Runder Tisch Integration ‚Willkommenskultur‘ in solidarischer Gesellschaft
Marburg 30.10.2014 (pm/red) Über 50 Millionen Menschen weltweit befinden sich nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen auf der Flucht. Viele von ihnen haben Schreckliches erlebt und sind traumatisiert. Einigen dieser Menschen Hilfe und Unterstützung zukommen zu lassen, ist auch für die Stadt Marburg „eine große, wichtige Aufgabenstellung“, sagt Oberbürgermeister Egon Vaupel. Um die Aufgabe zu bewältigen und Flüchtlingen ein „Heimatgefühl“ zu geben, benötige man ein Netzwerk in der Stadt. Aus diesem Grund war am zu einem Runden Tisch mit dem Schwerpunktthema ‚Willkommenskultur in unserer Stadt – Netzwerk Flüchtlingsunterbringung und -betreuung‘ eingeladen.
Fast 200 Menschen waren der Einladung gefolgt. Vertreter von Kirchen- und Stadtteilgemeinden, von sozialen Trägern, Vereinen und Organisationen sowie Privatpersonen wollten sich informieren und Vorschläge einbringen. Die Stadt werde alles dafür tun, um die Grundbedürfnisse der Menschen zu erfüllen. „Die Menschen müssen in Nachbarschaften integriert werden und sie müssen spüren, dass sie in dieser Stadt willkommen sind.“ Ziel des Runden Tisches war es, den Anstoß zur Stärkung einer „Kultur des Willkommens“ zu geben und dafür Unterstützer und Kommunikatoren anzusprechen und zu vernetzen.
Ein Ziel in Marburg sei, eine zentrale Unterbringung von Flüchtlingen zu verhindern, stellte der Oberbürgermeister klar. Dazu benötige man dringend Wohnraum. Potenzielle Vermieter können sich an den Fachdienst Arbeit, Soziales und Wohnen der Universitätsstadt Marburg wenden. Derzeit leben 112 Flüchtlinge in Marburg – in 89 Wohnungen, die entweder Privatwohnungen oder Eigentum von Wohnungsbaugesellschaften sind. Neun weitere Wohnungen und ein Zwei-Familien-Haus sind von der Stadt angemietet.
Die Leistungen, die die Flüchtlinge in der Stadt Marburg beziehen, werden vom Fachdienst Arbeit, Soziales und Wohnen erbracht. Zusätzlich zu dem, was über den so genannten Regelbedarf abgedeckt ist, werden ambulante und stationäre medizinische Leistungen übernommen. Und was die Bedürfnisse von Kindern angeht, gibt es die Möglichkeit von Ermessensleistungen. Außerdem haben Flüchtlinge in Marburg Anspruch auf den Stadtpass, mit dem sie unter anderem kostenlos Deutsch-Kurse in der Volkshochschule besuchen können und Vergünstigungen zum Beispiel im öffentlichen Nahverkehr oder bei Kultur- und Freizeitangeboten erhalten. Die Stadt sorgt – mit einer Vollzeitkraft auf hundert Flüchtlinge – außerdem für eine sozialpädagogische Betreuung, wie Sozialamtsleiter Peter Schmidt erläuterte.
Ein Flyer mit allen wichtigen Informationen für potentielle Vermieter von Wohnraum aufzulegen, ein Spendenkonto einzurichten, gut erhaltene Möbel an die Hilfesuchenden weiterzugeben, eine Möglichkeit für die Betreuung traumatisierter Kinder und Jugendlicher zu schaffen, Kontakt zu Schulen aufzunehmen.
Anwesende machten den Vorschlag, örtliche Vereine und Institutionen in die Arbeit mit einzubeziehen – unter anderem Sportvereine und Kulturträger, um eine Teilhabe am kulturellen Leben zu ermöglichen oder Einrichtungen wie das Frauenhaus und den Verein Notruf, wenn es um frauenspezifische Fragen geht. Auch Ortsvorsteher, Ortsbeiräte und Stadtteilgemeinden sollen vernetzt werden. Eine Studentin, die selbst einen Flüchtlingshintergrund hat, stellte ihre Diplomarbeit vor, in der ein spezielles Handbuch zur psychologischen Erstversorgung von Flüchtlingen entwickelt wurde.
Egon Vaupel berichtete, er habe mit Landrätin Kirsten Fründt bereits Gespräche geführt, um mögliche Arbeitsgelegenheiten für Flüchtlinge zu erörtern. Dass es Sprachkurse für Kinder an mehreren Marburger Schulen gibt und unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in einer Gruppe im Gertrudisheim untergebracht werden sollen, kam ebenfalls zur Sprache. Mehrfach wurde betont, dass es sinnvoll sei, bestehende Angebote zu kommunizieren, um effektiv helfen zu können und damit sich nichts doppele.
Die weitere Arbeit zum Thema wird im Rahmen eines kleineren Gesprächskreises stattfinden. Alle Ergebnisse und Entwicklungen sollen künftig über einen Newsletter an alle Interessierten gehen.