Auftaktveranstaltung „Soziale Stadt“ im Waldtal
Marburg 15.02.2015 (pm/red). „Soziale Stadt“ ist ein Thema, das alle angeht. Das haben 65 Waldtalerinnen und Waldtaler bewiesen, die zum Auftakt des Programms den Gemeinschaftssaal des St.-Martin-Hauses bis auf den letzten Platz füllten. Oberbürgermeister Egon Vaupel freute sich über das große Interesse: Die Philosophie des Programms „Soziale Stadt“ bestehe genau darin, dass die Bürgerinnen und Bürger über den gesamten Prozess hinweg aktiv diskutierten und mit der Stadt kommunizierten, welche Entwicklung angestoßen werden soll. Die Teilnehmenden waren der Einladung der Stadt gefolgt, die in enger Zusammenarbeit mit dem Verein Arbeitskreis Soziale Brennpunkte Marburg (AKSB) zum öffentlichen Startschuss für das Programm „Soziale Stadt Marburg-Waldtal“ aufgerufen hatte.
„Die Menschen in den Stadtteilen sind die Expertinnen und Experten, die am besten wissen, wo der Bedarf in den Quartieren liegt, was zu tun ist, welche Maßnahmen umgesetzt werden sollen“, so Vaupel. Man habe als Stadt lange darauf hingearbeitet, mit dem Waldtal in das Programm „Soziale Stadt“ aufgenommen zu werden. „Wir freuen uns, dass wir jetzt beginnen können“, bekräftigte der Oberbürgermeister. Die Beteiligungskultur, die Mitnahme der Bürgerinnen und Bürger, gehöre bei der Entwicklung des Gemeinwesens zu den wichtigsten Aufgaben der Stadt. „Nur so kann das ganze Projekt von Erfolg gekrönt sein“, sprach Vaupel den Bewohnerinnen und Bewohnern des Waldtals aus dem Herzen.
Ganz konkret stehen dabei zunächst die beiden Koordinatoren Jürgen Kaiser, Fachdienst Stadtplanung, sowie Peter Schmittdiel, Jugendamt, als Ansprechpartner zur Verfügung. Eine Lenkungsgruppe wird gebildet. Darüber hinaus wünschten sich die Teilnehmenden des Auftakttreffens am Mittwoch den regelmäßigen Austausch mit Sachverständigen der Stadtverwaltung zu bestimmten Themen, um nachhaltige Lösungen zu finden.
In Kleingruppen erarbeiteten die Waldtalerinnen und Waldtal gleich zu Beginn Ansatzpunkte für Veränderung im Stadtteil – vielseitig, konkret und greifbar. So gehörte zum Schwerpunkt „Verbesserung des sozialen und kulturellen Lebens“ der Wunsch nach festen Standorten für kulturelle Angebote in Form eines Bürgerzentrums. Auch ein Bewegungszentrum mit Sportangeboten für alle Altersklassen wurde vorgeschlagen. Darüber hinaus stießen stadtteilgebundene Aktionsangebote für Kinder und Jugendliche mit altersgerechten Spielflächen auf Zustimmung der Gruppe.
Zu den Vorschlägen für eine „Verbesserung der Wohn- und Lebensbedingungen“ zählte die Forderung nach dem Erhalt der Buslinie 3 und nach einer besseren Anbindung an die Stadt. Eine Ampel mit Zebrastreifen an der Panoramastraße zur Linie 7 (Ausgang Waldtal) fand ebenso Zuspruch wie der Wunsch nach mehr Papierkörben, um das Wohnumfeld sauber zu halten und zu verschönern. Eine deutlichere Kennzeichnung von Tempo 30 auf den Straßen stand genauso im Fokus wie die Forderung nach mehr Bänken im Stadtteil.
Zum Schwerpunkt „städtebauliche Stabilisierung“ entwickelten die Waldtaler den Vorschlag, das „Aushängeschild“ Ginseldorfer Weg 26 renovieren zu lassen. Hinzukommen müssten weitere Fassadengestaltungen. Spielplätze sollen modernisiert und bessere Fuß- und Radwege zur Nordstadt geschaffen werden, so die Runde.
Als Beispiel für „imageverbessernde Maßnahmen“ wurden die Erneuerung der Beleuchtung und der Straßenbeläge im Einfahrtsbereich (Försterweg) genannt. Zum Komplex „Ökologie“ brachten die Waldtaler und Waldtalerinnen die energetische Sanierung des Fußball-Club-Vereinsheims Waldtal ein. Als „Stärkung der lokalen Wirtschaft“ schlug eine weitere Gruppe Räume für Gewerbetreibende, eine Tauschbörse für Wohngegenstände, eine Kleiderkammer sowie eine „Upcycling“- Werkstatt vor, die aus Abfall neue Produkte herstellt.
Bereits 2009 hatte die Universitätsstadt Marburg beim Land Hessen einen Antrag auf Aufnahme der Stadtteile Waldtal sowie Ockerhausen/Stadtwald in das Bund-Länder-Programm „Soziale Stadt“ gestellt. Am 1. Dezember 2014 überreichte Umweltministerin Priska Hinz die Bewilligungsbescheide über die Aufnahme der Stadtteile in das Programm an Oberbürgermeister Egon Vaupel und Bürgermeister Dr. Franz Kahle.
Nachdem der Richtsberg durch das Bund-Länder-Programm gefördert worden ist, wird nun auch die Entwicklung der beiden anderen Stadtteile unterstützt. Mit der Bewilligung stellen der Bund und das Land Hessen der Stadt Marburg zunächst rund 2,1 Millionen Euro zur Verfügung, die bewilligten Mittel 2014 für das Waldtal belaufen sich auf 554.000 Euro. Für den in der Regel zehn Jahre dauernden Förderprozess rechnet die Stadt mit etwa 6 Millionen Euro Investitionskosten, von denen Bund und Land rund 57 Prozent übernehmen.
Neben dem investiven Programm wird es Projektförderungen unter anderem für das Begleitprogramm „Jugend stärken im Quartier“ geben. Es unterstützt Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 12 bis 26 Jahren bei der Integration in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt sowie in der Schule. Zu den Fördergebieten gehören Richtsberg, Stadtwald und Waldtal. Das Fördervolumen beträgt jährlich 400.000 Euro – 50 Prozent trägt der Europäische Sozialfonds, 50 Prozent die Stadt. Insgesamt stehen bis 2018 1,6 Millionen Euro zur Verfügung.
Auch für das Programm „Bildung, Wirtschaft und Arbeit im Quartier“(Biwaq) wird ein Antrag gestellt, um die Qualifizierung und Beschäftigung von Menschen ab 27 Jahren zu fördern. Für die Umsetzung ist ein Volumen von rund 250.000 Euro pro Jahr mit einem Eigenanteil von 25.000 Euro vorgesehen. Die Laufzeit beträgt drei Jahre. Fördergebiete wären der Stadtwald und das Waldtal. Nicht zuletzt soll auch die städtische Initiative MaBison als Marburger Bildungsoffensive Zugänge für alle Kinder und Jugendlichen zu Sport, Kultur und Natur eröffnen und zum sozialen Ausgleich beitragen.
Das Programm „Soziale Stadt“ umfasst neben dem Städtebau auch die Bereiche Bildung, Wirtschaft und Arbeit, Soziales, Kultur, Wohnen und Umwelt. Nach der ergebnisreichen Auftaktveranstaltung gilt es nun ein „integriertes Konzept“ zu erarbeiten, das die Zielsetzung für weitere Schritte des auf zehn Jahre angelegten Prozesses definiert und gemeinsame Schwerpunkte setzt. AKSB-Geschäftsführerin Christina Hey rief dazu auf, ein Zukunftsbild davon zu malen, wie das Waldtal im Jahr 2025 aussehen soll.