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Zur Zukunft guten Älterwerdens in Marburg

Marburg 16.07.2015 (pm/red) Ob Erzählcafé, Sitztanzgruppe oder Pizzatreff – in der Universitätsstadt Marburg mit ihren Außenstadtteilen sind in den vergangenen Jahren vielseitige Begegnungsorte für ältere Menschen entstanden. Niedrigschwellige, wohnortnahe Angebote schaffen, die zu selbstständigem Wohnen und Leben im Alter beitragen – das ist das Ziel des Förderprogramms „Anlaufstellen für ältere Menschen“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Die Universitätsstadt Marburg war ein aktiver Teil davon. Dazu wurden von der Freiwilligenagentur Marburg-Biedenkopf und der Stabsstelle Altenplanung zusammen mit bestehenden Seniorengruppen, Stadtteilinitiativen und Engagierten das „Marburger Nachbarschaftsnetz Miteinander – Füreinander“ mit lokalen Anlaufstellen für ältere Menschen geschaffen.

Mit dem Auslaufen des Förderprogramms für Marburg war es Zeit für eine Bilanz, wobei die Projekte weiterlaufen. Oberbürgermeister Egon Vaupel ist mit rund 40 Vertreterinnen und Vertretern von Initiativen und Vereinen dazu zusammengekommen. Ein Vortrag von Nadja Ritter erläuterte „Perspektiven guten Älterwerdens in Marburg“. Eine Podiumsdiskussion wagte eine Bestandsaufnahme sowie einen Ausblick zum Älterwerden in Marburg.

„Es müsste hier in Marburg eigentlich einen Thanksgiving Day geben, um allen, die in den Quartieren eine unverzichtbare und wertvolle Arbeit für andere leisten, Danke zu sagen“, betonte das Stadtoberhaupt. Ehrenamtliches Engagement sei keine Einbahnstraße, man bekomme immer etwas zurück und werde dadurch ein anderer Mensch, so Vaupel weiter. Untrennbar mit allem verbunden sei die nötige Kompetenz, Qualität und Struktur für diese Arbeit. Dies alles ermögliche Zukunftsfähigkeit, gab der Oberbürgermeister zu bedenken.

Die Podiumsdiskussion beleuchtete im Kern das Spannungsfeld zwischen Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen. Kann freiwilliges Engagement tragende Säule der Zukunftssicherung sein? Die Teilnehmenden machten in ihrer Zusammensetzung bereits die ausgewogene Vielfalt deutlich, die in der Marburger Arbeit mit und für ältere Menschen existiert: Pit Metz (Vorsitzender der Ortenberggemeinde), Doreen Rother (Bürgerinitiative für Soziale Fragen, BSF), Heinz-Konrad Debus (Aktives Allnatal), Dr. Petra Engel (Stabsstelle Altenplanung der Universitätsstadt Marburg) sowie Nadja Ritter (Geschäftsstelle Deutscher Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung). Die Moderation übernahm Brigitte Bohnke (Universitätsstadt Marburg).

Stellvertretend für die Außenstadtteile berichtete der Ortsvorsteher von Haddamshausen, Heinz-Konrad Debus, von der Seniorenarbeit der Gruppe Aktives Allnatal. Mit der Frage „Wie könnte man etwas für die älteren Menschen tun?“, habe der ganze Prozess begonnen, so Debus. Es bestand der Wunsch nach einem Mittagstisch und einem Erzählcafé. Mit der Öffnung zu anderen Außenstadtteilen, kam die Idee eines gemeinsamen Pizzabacknachmittags und einer Gitarrengruppe hinzu. „Das Angebot der Aktiven ist wie im Schneeballsystem gewachsen. Mittlerweile sind das alles Selbstläufer“, berichtete Debus. Aktuell werde aber auch bewusst Initiative für diejenigen ergriffen, die nicht mehr so mobil sind. Man hinterfrage, warum jemand nicht mehr kommt, und wie man wieder in Kontakt treten kann. Seniorenbegleiter, geschult als Multiplikatoren, sollen gezielt das Gespräch mit den älteren Menschen suchen. Ein Beschluss der Stadtverordnetenversammlung hatte seit 2009 Befragungen in einigen Stadtteilen initiiert. „Dadurch sind viele Gruppen entstanden“, machte Debus deutlich.

Für die Seniorenarbeit in den Stadtteilgemeinden sprach Pit Metz am Beispiel der Ortenberggemeinde, deren Vorsitzender er ist. „Die Seniorenarbeit ist am Ortenberg, anders als im Allnatal, naturwüchsig und nicht konzeptionell entstanden“, erläuterte Metz. Die Stadtteilgemeinschaft sei gemeinsam älter geworden und mit speziellen Seniorenangeboten von Busfahrten ins Blaue, monatlichen Wanderungen, Seniorencafés, Näh- oder Malgruppen bis zu Tanz- und Stuhltanzgruppen ausgestattet. Dies alles sei entstanden, weil es Menschen gab, die sagten: „Das kann ich und das würde ich gerne machen.“

Zur Frage nach dem Ehrenamt als Lückenbüßer appellierte Metz an die Politik, das Ehrenamt nicht zu missbrauchen, um Sparpolitik zu rechtfertigen. „Ehrenamt soll als Ehrenamt gewürdigt werden und nicht als Ersatz für unterlassene Hilfeleistung durch Professionalität“, betonte Metz. Wo sich die ersten Vorboten einer Pflegebedürftigkeit zeigten, ende für ihn das Ehrenamt. Die Erwartung an die Hauptamtlichen sie dabei, die aktiven Senioren so weit dafür zu sensibilisieren, Grenzen zu erkennen, dass sie sich zum richtigen Zeitpunkt professionelle Hilfe holen. Beide Seiten, Ehrenamtler wie Hauptamtliche, sollten durch Kommunikation voneinander wissen. Hier existiere, so Metz, ein großer Bedarf, um die richtige Balance zwischen Ehrenamt und Hauptamt zu wahren.

Doreen Rother von der Bürgerinitiative für Soziale Fragen (BSF) betonte die große Bedeutung der Ehrenamtlichen für das Gemeinwesenprojekt. Die Bürgerinitiative für Soziale Fragen war ursprünglich von Bürgerinnen und Bürgern gegründet worden. Ehrenamtliche seien entscheidend beim Aufbau von Netzwerken. „Sie fungieren als Brückenbauer zu den Bewohnerinnen und Bewohnern im Stadtteil, beispielsweise als Integrationslotse oder Familienpaten“, führte Rother aus.

Dr. Petra Engel erläuterte auf die Frage, wieviel Steuerung das Ehrenamt brauche, die besonders positive Situation in der Universitätsstadt Marburg: „Im Beratungszentrum mit integriertem Pflegestützpunkt (BiP) ist die Freiwilligenagentur Marburg-Biedenkopf bereits integriert. Wir haben die Profis immer vor Ort“, so Engel. Man könne dies nicht quantifizieren, sondern müsse es jeweils ortsspezifisch sehen, erläuterte Engel. „Für uns als Stadt ist es wichtig herauszufinden, was die Freiwilligen möchten, was können sie und wo brauchen sie uns als Stadtverwaltung zur Unterstützung?“, so die Leiterin der Stabsstelle Altenplanung.

Viele Fragen seien zum Start in mehreren Stadtteilen aufgekommen, auf diese Weise entstand Vernetzung, blickte sie zurück. Dabei habe man festgestellt: „Es gibt gemeinsame Grundanliegen, für die wir keine Lösung finden.“ Deshalb wurde 2011 erstmals der Magistrat eingeladen, um den Bedarf anzusprechen. Auf Einladung des Cappeler Ortsvorstehers Heinz Wahlers hat sich dies zu einer jährlichen Tradition entwickelt. Grundlegend würden an die Kommune immer die vier Kernthemen herangetragen: Finanzierung, Bereitstellung von Raum, Versicherungsfragen sowie Freiwilligenzuschüsse, fasste Engel zusammen. Aufgabe der Kommune sei es zu begleiten, zu unterstützen, zu vernetzen und zu qualifizieren.

Abschließend waren sich alle Podiumsteilnehmenden einig, die Zukunft in der Entwicklung des Engagements für Ältere liege in der Vernetzung.

Zuvor hatte Nadja Ritter von der Geschäftsstelle des Programms beim Deutschen Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung über „Perspektiven guten Älterwerdens in Marburg“ referiert. Im Auftrag des Bundesministeriums begleitete sie das Anlaufstellenprogramm in Marburg, ein bundesweites Förderprogramm zur Umsetzung der Demografiestrategie.

Das bundesweite Programm unterstützt die Information und Beratung älterer Menschen, so Ritter. Zu den bundesweit rund 300 Projekten gehören 60 Konzeptprojekte, die sich der Thematik zunächst strategisch nähern wollen, sowie rund 70 Investitions- und Bauvorhaben. Dazu zählen klassische Umbaumaßnahmen für Barrierefreiheit oder Anschaffungen für Gemeinschaftseinrichtungen. Nicht bauliche Projekte, zu denen auch Marburg gehörte, machen schließlich mit 150 Projekten den Großteil aus, erläuterte Ritter.

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