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Varoufakis mobilisiert Marburger Massen – Hunderte Hörer im Saal, Foyer und Außenbereich

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Marburg 11.02.2016 (yb) Dass Persönlichkeit, Profil und Popularität immer noch zusammengehen können, zeigte sich am Donnerstagabend bei einer Veranstaltung mit Yanis Varoufakis in Marburg. Hunderte Zuhörer verfolgten die Ausführungen des Griechischen Ökonomen konzentriert. Am Vorabend als Wortführer bei Sandra Maischberger in der ARD, ist die Veranstaltung der LINKEN mit dem vormaligen Griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis zum politischen Großereignis geworden. Besucher standen zu Hunderten Schlange im Hof des TTZ und konnten nicht mehr eingelassen werden.

Der Saal war mit annähernd 300 BesucherInnen berstend voll besetzt. Im Foyerbereich drängte sich eine dreistellige Zuhörerschaft vor einer Live-Übertragung auf Leinwand und draußen im Hofbereich konnte per Lautsprecherübertragung eine große Zahl Interessierter dem griechischen Ökonomen unter freiem Himmel zuhören.

Der linke Ökonom hatte am Montag im Berliner Theater «Volksbühne» mitgeteilt, unter dem Dach des Netzwerkes «Democracy in Europe Movement 2025″ (DiEM25) verschiedene Protestbewegungen zusammenführen zu wollen. „Der rasche Zerfall Europas muss gestoppt werden“, sagte Varoufakis und warnte vor dem neuen Nationalismus in Europa. Mit Blick auch auf die Flüchtlingskrise hatte er gesagt, dass es darum gehen solle, die Rückkehr zu Nationalstaaten und zu neuen Mauern zu verhindern. Die EU-Institutionen hätten  in den vergangenen Monaten versagt, als Folge davon sei inzwischen beinahe jedes EU-Land nur noch auf den eigenen Vorteil bedacht.

Das Ziel Europa zu demokratisieren und die Vorherrschaft des Finanzkapitals zu brechen, war auch Leitgedanke in den Ausführungen von Varoufakis bei der Veranstaltung in Marburg. Er bezog sich auf seine Erfahrungen als kurzzeitiger griechischer Finanzminister. „Man muss kein Linker sein um zu wissen, dass Griechenland diese Schulden nicht zurückzahlen kann“, lautete seine Einschätzung. Dabei sei der „größte Kredit der Menschheitsgeschichte“ mit der Auflage vergeben worden, dass die Einkommen breiter Bevölkerungsschichten reduziert werden. Damit sei genau die Grundlage dafür geschaffen worden, dass die Möglichkeit zur Rückzahlung nicht entstehen könne.

Ihm sei während vieler Gespräche und Verhandlungen klar geworden, dass Griechenland zu betrachten sei wie der Kanarienvogel, den Bergleute früher als lebendes Warnsignal mit in den Schacht (wegen drohender Luftvergiftung) genommen hätten. Der Kanarienvogel konnte zuerst sterben, diente zugleich als dringender Hinweis für die Überlebenden. „Warum weiter über die griechischen Schulden sprechen?“ Es müsse doch längst klar sein, dass diese ein Symptom im System Europa seien. Bestätigt hätte ihm dies etwa Christine Lagarde, Chefin des Internationalen Währungsfond (IWF): „Ich weiß, dass das Programm nicht funktionieren kann“, lautete deren Kommentar nach den Ausführungen von Varoufakis.

So gab der Ökonom viele Einblicke in das bankenorientierte internationale Finanzregime, für Griechenland verkörpert in Gestalt der Troika. „Wir sagen diese Worte, aber wir glauben nicht an diese Worte“ sei gemeinsamer Nenner der maßgeblichen Akteure, an denen er als authentischer Vertreter griechischer Interesse abgeprallt sei. Mit Verweis auf die Geschichte des Zwanzigsten Jahrhunderts, als in den späten 20iger und frühen 30iger Jahren im Kontext der großen Depression schließlich Faschisten an die Macht kamen und Europa auf den 2.Weltkrieg zusteuerten, begründete er seinen Appell für ein deutliches Umsteuern „um Europa vom Kopf auf die Füße zu stellen“ und eine andere am Wohl der Menschen orientierte Politik einzuleiten.

Nach seinem knapp einstündigen Statement nutze das Publikum die Gelegenheit für Fragen, die nicht alleine aus dem Saal, sondern auch von den draußen mithörenden BesucherInnen per handschriftlicher Niederschrift übermittelt wurden. So geriet die Veranstaltung zugleich zu einem dialogischen und lebendigen Forum, wie es Landesvorsitzende Heidemarie Scheuch-Paschkewitz gemeinsam mit Co-Vorsitzendem Jan Schalauske bei der Eingangsbegrüßung angekündigt hatte. Schalauske zeigte sich sichtlich beeindruckt von der großen Zuhörerschaft. Er erinnere sich an keine Veranstaltung der LINKEN, die so viele Menschen auf die Beine gebracht hätte, waren seine Worte. Mit anwesend auf dem Podium und mit kurzen Statements zu vernehmen waren die beiden Bundestagsabgeordneten der Partei DIE LINKE Wolfgang Gehrke und Dieter Dehm.

Insgesamt eine gelungene und gut organisierte Veranstaltung haben die zahlreichen BesucherInnen erlebt. Dazu gehörte eine synchrone Übersetzung des Vortrags von Varoufakis (in englischer Sprache), was zwei Übersetzer/in im Saal leisteten und auf kostenlos erhältlich Funk-Kopfhörer übertragen wurde. Die Anwesenden im Foyer des TTZ konnten die Ausführungen über Lautsprecher und auf einer großen Videoleinwand mitverfolgen. Nach draußen wurde per Lautsprecher übertragen. So gab es einige Prominenz, viel kritischen Geist, Appelle für eine andere Politik vor einem Massenpublikum in der Stadt von Wolfgang Abendroth.

Varoufakis dbas0211_0150Dass relevante Bevölkerungsteile mit kritischer Wahrnehmung die herrschende Politik nicht nur betrachten, sondern sich dafür weitergehend mobilisieren lassen, ist eine Essenz dieses besonderen Abends in Marburg. Allerdings bleibt die Frage, wer und wie viele Persönlichkeiten in Deutschland und Europa dafür zu gewinnen sein werden. Varoufakis ist mit DiEM25 gerade erst gestartet, während in vielen Ländern die nationalistischen und extrem rechten Kräfte bereits bedrohlich formiert und parlamentarisch repräsentiert sind.

Sternbald-Fotografien von Hartwig Bambey © 2016

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