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22.12.2024 (yb) Viele, sehr viele 50 x 50 cm große gestrickte oder gehäkelte Decken sollen den Friedrichsplatz am 8. und 9. März bedecken und werden anschließend zu Gunsten des Autonomen Frauenhauses Kassel versteigert.

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Wissenschaftler aus Marburg, Düsseldorf und England: Forschungen zum ökonomischen Einfluss von Dialekt

Eine Verbreitungskarte deutscher Dialekte zeigt unter anderem, wo Thüringisch und Bayerisch gesprochen wird. Karte Alfred Eine Verbreitungskarte deutscher Dialekte zeigt unter anderem, wo Thüringisch und Bayerisch gesprochen wird. Karte: Alfred Lameli, ifl/Nationalatlas

Eine Verbreitungskarte deutscher Dialekte zeigt unter anderem, wo Thüringisch und Bayerisch gesprochen wird. Karte Alfred Eine Verbreitungskarte deutscher Dialekte zeigt unter anderem, wo Thüringisch und Bayerisch gesprochen wird. Karte: Alfred Lameli, ifl/Nationalatlas

Marburg 13.02.2015 (wm/red) Wer einen Dialekt hört, identifiziert sich mit der eigenen Gruppe und grenzt sich von anderen ab. Das folgern Ökonomen und Sprachwissenschaftler aus Marburg, Düsseldorf und dem englischen Bristol aus einem Verhaltensexperiment, dessen Ergebnisse sie in der Online-Wissenschaftszeitschrift PLoS One veröffentlichen, die am 11. Februar 2015 erscheint.

„Wir wissen so gut wie gar nichts darüber, wie Dialekte das Handeln von Menschen beeinflussen“, sagt Professor Dr. Alfred Lameli vom Forschungszentrum Deutscher Sprachatlas an der Philipps-Universität. In einem aktuellen Projekt ist der Linguist zusammen mit den Ökonomen Professor Dr. Gerhard Riener von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und Professor Dr. Stephan Heblich von der Universität Bristol der Frage nachgegangen, wie Dialekte unser ökonomisches Verhalten beeinflussen.

„Ein allgemeines methodisches Problem für eine solche Untersuchung besteht darin, Menschen in ihrem konkreten Verhalten zu beobachten“, legt Wirtschaftswissenschaftler Riener dar. „In einem kommunikativen Zusammenhang ist dies außerordentlich schwierig.“ Die Forscher haben daher sehr ausgeklügelte Laborexperimente durchgeführt. Mehr als 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden in einem Labor mit Wissens- und Logikfragen, aber auch mit mathematischen und sprachlichen Aufgaben konfrontiert.

„Der Clou: Die Probanden bekamen kein festes Gehalt, wie dies sonst bei Experimenten üblich ist, sondern konnten selbst bestimmen, auf welche Weise sie bezahlt werden wollen“, führt Heblich aus. Dabei mussten die Testpersonen ihre vermuteten Leistungen mit denjenigen eines Kontrahenten vergleichen, von dem sie lediglich einen sprachlichen Eindruck hatten. Dieser sprachliche Eindruck war entweder ein hochsprachlicher oder ein dialektaler.

Die Probanden konnten entweder auf einen direkten Leistungsvergleich verzichten und wurden dann nach der Anzahl ihrer richtigen Antworten bezahlt. Sie konnten aber auch ein wettbewerbliches Element nutzen. Wählten sie dies, so bekamen sie deutlich mehr Geld, sofern sie mehr richtige Antworten vorzuweisen hatten als der Kontrahent. Schnitten sie jedoch wider eigenes Erwarten schlechter oder gleich gut ab, verloren sie Geld.

„Unsere Vorgehensweise diente dazu, herausfinden, inwieweit der sprachliche Eindruck das tatsächliche Handeln der Menschen beeinträchtigt – in diesem Fall ein profitorientiertes Handeln“, erläutert Riener. Durchgeführt wurde das Experiment mit Thüringern, die  präsentierten Sprachproben waren entweder standarddeutsch, thüringisch oder bayerisch. Das Ergebnis: Hören sie einen bayerischen Sprecher, wählen die Thüringer Teilnehmer signifikant häufig eine riskante Bezahlstrategie; dabei verloren sie tatsächlich bisweilen Geld und erhielten dann nur eine sehr geringe Entlohnung. „Dieser Effekt stellt sich jedoch nicht ein, wenn derselbe Sprecher die regional unmarkierte Standardsprache verwendet“, berichtet Heblich. Eine Sprachprobe des eigenen, thüringischen Dialekts zeitigt keinen Effekt, fanden die Forscher heraus.

Die Wissenschaftler schließen aus ihren Ergebnissen, dass Dialekte ein spezifisches In-group- oder Out-group-Verhalten aktivieren: Identität mit der eigenen Gruppe, Abgrenzung von der anderen. Die Folgerung, dass Regionalsprachen in der Alltagskommunikation hinderlich seien, lasse sich daraus jedoch nicht ableiten. „Auf der einen Seite vermittelt der thüringische Dialekt als In-group-Varietät zwar eine kommunikative Nähe, die im Gesprächsablauf durchaus förderlich ist“, resümiert Lameli. „Auf der anderen Seite eröffnet der bayerische Dialekt strategische Vorteile, die gerade in unternehmerischen Kontexten bedeutsam sein können.“

Originalveröffentlichung: Stephan Heblich, Alfred Lameli, Gerhard Riener: The Effect of Perceived Regional Accents on Individual Economic Behavior: A Lab Experiment on Linguistic Performance, Cognitive Ratings and Economic Decisions, PLoS One 201

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