Mensch achte den Menschen – Ein historischer Beitrag zum Thema „Sterbehilfe“

HadamarGastbeitrag von Ursula Wöll
Am 13. Januar 1941, vor 73 Jahren, begannen die „Euthanasie“-Morde in Hadamar bei Limburg. Einer der grauen Gekrat-Busse mit den überstrichenen Scheiben transportierte 30 Menschen auf den Mönchsberg. In der Durchgangsanstalt Eichberg, einer von vielen, hatte man sie zum Einsteigen gezwungen. Auf dem Mönchsberg angekommen, fuhr der Bus direkt in die große Holzgarage. Die Frauen und Männer mussten aussteigen und durch den angeschlossenen Gang in das Gebäude nebenan laufen, wo sie angeblich untersucht werden sollten. Nach ihrer Registrierung ging es die 16 Treppenstufen hinab in den Vergasungsraum zum „Duschen“. Ihre Leichen fuhr man nach der Entlüftung auf einer Lohre zu den beiden Verbrennungsöfen. Über 10.000 Patienten aus psychiatrischen Anstalten wurden auf diese Weise allein in Hadamar umgebracht.

Das Tötungsteam kam zum Teil aus Grafeneck auf der Schwäbischen Alb, wo ein Jahr zuvor, am 18. Januar 1940 die sogenannte „Euthanasie“ begonnen hatte. Schon hier waren über 10.000 Menschen aus regionalen Anstalten in Rauch aufgegangen. „Man kann nicht sagen, dass die Transporte in Ruhe abgegangen sind. So hat einmal ein Kranker geschrien, er wolle der Welt verkünden, was vor sich gehe. Ein anderer ist vor den Omnibussen niedergekniet und hat gefleht, man solle ihn doch dalassen“, so sagte ein Oberpfleger der Durchgangsanstalt Winnenden nach 1945 aus. Auch in Sonnenstein bei Pirna, in Bernsburg bei Magdeburg, in Brandenburg und in Hartheim bei Linz wurden geistig Behinderte und psychisch Kranke fließbandmäßig getötet, standesamtlich ausgestrichen und in Urnen an die Angehörigen geschickt.

Der systematische Mord war einer Nazi-Sonderbehörde unterstellt, die in einer Villa in der Berliner Tiergartenstraße 4 residierte. Mitten unter der Wohnbevölkerung vergasten Ärzte und Pflegepersonal der „Aktion T 4“ in den Jahren 1940/41 über 100.000 Menschen und sammelten damit auch Erfahrung für den nachfolgenden Holocaust. Und selbst nach der förmlichen Einstellung in den sechs zentralen Tötungsanstalten kamen noch Zigtausende in den Heilanstalten um, die man verhungern ließ oder abspritzte, um Platz für verwundete Soldaten zu schaffen.

Garage HadamarIn Hadamar ist die Tötungsmaschinerie als Gedenkstätte konserviert. Von der großen Holzgarage mit originalen Bretterwänden bis hin zum Verbrennungsofen werden jeden 1. Sonntag im Monat Führungen angeboten. Heute können Besucher also freiwillig anreisen und zuletzt über die Treppe hinauf erleichtert wieder ins Freie gelangen. Es will nicht gelingen, sich die auswegslose Angst vorzustellen, die vor nur 73 Jahren Tag für Tag die Wehrlosen auf diesem Gang empfanden, die man nicht täuschen konnte. Auch die Einwohner wussten um die systematischen Morde mitten unter ihnen. Die vielen Kohlelieferungen, der tägliche schwarze Rauch, die grauen Busse. Die Alten fürchteten: „Nach den Schwachsinnigen kommen die Alten als unnütze Esser an die Reihe.“ Die NS-Propaganda selbst hatte diese Fährte gelegt. Auf einem in Hadamar ausgestellten Plakat wird ein starker Arbeiter, der zwei Missgestalten schultert, so kommentiert: „Hier trägst Du mit. Ein Erbkranker kostet bis zur Erreichung des 60. Lebensjahres im Durchschnitt 50.000 RM.“

Nach der Predigt des Münsteraner Bischofs von Galen am 3. August 1941 wuchs die Unruhe. Wohl deshalb wurden am 24. August 1941 nach einem mündlichen Befehl Hitlers die Gasmorde in den T-4-Anstalten eingestellt. Aus der Rede des mutigen Bischofs: „Wenn einmal zugegeben wird, ‚unproduktive‘ Mitmenschen zu töten – und wenn es jetzt auch nur arme, wehrlose Geisteskranke trifft -, dann ist grundsätzlich der Mord an allen unproduktiven Menschen, also an den unheilbar Kranken, den Invaliden der Arbeit und des Krieges, dann ist der Mord an uns allen, wenn wir alt und altersschwach und damit unproduktiv werden, freigegeben.“ Die Führung in Hadamar endet vor einem Obelisken mit der Mahnung „Mensch achte den Menschen“.

Sicher wird sich solcher Massenmord künftig nicht wiederholen. Aber wenn das Verbot der Sterbhilfe gelockert wird: Wer garantiert dann, dass nicht irgendwann ein Druck auf Alte und Kranke entsteht, sich endlich umbringen zu lassen, und dass die Hilflosen irgendwann selbst so denken, um nicht weiter „zur Last“ zu fallen?

Die Gedenkstätte Hadamar ist geöffnet dienstags bis donnerstags 9 – 16 h, freitags 9 – 13 h, Führungen jeden 1. Sonntag im Monat  um 14.30 h.

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