viva piazza fridericianum – Stricken, Stricken, Stricken bis zum 8. März

22.12.2024 (yb) Viele, sehr viele 50 x 50 cm große gestrickte oder gehäkelte Decken sollen den Friedrichsplatz am 8. und 9. März bedecken und werden anschließend zu Gunsten des Autonomen Frauenhauses Kassel versteigert.

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Häuser aus Lehm in Weilburg

Lehmhaus in Weilburg Foto Ursula WöllMarburg 16.01.2016 (red) Gastbeitrag von Ursula Wöll: Ich stehe auf dem Parkplatz des Hotels Lahnschleife. Von hier aus kann man eine Weilburger Berühmtheit in ihrer vollen Größe bewundern. Es ist ein schlichtes Haus, das vor mir sechs Stockwerke hochragt. In seiner Entstehungszeit, 1826 – 1828, hätte man von einem Hochhaus gesprochen. Eines mit einem Geheimnis, das nur Architekturfans bekannt ist. Dieses Haus ist nämlich völlig aus Stampflehn erbaut. Wie das besagte Veilchen im Moose übersehen es die Touristen auf ihrem Weg zur stolzen Rose, dem barocken Schloss. Das Lehmhaus ist an einem steilen Hang erbaut, auf der Vorderseite ist es daher „nur“ drei Stockwerke hoch. Hier hat die Bürgerinitiative ‚Alt-Weilburg eV.‘ ein Schild angebracht: „Pisé-Haus (von franz. piser = feststampfen), höchstes Lehmhaus der Welt, erbaut 1826 – 28 von Wilhelm Jakob Wimpf“. Im Dezember 2015 hat die Stadt Weilburg den unter Denkmalschutz stehenden Lehm-Methusalem gekauft, um ihn in Absprache mit der Unteren Denkmalschutzbehörde zu renovieren und damit zu erhalten.

Schild am Weilburg Lehmhaus. Fotos Ursula Wöll

Schild am Weilburg Lehmhaus. Fotos Ursula Wöll

Mit dem ‚höchsten Haus der Welt‘ hat man wohl etwas übertrieben. Die als Weltkulturerbe eingestufte Moschee von Djenné in Mali etwa ist sicher noch etwas höher,. Sie ist nicht verputzt, so dass die Einwohner nach jeder Regenzeit gemeinsam die kleinen Schäden am Lehm reparieren und daraus ein großes Fest machen.  Das Weilburger Haus hat einen Verputz, an der Wetterseite wurde es kürzlich sogar verschiefert. Es ist sicher das höchste Stampflehmhaus in Deutschland, in Weilburg sowieso. Denn man höre und staune: In dieser schönen Residenzstadt erhielten sich 19 weitere Häuser aus Stampflehm, auch sie unter Denkmalschutz. Sie sind alle bewohnt und schön renoviert. Unauffällig mischen sie sich unter die Häuser in der Bahnhofstraße, der Frankfurter Straße oder der Limburger Straße.

Wilhelm Schick hat alle 20 Lehmhäuser in einer Broschüre der Bürgerinitiative mit dem Titel „Der Pisé-Bau zu Weilburg an der Lahn“ vorgestellt. Das Haus Limburger Straße 13 beherbergt sogar eine Zahnarztpraxis. Ja, so pico-bello sehen Räume aus Lehm aus. Man fragt sich, warum diese Bauweise völlig aus der Mode kam, ist sie doch billig und langlebig. Erst in jüngster Zeit erinnert man sich an der Gesamthochschule Kassel (Prof. Gernot Minke) und der ETH in Zürich an sie, und etliche Bauherren haben sich für Stampflehmhäuser entschieden, vor allem in der Schweiz. Auch findet in Lyon zum wiederholten Mal im Juli der internationale Kongress „Terra Lyon“ statt.

In Weilburg gab und gibt es besonders viele Häuser aus Stampflehm, weil die nassauische Obrigkeit damals verordnete, beim Bauen an Holz zu sparen. Ihre Prunkbauten hatten die umliegenden Wälder stark dezimiert. Das bedeutete auch, dass die Herren nicht mehr so üppig ihrer Jagdleidenschaft frönen konnten. Das Bauen ohne Holz begründete man offiziell damit, dass Lehmhäuser nicht brennen können. Mit Wilhelm Jakob Wimpf wirkte hier ein Fachmann, der selbst einige solcher Häuser errichtete und der 1836 in einem Büchlein „Der Pisé-Bau“ detailliert aufzählte, was beim Lehmbau zu beachten ist und welche einfachen Werkzeuge man dafür benötigt. Wohlgemerkt, die Rede ist hier nicht von der Lehmausfachung von Fachwerk. Dabei wird Häcksel aus Stroh in den Lehm gemischt. Die Rede ist von der Stampflehmbauweise, die alle 20 Weilburger Häuser auszeichnet. Sie kommt völlig ohne Holz aus, denn auch die tragenden Wände sind völlig aus Stampflehm. Nur das Fundament besteht aus Bruchstein, um aufsteigende Nässe zu vermeiden.

Lehmhaus in der Limburger Straße 13.

Lehmhaus in der Limburger Straße 13

An den Baustoff Lehm werden keine großen Anforderungen gestellt. Oft verwendete man gleich die ausgeschachtete Erde. Man füllte sie in die Holzschalung, stampfte sie jeweils fest und zog die Schalung immer höher. Unter der Anleitung einer erfahrenen Kraft konnte das sogar in Eigenarbeit geschehen. Nach dem Trocknen, das mindestens ein Jahr dauert, werden die so entstandenen Wände steinhart, schließlich verputzt. Wimpf schreibt: „Bei dem inneren und äußeren Verputz lässt sich dieselbe Eleganz wie bei anderen Gebäuden anbringen“. Lehmhäuser ergeben ein besonders gutes und gesundes Raumklima,  sind eine ideale dritte Haut für die BewohnerInnen. Wer das nicht glauben will, der besuche das ‚Haus der Vorgeschichte‘ in der Usinger Straße von Schöffengrund-Oberquembach. Auch es wurde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts errichtet, und zwar vollständig aus Stampflehm. Der Verein für Vor- und Frühgeschichte hat das ehemalige Schulhaus sorgfältig renoviert und ein Museum eingerichtet. Noch mehr allerdings als die aktuelle Ausstellung „Mittelalterliche Eisenerzgewinnung an Lahn und Dill“ faszinierte mich eine Vertiefung in der Außenwand. Der Verein hat sie ausgehölt, um das Innere der Wand zu demonstrieren. Es besteht aus einer graugelben etwas körnigen harten Masse. It is Stampflehm, stupid!

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