viva piazza fridericianum – Stricken, Stricken, Stricken bis zum 8. März

22.12.2024 (yb) Viele, sehr viele 50 x 50 cm große gestrickte oder gehäkelte Decken sollen den Friedrichsplatz am 8. und 9. März bedecken und werden anschließend zu Gunsten des Autonomen Frauenhauses Kassel versteigert.

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Was hinter dem BÜRGERForum steckt – Bertelsmann fasst weiter Fuß in Marburg

Logo Gastbeitrag140601(red) Gastbeitrag von Annette Krainhöfner. Am letzten Maiwochenende hat, mit großem Aufwand von der Stadt beworben, die Auftaktveranstaltung zu einem ‚BÜRGERForum‘ für die von Oberbürgermeister Vaupel gewollte Bundesgartenschau Marburg im Jahr 2029 stattgefunden. Gerade mal 100 Teilnehmende kamen und verbrachten eine stramm durchmoderierte Zeit in der Mensa. Die Stadt Marburg hat das Format ‚BÜRGERForum‘ bei der Bertelsmann Stiftung eingekauft. Sie will mit diesem hochgradig reglementierten Verfahren Interesse, Ideen und Beteiligung an einem gesteuerten Prozess zur Meinungsbildung über eine Bundesgartenschau in Marburg wecken und eben zugleich steuern. Mit Hintergründen zum Wirken der Bertelsmann Stiftung beschäftigt sich dieser Gastbeitrag:

Logo Bürgerforum

Ich bin überrascht wie selbstverständlich Herr Vaupel über die Zusammenarbeit mit der Bertelsmann-Stiftung spricht und wie wenig Kritik bisher in der Öffentlichkeit zu diesem Thema zu vernehmen war. Aktuell mit großem medialen Getöse versucht die Bertelsmann-Stiftung durch das Projekt ‚Auftaktwerkstatt zum BürgerForum‘ wieder neue Felder in der Kommune zu besetzen – mit fragwürdigen Zielen und mageren Ergebnissen aber mit hohen Beratungskosten und zweifelhaften „bürgernahen“ Zielen. Bereits seit 2007 wurde die Stadt Marburg durch die Bertelsmann-Stiftung in der kommunalen Altenplanung beraten.*** Bisher wurden noch immer keine konkreten Entscheidungen über den Erhalt oder Abriss des Altenpflegeheims der Stiftung St. Jacob in der Sudetenstrasse gefällt. Die Beratungskosten der ‚Bertelsmänner‘ dürften in die Millionen gehen – die damalige Dezernentin Weinbach wurde aus diesem Zuständigkeitsbereich abgezogen und vielleicht wird seitens der Stadt darauf solange spekuliert, bis private Investoren das alles übernehmen?

Wie geht die Privatisierung kommunaler Verwaltung?

Private Dienstleister streben seit längerem die Übernahme von Verwaltungsaufgaben an. Die Bertelsmann AG und die Bertelsmann-Stiftung sowie eine ihrer Töchter Arvato wirken als einflussreiche Antriebskräfte bei der Durchsetzung von Public-Private-Partnerships (PPP). PPP bezeichnet in der Regel eine Teil-Privatisierung von öffentlichen Aufgaben, die meist mit einer langfristig vertraglich geregelten Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und Privatwirtschaft einhergeht. Die öffentliche Hand (public) investiert in Vorhaben und finanziert Projekte (und trägt auch die damit verbundenen Folgekosten), während die Gewinne von den Unternehmern (private) und deren Berater (Bertelsmann) einkassiert werden. Egal, – ob erfolgreich oder nicht erfolgreich. Auf jeden Fall muss die Stadt immer bezahlen. —>Mehr dazu online

Arvatoprojekt in Würzburg gescheitert

Zum Beispiel die Stadt Würzburg. Auf zehn Jahre hatten sich die Bertelsmann-Tochter Arvato und die Stadt Würzburg einander verpflichtet. Arvato sollte die Verwaltung effizienter machen – doch anscheinend ließ sich das Ziel nicht erreichen: Laut ‚Main-Post‘ hatten die Partner ihre Kooperation vorzeitig beendet. Der Startschuss für ‚Würzburg integriert‘ fiel 2007. Innerhalb von zehn Jahren, so die Hoffnung damals, sollte es gelingen, die Verwaltung schneller, besser und bürgernäher zu gestalten – und günstiger. Es ging um Einsparungen in Höhe von 27 Millionen Euro bis 2017; 75 Arbeitsplätze sollten im Rathaus wegfallen. Das Fazit von Oberbürgermeister Georg Rosenthal: Bislang sei keine einzige Stelle überflüssig geworden, die Zeitersparnis sei marginal. Summa summarum ziehe er „eine ernüchternde Bilanz“.

Bertelsmann Konzerngewinn hat sich 2011 verzehnfacht

Der Umsatz der Bertelsmann AG ist bereits in 2010 um fünf Prozent auf ca. 16 Milliarden Euro gestiegen; der Gewinn hat sich von 1,4 auf 1,8 Milliarden Euro erhöht. Die Bertelsmann-Sparte Arvato baut intern um: Statt vier große Unternehmensbereiche soll es künftig 23 Markteinheiten geben. Arvato werde damit flexibler und könne „stärker auf integrierte Services fokussieren“, so Vorstandschef Rolf Buch, er übernimmt zusätzlich zu seinen Aufgaben als Vorstandsvorsitzender die Verantwortung für Arvato Systems, für die Druckgeschäfte in den USA, für die Dienstleistungsaktivitäten von Arvato in Großbritannien, Irland, China, Indien und Osteuropa, für InmediaONE, für die Infoscore-Gruppe sowie die Bereiche Arvato Customer Services und Healthcare. Es gibt inzwischen einige Bücher über den weltweit agierenden Konzern z. B. ‚Meinungsmache – Wie Wirtschaft, Politik und Medien uns das Denken abgewöhnen wollen‘ von Albrecht Müller oder ‚Netzwerk der Macht – Bertelsmann‘ von Jens Wernicke. —>Mehr dazu  online lesen

Was ist das BÜRGERForum?

Bildschirme statt (Menschen-)Köpfe im Logo. Schon grafisch wird die Fernsteuerung über das Internet klar signalisiert.

Bildschirme statt (Menschen-)Köpfe im Logo. Schon grafisch wird die Fernsteuerung über das Internet klar signalisiert.

Definition der Stadt Marburg: Das BÜRGERForum ist ein von der Bertelsmann Stiftung entwickeltes Beteiligungsformat, in dem bisher vor allem übergreifende Themen wie Leitbildentwicklung, demographischer Wandel etc. thematisiert wurden. Die Universitätsstadt Marburg ist eine der fünf Modellkommunen bundesweit, in denen nun eine Kommunalisierung des Formats verwirklicht wird. Oberbürgermeister Egon Vaupel freut sich darüber, dass die Bertelsmann Stiftung sich für die Universitätsstadt Marburg als Modellkommune entschieden hat. Am Ende  steht dann ein gedrucktes Bürgerinnen- und Bürger-Programm, das in einer Ergebniswerkstatt im Hörsaalgebäude am 18. Juli 2014 den Verantwortlichen in der städtischen Verwaltung und dem Magistrat vorgestellt und überreicht werden wird. Was wird das wohl sein und was wird da wohl so alles drin stehen?

Annette Krainhöfner, Marburg

*** Nachträge der Redaktion:

1. Oberbürgermeister Egon Vaupel hat der Redaktion von das Marburger. am 3. Juni persönlich mitgeteilt, dass die Bertelsmann Stiftung nicht von der Stadt Marburg in Zusammenhang der städtischen Altenplanung beauftragt worden sei.

2. Dieser Hinweis bzw. diese Behauptung des Oberbürgermeisters ist unzutreffend. Die Stadt Marburg hat sehr wohl mit der Bertelsmann Stiftung und dem Kuratorium Deutsche Altenhilfe im Jahr 2008 einen Workshp Kommunale Altenplanung veranstaltet. Datum war der 22. April 2008, für den hauptamtlichen Magistrat hat die damalige Sozialdezernentin Kerstin Weinbach (SPD) teilgenommen. ->Das Protokoll dieser Veranstaltung findet auf den Webseiten der Stadt Marburg als Download.

3. Oberbürgermeister Vaupel meinte in der Sitzung des Haupt- und Finanzausschuss am 25. Juni 2014 bemängeln zu können, dass in obigem Gastbeitrag von Annette Krainhöfner in unzutreffender Weise behauptet würde es gäbe Beratungskosten in Millionenhöhe von seiten der “Bertelsmänner“. Wer diese Aussage im ersten Absatz nachliest, wird jedoch feststellen, dass nicht von Beratungskosten in Millionenhöhe zu Lasten der Stadt Marburg die Rede ist. Stattdessen setzt sich der ganze Artikel mit dem Geschäftsmodell und Geschäftspraktiken der Firma Bertelsmann auseinander, die oftmals in irreführender Weise als Stiftung auftritt.

4. Die Höhe der Kosten des damaligen Workshops sind weder der Gastautorin noch der Redaktion von das Marburger. bekannt. Wie weit unter oder über einer Million Euro die Kosten für Veranstaltungen und Beauftragungen zu Altenhilfe bei der Stadt Marburg in den vergangenen sechs Jahren tatsächlich liegen, könnte ermittelt werden. So mussten alleine bei dem neuen Altenpflegeheim in Cölbe seitens der Marburger Altenhilfe St. Jakob sogenannte „Anlaufkosten“ in Höhe von mehreren Hundertausend Euro verkraftet werden.

 

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