Veranstaltung am 17. Oktober: Kampf um Kobanê, Ausnahmezustand in der Türkei
Marburg 15.10.2015 (pm/red) Seit Juli wird die kurdische Stadt Kobane vom sogenannten Islamischen Staat belagert und bestimmt beinahe täglich die Nachrichten. Zunehmend in den Fokus gerät dabei die Politik des türkischen Staates, regiert von der AKP, von dem die Kurden sich zunehmend verraten sehen. Informationen und Hintergrund zur Einschätzung der Situation will eine Veranstaltung bieten. Ein Versuch kurdischer Selbstverwaltung, der sich im Laufe des syrischen Bürgerkrieges konstituiert hatte, stehe damit seit Monaten auf dem Spiel. Anfang Oktober gelang es den Kämpfern des IS auf das Stadtgebiet von Kobane vorzudringen – obwohl die Anti-IS-Koalition unterschiedliche Infrastruktur und Stellungen des IS bombardiert hatte, wurde die internationale Unterstützung von den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG/YPJ) vor Ort als nicht ausreichend angesehen.
Im Zentrum der kurdischen Kritik standen allerdings nicht die USA oder die internationale Anti-IS-Koalition, sondern die Türkei, welche durch ihre Grenze zu Syrien unmittelbar an die drei kurdischen Kantonen in Syrien und damit auch an Kobane liegt.
Die Türkei verweigerte über Monate nicht nur logistische oder militärische Unterstützung für die YPG (Volksverteidigungskräfte der kurdischen Bewegung in Rojava), vielmehr half sie direkt dem IS — durch den Transfer von salafistischen Kämpfern, Versorgungsgütern und Waffen. Die Proteste gegen diese Unterstützung des IS haben sich nun in Aufstände entwickelt. Aber der türkische Staat versucht nun wiederum diese niederzuschlagen. Nicht nur mit Hilfe der Polizei, sondern eben auch mit islamistische Gruppen und türkische Faschisten, zum Teil unter den Augen der Polizei. Allein in einer Protestnacht gab es mindestens 18 Tote – mehr als während der Monate andauernden Gezi Revolte und Ausgangssperren wurden verhängt sowie vom Militär durchgesetzt.
Bereits vor seinem Vordringen nach Kobane hatte der IS im Raum Sindshar (Irak) die kurdische Jesiden aus ihren Dörfern vertrieben, viele hingerichtet. Obwohl viele von Kämpfern der PKK vor ihrem Tod durch Verdurstung aus dem Gebirge oder ihrer Hinrichtung durch den IS gerettet werden konnten, bleibt die Gefahr von Massakern oder gar eines Genozids durch den IS bestehen – auch in Kobane. Die de facto Unterstützung des IS durch die AKP-Regierung und die Niederschlagung der Solidaritätskundgebungen mit dem Widerstand in Kobane gefährdet nicht zuletzt den laufenden Verhandlungsprozess zwischen AKP und PKK.
Im Angesicht des von der AKP zumindest billigend in Kauf genommenen drohenden Völkermordes an Kurden im Irak und Syrien durch den IS wird eine Rückkehr des türkisch-kurdischen Bürgerkriegs auch in der Türkei wahrscheinlich.
Was sind die jüngsten Entwicklungen der Lage? Welche Interessen haben die Türkei, welche die westlichen Staaten? Was kann „der Westen“, d.h. was können wir tun?, fragen die Veranstalter. Der Informationsabend wird veranstaltet von der Gruppe Dissident und dem Verband der Studierenden aus Kurdistan (YXK) Marburg, mit Murat Cakir (RLS Hessen). Er findet statt im Hörsaal H der Philosophischen Fakultät in der Wilhelm-Röpke-Straße 6.