Wie Ikea über München nach Wetzlar kam
140222 Bei einem Treffen des Netzwerks Wirtschaft im Regionalmanagement Mittelhessen wurde die Bedeutung der Immobilienmesse Expo Real für die regionale Entwicklung verdeutlicht. Wetzlars Stadtrat Harald Semler hatte am Dienstag, 18. Februar, nach eigenen Worten einen „schönen Vormittag“: Er konnte den Zuschlag des Möbelriesens Ikea für die Industriebrache des ehemaligen Heidelberger Zementwerkes als neuen Standort verkünden. Wenige Stunden später berichtete er vor den versammelten Mitgliedern des Netzwerks Wirtschaft in der Regionalmanagement Mittelhessen GmbH (RMG), wie es dazu kam: Unter anderem auf der Expo Real seien die Weichen für den Möbelhaus-Coup gestellt worden. Beim Treffen des Netzwerks in der Gießener Hauptverwaltung der Volksbank wurde ein Expo-Resümee gezogen. Ergebnis: Von dem von der RMG seit 2005 organisierten mittelhessischen Gemeinschaftsstand auf der Münchner Immobilienmesse gingen in den vergangenen Jahren entscheidende Impulse für die Entwicklung der Region aus.
Gerade das Beispiel Ikea zeige, dass es auf der Expo Real „überhaupt erst möglich“ sei, die nötigen Netzwerke für größere Ansiedlungsprojekte zu knüpfen, sagte Semler. Zuletzt trafen sich auf der im Jahresrhythmus im Oktober stattfindenden internationalen Messe rund 36.000 Teilnehmer an über 1600 Ständen und deckten dabei die komplette Wertschöpfungskette rund um Immobilen ab, wie RMG-Geschäftsführer Jens Ihle erläuterte. „Dort bahnt man an, dort trifft man sich, dort nimmt man Ideen auf“, fügte Ihle hinzu. „Ganz Mittelhessen agiert dort in Partnerschaft.“ Und dabei rückt der mittelhessische Stand die Region auch schon mal ins nationale Rampenlicht. Wie im vergangenen Jahr: Der Plan für die Bebauung der Limburger Autobahnbrücke mit vier Türmen sorgte für deutschlandweite Medien-Präsenz.
Dabei wurden auf dem Netzwerk-Treffen in der Volksbank unterschiedliche Perspektiven auf die Effektivität des ambitionierten Engagements des Regionalmanagements auf der Expo Real deutlich: Gespräche dort führten eher langfristig zu großen Projekten, stellte Jörg Fischer vom Lindener Projektentwickler GHI fest. „Man kommt nicht in kurzer Zeit mit einem Auftrag nach Hause“, sagte der Geschäftsführer, für den die Messe eine „große Erfolgsgeschichte“ und ein Zeichen, dass „die Region an einem Strang zieht“, ist. Dies zeige auch der „Boom“ in Mittelhessen, von dem in den Zeitungen zu lesen sei. „Es tut sich wahnsinnig viel in der Region“ – die Expo sei dabei ein „Mosaikstein“ von großer Bedeutung.
Von auch kurzfristig konkreten Ergebnissen konnte dagegen Daniel Beitlich von der Revikon GmbH berichten, für den die Messe „extrem wichtig“ und ein Ort ist, um „einen Personenkreise zu bündeln, den man im alltäglichen Geschäft überhaupt nicht bündeln kann“. Ein Beispiel seien die Verhandlungen der Revikon mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) über die Entwicklung des ehemaligen Gießener US-Depots. Sein Unternehmen arbeite bei Vorhaben gezielt auf die Expo hin und versuche dort, „einen Haken an die Sache zu machen“. Gelungen ist dies nach seiner Aussage auch vor zwei Jahren bei einem Gewerbeprojekt in Sinn im Lahn-Dill-Kreis, bei dem sich in München die entscheidende Gruppe aus Finanzinstitut, Verkäufer und Abwickler zusammengefunden habe, um „die Sache per Handschlag zu beschließen“. Eine solche Runde zusammen zu bringen, sei sonst schwierig – Grund für Beitlich, die „Sinnhaftigkeit“ des durchaus kostspieligen RMG-Standes nicht in Frage zu stellen.
Gleiches gilt offenbar auch für die Finanzwirtschaft: „Es ist superwichtig, dass wir da sind“, sagte Rolf Witezek, Volksbank-Vorstand und Gastgeber des Treffens. Er könne sonst „keine 40 Gespräche“ in so kurzer Zeit führen wie auf der Expo, fügte Witezek hinzu. Das Ergebnis seien dann Unternehmungen wie das Limburger Einkaufs- und Freizeitzentrum WERKStadt: Das Projekt mit einem Gesamtfinanzierungsvolumen von 40 Millionen Euro wurde auf der Expo „eingetütet“. Und auch Kreative wie der Architekt Achim Schäfer von der Wetzlarer KuBuS GmbH sind in München dabei. Für Schäfer steht die Beteiligung am teuren RMG-Stand nicht in Frage. Denn: „Können wir uns es leisten, dort nicht aufzutreten?“ Es gebe keine bessere Möglichkeit, etwas für den Standort Mittelhessen zu tun, als dort, lautete Schäfers Expo-Resümee.
Diese Meinung wird offenbar auch von der Politik geteilt. Neben Wetzlars Stadtrat Semler zeigte sich auch Martin Rudersdorf von der Wirtschaftsförderung der Region Limburg-Weilburg-Diez vom Expo-Konzept überzeugt – trotz der Kosten für die am Gemeinschaftsstand beteiligten Kommunen: „Das ist eine gigantische Plattform, die man nutzen muss“, sagte Rudersdorf in der vom Gießener Regierungspräsidenten Dr. Lars Witteck moderierten Podiumsrunde. „Sie haben sonst keine Chance, wahrgenommen zu werden.“ Mit auf dem Podium war auch Oliver Schwebel von der Wirtschaftsförderung Frankfurt, der einen nachbarschaftlichen Rat hatte: „Halten Sie an dem Stand fest“, denn die Flächen seien begehrt.
Mit einem innerlichen „großen Grinsen“ verfolgt nach eigener Aussage Dr. Rainer Waldschmidt von der Hessen Trade & Invest GmbH, der Wirtschaftsförderung des Landes, die mittelhessische Erfolgsgeschichte auf der Expo Real. Weil sich in München die hessischen Regionen mit ihren individuellen Stärken präsentierten, sei dies Wirtschaftsförderung auf hessischer Ebene „live in action“. „Das ist, was wir uns in Wiesbaden wünschen“, damit das Land auch international mithalten könne. Denn: Mit sechs Millionen entspreche die Einwohnerschaft Hessens ungefähr einem „Stadtteil von Shanghai“.