Im Landkreis Marburg-Biedenkopf müssen mehr Flüchtlinge Unterbringung finden
Marburg 140729 (pm/red) Die Meldungen und Schlagzeilen über kriegerisch-gewaltsame Auseinandersetzungen in den Medien überschlagen sich. Ob in Syrien, Lybien, in der Ukraine oder Israel-Palästina – eine Folge der kriegerischen Handlungen in diesen Ländern, wie auch in weiteren Staaten in Afrika, sind Hunderttausende von Flüchtlinge und Menschen in Not. Die Bundesrepublik hat sich bereit erklärt eine größere Zahl von Flüchtlingen aufzunehmen. Dies erreicht jetzt den Landkreis Marburg-Biedenkopf. Bis zu 600 Flüchtlinge müssen bis zum Jahresende im Landkreis zusätzlich untergebracht werden. Das für die Zuweisung von Asylbewerbern zuständige Regierungspräsidium (RP) Darmstadt wird dem Kreis ab dem 28. Juli wöchentlich bis zu 23 Flüchtlinge zur Unterbringung zuweisen. Das hat das RP Darmstadt dem Kreis mitgeteilt. „Mit den bestehenden Verpflichtungen ergibt sich die Zahl von insgesamt 600 Menschen, die bis Ende des Jahres als Flüchtlinge hierher kommen und Asyl beantragen“, teilte Landrätin Kirsten Fründt mit.
„Wir haben mit den Bürgermeistern der Städte und Gemeinden im Kreis bereits Kontakt aufgenommen, um diese Herausforderung gemeinsam zu meistern – denn die 60 freien Unterbringungsplätze, die der Kreis bereit hält, werden bei diesem Zustrom schnell erschöpft sein“, so die Landrätin. Gleichzeitig forderte sie das Land Hessen auf, seiner Finanzverantwortung für Asylbewerber endlich nachzukommen. „Das Land lässt die Kreise hier sprichwörtlich im Regen stehen“, bedauerte Kirsten Fründt.
Erster Kreisbeigeordnete Marian Zachow erklärte, dass es neben der gesetzlichen Aufgabe der Unterbringung auch eine moralische Verpflichtung sei, den Menschen, die wegen bewaffneter Konflikte, Verfolgung oder Bedrohung aus ihrer Heimat geflohen sind, hier zu helfen. „Hier ist die Solidarität aller gefordert und wir sind davon überzeugt, dass wir es gemeinsam mit allen Kommunen schaffen werden, die Flüchtlinge in einem ausgewogenen Verhältnis in allen Städten und Gemeinden des Kreises unterzubringen“, sagte Zachow. Die Gesellschaft müsse das klare Signal aussenden, dass diese Menschen hier willkommen sind.
Der Kreis verfolgt dabei das Ziel, die Menschen für die Dauer des Asylverfahrens möglichst nicht in Sammelunterkünften unterzubringen, sondern setzt auf ein dezentrales Wohnen in den Städten und Dörfern. „Es wird sich aber möglicherweise nicht vermeiden lassen, dass wir den Flüchtlingen, zumindest für eine kurze Übergangszeit, zunächst einen Platz in einer solchen Sammelunterkunft anbieten müssen“, bedauerte der Erste Kreisbeigeordnete.
Gemeinsame Aufgabe aller Beteiligten sei es daher jetzt, geeigneten Wohnraum in ausreichender Zahl in den Städten und Gemeinden zu finden. Er appelliert deswegen an alle Bürgerinnen und Bürger, die über leerstehende und zu vermietende Wohnung verfügen: „Mit einer Vermietung von Wohneinheiten für mindestens zehn Personen bzw. von mindestens zwei Wohneinheiten können Sie helfen, dass diese große Aufgabe in unserem Kreis gemeinsam bewältigt wird“. Ansprechpartner für Interessenten ist im Fachbereich Ordnung und Verkehr des Kreises Herr Döhler (Tel.: 06421 405-1520, E-Mail: DoehlerR@marburg-biedenkopf.de).
Landrätin kritisiert fehlende Finanzausstattung durch das Land
Die Landrätin bemängelte, dass die im Nachtragshaushalt des Landes eingeplante Bereitstellung von 60 Millionen Euro nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein sei und keineswegs zur Entlastung beitrage. Denn: „Das Geld im Nachtragshaushalt ist ausschließlich für die Aufnahmeeinrichtung des Landes in Gießen sowie zur Finanzierung der üblichen Pauschalen für die erhöhten Fallzahlen gedacht“, erklärte Kirsten Fründt. „Die hessischen Landkreise haben das Land daher aufgefordert, den Ansatz im Entwurf des Nachtragshaushaltes von 60 auf 120 Millionen Euro zu verdoppeln. Wir dürfen bei dieser Diskussion nicht vergessen, dass die Landkreise hier eine Aufgabe des Landes übernehmen“, so Kirsten Fründt.
Dabei, so Fründt, würden die Landkreise im Schnitt derzeit bereits 46 Prozent, also fast die Hälfte der anfallenden Kosten, übernehmen. Nach Erhebungen des Hessischen Landkreistages seien damit in den vergangenen vier Jahren von den Kreisen und kreisfreien Städten rund 200 Millionen Euro mehr aufgebracht worden als vom Land erstattet wurden. „Es ist absurd, dass das Land hier eine Aufgabe nach unten durchreicht, sich nicht ausreichend an der Finanzierung beteiligt und gleichzeitig aber von den Kommunen eine sparsamere Haushaltsführung verlangt“, stellte Landrätin Fründt fest.
Derzeit hat der Kreis bereits rund 800 Flüchtlinge untergebracht und betreut sie. Für mehr als die Hälfte dieser Menschen sind Wohnungen oder Zimmer in Hotels oder Pensionen bereit gestellt worden. Der Rest bewohnt Zimmer in Gemeinschaftsunterkünften.
Für die Unterbringung, die Versorgung und die Betreuung der Flüchtlinge hat der Kreis im Jahr 2013 mehr als fünf Millionen Euro ausgegeben, wovon jedoch nur etwa die Hälfte vom Land erstattet wurde. Für das Jahr 2014 rechnet der Kreis mit Kosten von etwa 6,5 Millionen Euro – bei einer veranschlagten Erstattung von knapp 2,5 Millionen.
Der Kreis sorgt für die Unterbringung, die Ernähung, Heizung, Kleidung, Gesundheits- und Körperpflege oder für Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt und für die Betreuung. Für die Bestreitung des täglichen Lebens gewährt der Kreis Geldleistungen, wobei die Höhe der Geldleistungen durch Bundesgesetz geregelt ist und vom Kreis nicht beeinflusst werden kann.