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Mindestlohn: Deutliche Verdienstzuwächse bei positiver Arbeitsmarktentwicklung

Marburg 31.01.2016 (pm/red) Der gesetzliche Mindestlohn nutze Millionen Beschäftigten. Vor allem in klassischen Niedriglohnbranchen seien die Verdienste kräftig gestiegen. Der positiven Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt habe der Mindestlohn unter dem Strich nicht geschadet. Für eine spürbare Anhebung der Untergrenze ab 2017 gebe es verschiedene Orientierungsmarken. Zu diesen Ergebnissen kommt eine neue Analyse des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.

Bereits ein Jahr nach der Einführung des Mindestlohns zeige sich: Die neue Untergrenze habe das Lohngefüge verändert. Dabei haben vor allem weniger gut qualifizierte Arbeitnehmer aufgeholt – anders als in den Vorjahren. Die Lohnentwicklung sei „wesentlich ausgeglichener“ geworden, schreiben die WSI-Forscher Marc Amlinger, Dr. Reinhard Bispinck und Dr. Thorsten Schulten. Potenziell betroffen seien nach Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) zwischen 4,8 und 5,4 Millionen Beschäftigte, die im Jahr 2014 noch einen geringeren Stundenlohn als 8,50 Euro hatten.

Dienstleistungsberufe und Ostdeutsche profitieren am meisten
2015 sind die Bruttostundenlöhne von Voll- und Teilzeitbeschäftigten gestiegen, im dritten Quartal um 2,0 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal. In Ostdeutschland lag die Steigerung im Schnitt sogar bei 3,6 Prozent, in Westdeutschland bei 1,7 Prozent. Die stärksten Zuwächse erzielten ungelernte Frauen in Ostdeutschland mit 8,5 Prozent, bei Männern der gleichen Gruppe gab es ein Plus von 8,0 Prozent.

Vor allem in Dienstleistungsberufen hat sich die Bezahlung verbessert: Der ostdeutsche Einzelhandel, das Gastgewerbe, die Wach- und Sicherheitsdienste und „sonstige personennahen Dienstleistungen“, zu denen etwa Wäschereien und Frisöre gehören, verzeichneten kräftige Steigerungen. Im Gastgewerbe, das vom Mindestlohn am stärksten betroffen ist, stiegen die Verdienste um 2,9 Prozent, in Ostdeutschland sogar um 8,6 Prozent.

Für Minijobber liegen bislang keine Daten zu Bruttostundenlöhnen vor. Der Nominallohnindex des Statistischen Bundesamtes zeige aber, dass die Verdienste bei geringfügig Beschäftigten pro Monat schon 2014 spürbar zugelegt haben, heißt es im WSI-Report. Die Anpassung an den Mindestlohn sei gewissermaßen vorgezogen worden. In den ersten drei Quartalen 2015 stiegen die Verdienste der geringfügig Beschäftigten noch einmal wesentlich stärker als die der übrigen Beschäftigten. Allein im ersten Quartal nach Einführung des Mindestlohns erzielten Minijobber durchschnittlich doppelt so hohe Zuwächse wie die Gesamtheit der Arbeitnehmer.

Auch die Tarifpolitik hat nach der WSI-Analyse dazu beigetragen, dass die unteren Lohngruppen weiter aufholen konnten. In mehreren Branchen, in denen es noch tarifliche Niedriglöhne unter 8,50 Euro gab, wurden höhere Verdienste bereits vor 2015 vereinbart. Die Gewerkschaften wollten damit niedrige Tarifentgelte an das Mindestlohnniveau heranführen, während die Arbeitgeberverbände auf die möglichst weitgehende Ausnutzung des Übergangszeitraums von zwei Jahren zielten. Zu den betroffenen Branchen zählen das Friseurgewerbe, die Fleischindustrie sowie der Bereich Land- und Forstwirtschaft und Gartenbau. Anfang 2015 lag der Anteil der Niedriglohngruppen unter 8,50 Euro in Tarifverträgen nur noch bei sechs Prozent. Durch weitere Tarifanpassungen konnte er im Laufe des Jahres 2015 auf drei Prozent weiter reduziert werden, zeigt die Auswertung der Wissenschaftler.

Positiver Saldo auf dem Arbeitsmarkt
Die von vielen Ökonomen prognostizierten Jobverluste sind ausgeblieben, zeigt die WSI-Analyse. Die Beschäftigung hat im Gegenteil kontinuierlich zugenommen. Im Oktober 2015 gab es nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit 713.000 mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigte als im gleichen Monat des Vorjahres. Dies entspricht einem Zuwachs von 2,3 Prozent. In Ostdeutschland fiel das Plus mit 1,9 Prozent leicht geringer als in Westdeutschland mit 2,4 Prozent aus. Gerade in Branchen mit traditionell vielen Geringverdienern sind nach Einführung des Mindestlohns nicht nur die Verdienste, sondern auch die Zahl der Jobs kräftig gestiegen. Den größten Beschäftigungsaufbau verzeichnete mit 6,6 Prozent das Gastgewerbe, gefolgt von den Bereichen „sonstige wirtschaftliche Dienstleitungen“, Leiharbeit, Heime und Sozialwesen sowie Verkehr und Lagerei.

Gute Argumente für Anhebung
Vor dem Hintergrund der positiven Erfahrungen werde derzeit über die Anhebung des Mindestlohns diskutiert, so das WSI. Diese soll erstmals Anfang 2017 erfolgen. Als Orientierungsgröße für die Empfehlung der Mindestlohnkommission gilt die Entwicklung der Tariflöhne in den Vorjahren. Nach dem Tarifindex des Statistischen Bundesamtens stiegen die Tariflöhne 2014 und 2015 insgesamt um 5,5 Prozent. Das heißt für den Mindestlohn: Er müsste auf etwa neun Euro angehoben werden.

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