Die Nazi-Massaker auf Kreta 1941-44
Marburg 09.02.2016 (ed) Gastbeitrag von Ursula Wöll Die Fraport AG hat in Griechenland 14 regionale Flugplätze gekauft, also einen Teil des griechischen Tafelsilbers. EU und EZB erwarten eine gesteigerte Austeritätspolitik, darunter die Kürzung der Renten und die massive Erhöhung der Rentenbeiträge. Man kritisiert das kleine Land, dass es als Außenposten Europas die Flüchtlinge nicht effizient genug abweise. Eine für die wirtschaftliche Belebung unabdingbare Schuldenstreichung ist dagegen nicht in Sicht. Die versprochenen Gelder, neue Kredite, die nur bei Wohlverhalten fließen, gehen überwiegend zurück in den Schuldendienst. Nach Professor Hickel müssen von gut 80 Milliarden Euro über 50 Milliarden für Zinsen, Rückzahlungen etc. verwendet werden. Kein Wunder, wenn sich die Bevölkerung am 4. Februar mit einem Generalstreik wehrte. Es stünde vor allem der deutschen Regierung gut an, wenn sie sich erinnern würde, dass vor nicht langer Zeit Griechenland schon einmal schlimmste Verluste an Menschen und Sachwerten erlitt. Ohne dass bislang eine Entschädigung geleistet wurde.
Der Griechenland-Feldzug der Nazi-Wehrmacht begann am 6. April 1941, am 27. April wurde Athen und bis 3. Mai viele Inseln besetzt. Eine Kollaborationsregierung wurde eingesetzt. Am 20. Mai landeten dann deutsche Soldaten mit Fallschirmen und Lastenseglern im Westen der Insel Kreta. Sie stießen auf unerwartet heftigen Widerstand des britischen Militärs und der Zivilbevölkerung. Die Eroberung der Insel aus der Luft kostete nicht nur tausenden deutschen Soldaten, sondern auch tausenden von Briten und Kretern auf der Verteidigungsseite das Leben.
In meinem Artikel vom 7.4.2015 schrieb ich nur über die Massaker der Nazi-Wehrmacht auf dem griechischen Festland. Da Griechenland die Schäden ohne Entschädigung ‚reparieren‘ musste und das Land nun erneut ausgeblutet wird, zähle ich im folgenden auch noch einige der Massaker auf Kreta auf. Aus Solidarität mit dem Generalstreik der Griechen am 4. Februar 2016 gegen die Rentenkürzungen und -beitragserhöhungen. Und auch als Hinweis auf die Veranstaltung mit Yanis Varoufakis am 11. Februar im Marburger TTZ.
Die Massaker der deutschen Besatzer auf griechischem Boden begannen nämlich auf Kreta. Kretische Dörfer waren die ersten in Griechenland, die verwüstet und entvölkert wurden. Schon am 3. Juni 1941 traf es Kandanos. Die Soldaten töteten nicht nur alles Vieh, sondern auch die noch im Dorf aufgefundenen alten Männer und Frauen. Sie zerstörten die Häuser und hinterließen eine Tafel: „Zur Vergeltung der Ermordung eines Fallschirmjägerzuges und eines Pionierhalbzuges durch bewaffnete Männer und Frauen aus dem Hinterhalt wurde Kandanos zerstört.“ Die (erneuerte) Tafel steht als Mahnung bis heute.
Im Juni 1941 wurde das Dorf Skines zerstört, seine Frauen und Kinder wurden zwangsumgesiedelt und viele der Männer erschossen. Besonders perfide waren Geiselnahmen völlig Unbeteiligter. Am 3. Juni 1942 etwa wurden 12 und am 14. Juni 1942 wurden 50 „Sühnegefangene“ erschossen.
Am 12. September kam es auf Kreta erstmals zu einer direkten Auseinandersetzung zwischen deutschen Besatzern und den erstarkenden Andarten (Partisanen). Dabei starben 12 Besatzer. Das Dorf Ano Viannos wurde aus Rache zerstört, an seine mehr als 400 ermordeten Bewohner erinnert eine Gedenkstätte. Marmorstelen am Rande eines Plateaus bilden eine gespenstische Reihe. Auf jeder Stele ist eine Tafel mit Namen der Ermordeten montiert.
Im August 1944 traf es dann Anogia, und zwar nach der Entführung des Generals Kreipe. Alle Einwohner, auch Kinder und Greise, wurden ermordet. Die Künstlerin Karina Raeck hat 1989 mit ihrem berühmten Werk „Andartis – Monument für den Frieden“ an das Massaker erinnert. Sie schuf eine 30 Meter große Gestalt aus hellen Felssteinen, die damals von der Bevölkerung gestreut wurden, um Flugzeuglandungen zu verhindern. Die Figur liegt als Land-Art auf dem Boden und breitet einen Engelsflügel aus, während ihre Beine nach einem griechischen Tanzschritt gelegt sind.
Diese Liste der niedergebrannten Orte und ermordeten Kreter ist unvollständig. Und doch heißt es im DuMont-Reiseführer Kreta: „Dass Deutsche auf Kreta mit großer Sympathie empfangen werden – selbst an Orten schmerzhafter Erinnerung -, beruht nicht auf Vergessen, sondern auf Verzeihung und Bearbeitung des Geschehenen.“ An dieser Großherzigkeit hat sich bis heute nichts geändert.